"Ohne Liebe ist Pädagogik nicht machbar" - Der "Advokat der Kinder" Wolfgang Bergmann ist tot

Am 18. Mai 2011 ist der renommierte Psychologe und Erziehungswissenschaftler Wolfgang Bergmann im Alter von 62 Jahren nach schwerer Krankheit in einem Hospiz bei Hannover gestorben. Im Februar 2010 war bei ihm Knochenkrebs festgestellt worden.

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Bergmann war einer der bekanntesten Kinder- und Jugendtherapeuten Deutschlands und als Publizist und Autor von Sachbüchern zu psychologischen und pädagogischen Themen weithin bekannt. Er war Leiter des Instituts für Kinderpsychologie und Lerntherapie und Initiator der Stiftung „Für Kinder“. Durch diese Initiative Bergmanns sollen die gesellschaftlichen Bedingungen für positive erste Bindungserfahrungen von Babys und Kleinkindern in ihren Familien gefördert werden, um so die Möglichkeit für die Ausbildung von Selbstbewusstheit und sozialer Kompetenz, Kreativität und Konfliktfähigkeit, gesellschaftlicher Verantwortung und individuelle Sinngebung zu schaffen. In wissenschaftlichem aber auch in politischem Handeln sollen Wege gefunden werden, wie die Notwendigkeit von Nähe und Bindung für ein gelingendes Leben der Kinder verlustfrei in Einklang zu bringen ist mit den Anforderungen moderner Leistungsgesellschaften.

In seinen vielen Büchern richtet Bergmann den Blick aufs Kind und stellt die Elternliebe als das einzig Sinnstiftendes heraus. In einem Nachruf des Beltz-Verlages, mit dem Bergmann über viele Jahre verbunden war, heißt es: „In seinen Büchern setzte sich Wolfgang Bergmann für die Belange und Bedürfnisse der heutigen Kinder ein. Seine besondere Gabe bestand darin, ihre jeweiligen Eigenheiten, ihr eigene, oft unverstellte Sicht auf die Welt der Erwachsenen zu respektieren und gut zu heißen. Das brachte ihn in Gegensatz zu einem Diskurs, der bis heute in der Tradition ‚schwarzer Pädagogik’ alle Gründübel bei dem  ‚unerzogenen’ Kind sieht, das entsprechend diszipliniert werden müsse und dem ein ‚Zuviel’ an Liebe eher schade als nutze. Dass ohne Liebe zum Kind jede Erziehung und jede Pädagogik nicht machbar ist, war eines seiner Grundprinzipien.“

Seine Buch-Titel wie "Gute Autorität - Grundsätze einer zeitgemäßen Erziehung" oder "Disziplin ohne Angst", ferner "Das Drama des modernen Kindes" über Hyperaktivität, Magersucht, Selbstverletzung, oder auch seine Streitschrift gegenüber einer neuen Disziplinierungswelle in der Erziehung: "Warum unsere Kinder ein Glück sind", belegen die Richtung seines Engagements. Er wendet sich gegen eine „Wohlfühl-Kuschel-Pädagogik“ und weist auf die wichtigen Unterschiede bei der Erziehung von Jungen und Mädchen hin: „Hinter den Mädchen bleiben Jungen schulisch deutlich zurück. Sind sie Bildungsversager mit Gewaltneigung? In Kindergärten wie Schulen dominiere ein verhuscht-weibliches Klima“, sagt Wolfgang Bergmann dazu im Interview. Nachdem am 1. März 2010 sein Buch: „Geheimnisvoll wie der Himmel sind Kinder: Was Eltern von Jesus lernen können“  herausgebracht wurde, erschien noch im Februar 2011 sein neustes Werk: „Lasst Eure Kinder in Ruhe. Gegen den Förderwahn in der Erziehung.“ quasi als Lebenswerk-Vermächtnis.  

Bergmann warnte vor einer Überangepasstheit, an der sich häufig Eltern und Lehrer orientieren. „Die Deutschen neigten dazu, zu akademisch und mit Rezepten bewaffnet in die Erziehung zu gehen“. Er mahnte die politisch Verantwortlichen, von ihrem Fremdbetreuungs-Wahn Abstand zu nehmen und stattdessen die wichtigen Erkenntnisse einer intensiven und positiven Eltern-Kind-Bindung zu fördern. In einem dramatischen Video-Appell wendet sich der Todkranke im März 2011 an „die Mütter und Väter, lieber auf ihr Herz und die Empfindung zu hören und den familienpolitischen Maßnahmen von Krippe und Fremdbetreuung äußerst kritisch gegenüberzustehen.“ Bergmann greift in diesem Zusammenhang die deutsche Politik heftig an, die sich alle wissenschaftlichen Befunde »zurechtdrehe«. 

Seien schwere Krankheit - „Man wacht morgens auf, und es tut weh“ -  hat ihn nicht darin gehindert, durch Interviews, Videobotschaften und Fachveröffentlichungen weiterhin ein Anwalt für liebevolle Aufwachsbedingungen von Kindern zu sein. Er sprach noch 18. Apr<script type="text/javascript" src="http://www.freiewelt.net/system/tinymce/jscripts/tiny_mce/themes/advanced/langs/en.js"></script>il 2011 mit Jürgen Liminski im D-Radio über sein Krebsleiden, den wohl bald zu erwartenden Tod und sein Herzens-Anliegen, sich für bessere  Bedingungen des Aufwachsens von Kindern zu engagieren. Denn eine Gesellschaft - so seine Überzeugung - wahrt ihren inneren Zusammenhalt nur insoweit, wie sie ihre Kinder gut behandelt. In diesem Interview richtete Bergmann eine direkte Botschaft an alle jungen Menschen: „Haltet euch an euch selber fest. Ihr habt nichts mehr und nichts Klügeres und nichts Kompetenteres als euch selber, haltet euch daran fest und gebt euch nicht auf.“   

Neben der Therapie von Kindern und Jugendlichen und dem Schreiben zahlreicher Bücher galt Bergmanns Engagement dem Aufbau ‚seiner’ „Stiftung Für Kinder“ (www.FuerKinder.org); um so über seinen Tod hinaus dem zerstörerischen Förderwahn in der Erziehung entgegentreten und Kindern ein Glücks- und Zufriedenheitspotential mitzugeben. „Wir schaffen die seelischen Grundlagen für eine mitfühlende – nicht kalt rivalisierende Gesellschaft“, so Bergmann. „Und es ist die Verbindung von Zuwendung und Grenzen setzen, die als Zauberformel gilt!“ -  „Gute Autorität“, nannte Wolfgang Bergmann dieses Konzept. Lasst uns alle Kräfte bündeln, um uns für dieses Ziel einzusetzen.

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Rudi Gems

Der Name sagt mir nichts. Aber seine Botschaft, muss man schon fast als Binsenweisheit werten. Ja, er hat völlig Recht. "Ohne Liebe ist Pädagogik nicht machbar." Was wäre es schön, wenn die Verantwortlichen der Pädagogik, sich dies mal zu Eigen machen würden. Es ist tatsächlich so, das diese "Binsenweisheit", eines der bestens gehüteten Geheimnisse überhaupt ist. Die meisten Pädagogen, sind der Liebe zu den Schülern, leider gar nicht fähig, mit den entsprechenden Ergebnissen.

Die Liebe, ist eine unendliche Kraft. Wer sie beherrscht und verinnerlicht, dem sind nur noch die physikalischen Grenzen gesetzt. Selbst Paulus, hat in der Bibel, eindeutige Worte zu der Liebe gefunden. Einige Pädagogen, sollten sich diese Stellen mal durchlesen.

Es stimmt schon traurig, wenn solche Menschen, sich schon so früh, verabschieden müssen.

Grüße, Rudi Gems

Gravatar: Thomas

Es ist ein großer Verlust für uns alle, das Wolfgang Bergmann mit 62 Jahren sterben musste. Es ist bewundernswert mit wie viel Nähe, Wärme, Liebe aber auch absoluter Fachkompetens er sich für das wirkliche Kindeswohl eingesetzt hat. Davon lies er sich auch nicht von Mainstreampolitikern und nicht von den Mainstreammedien abhalten. Für unsere Kinder und für uns alle sollten wir seinem Beispiel folgen.

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