Neues Glücksspielgesetz verstößt gegen Verfassungs- und Europarecht

Politiker und Juristen kritisieren Scheinliberalisierung.

Veröffentlicht:
von

Die christlich-liberale Koalition in Schleswig-Holstein kämpft weiter für eine echte Liberalisierung der Glücksspielgesetzgebung. Erst vor kurzem sagte der Vorsitzende der FDP-Landtagsfraktion, Wolfgang Kubicki, im Kieler Landtag, dass der Glücksspielstaatsvertrag aus mehreren Gründen nicht mit dem EU-Recht zu vereinbaren sei. Der augenfälligste Verstoß zeige sich bei der Beschränkung der Konzessionen im Sportwettenbereich. „Die Beschränkung der Zahl von sieben bundesweiten Konzessionen ist willkürlich und verfassungsrechtlich wie europarechtlich höchst problematisch“, so der studierte Volkswirt und Jurist. „Betroffen sind die im Grundgesetz verbriefte Berufsfreiheit, das Recht auf Eigentum, die allgemeine Handlungsfreiheit, die Medienfreiheit und das Gleichbehandlungsgebot. Europarechtlich beschränkt der häufig zitierte ‚E 15’ die Dienstleistungsfreiheiten und die Niederlassungsfreiheit.“

 

Der von der Ministerpräsidentenkonferenz vorgelegte Entwurf eines neuen Glücksspielstaatsvertrags überzeugt die Kieler Koalition keineswegs. Kubicki begründet diese Haltung damit, „dass der Gesetzentwurf nur scheinbar eine Liberalisierung vorschreibt, in Wirklichkeit jedoch weiterhin das Sportwettenmonopol realwirtschaftlich bevorzugt und Marktwirtschaft und Wettbewerb verhindert“. Der liberale Politiker hält auch nichts von den Beschränkungen bei den Live-Wetten, die den Unternehmen nach den Plänen der Ministerpräsidentenkonferenz auferlegt werden sollen, zumal die Sportwettenanbieter dargelegt haben, dass etwa 60 Prozent ihrer Einnahmen aus dem Live-Wetten-Bereich stammen. Nach dem Entwurf des Glücksspielstaatsvertrages soll es ihnen nur erlaubt sein, Live-Wetten auf Endergebnisse anzubieten.

 

Kubicki bringt ein Beispiel, um die Unsinnigkeit dieses Vorgehens plastisch zu illustrieren: „Stellen Sie sich vor, Deutschland stünde im Halbfinale der Fußball-Europameisterschaft im kommenden Jahr in Polen und Ukraine. Und Sie würden gerne darauf tippen, dass Deutschland im Elfmeterschießen weiterkommt, dann dürften Sie das nicht, weil es nur erlaubt wäre, auf das Endergebnis nach 90 Minuten zu tippen und nicht auf jenes nach 120 Minuten.“

 

Laut Kubicki spricht gegen den Entwurf des Glücksspielstaatsvertrags aber vor allem, dass eine Konzessionsabgabe von 16,66 Prozent auf den Spieleinsatz vorgesehen ist. Dadurch werde es nicht gelingen, den bestehenden Graumarkt auszutrocknen und das dort stattfindende Spiel in legale Quellen nach Deutschland zu kanalisieren und umzuleiten. Durch eine Abgabe von 16,66 Prozent, so Kubicki, wären die Sportwettenanbieter gezwungen, eine solch schlechte Quote anzubieten, dass eine effektive Austrocknung des Graumarktes nicht mehr erfolgen könnte: „Frankreich ist vor Jahren mit einem ähnlichen Versuch gestartet. Frankreich hat damals eine Konzessionsabgabe in Höhe von 7,5 Prozent auf den Spieleinsatz verlangt und konnte im Ergebnis nur 20 Prozent des bestehenden Graumarktes kanalisieren.“ Beim Lotto habe eine solch hohe Konzessionsabgabe auch nur deshalb einen entsprechenden Erfolg, weil die Ausschüttungsquote bei niedrigen 50 Prozent liege. Zum Vergleich: Sportwettenanbieter erreichen eine Ausschüttungsquote von 90 (!) Prozent.

 

. „Es ist ja auch nicht auszuschließen, dass sich noch andere Länder der Lösung aus Kiel anschließen, weil sie zum Beispiel registrieren, dass ein liberalisierter Markt nach dem schleswig-holsteinischen Modell selbstverständlich keine geringeren Einnahmen für die öffentlichen Haushalte bedeutet, sondern eher das Gegenteil.“ Der Europäische Gerichtshof hatte in seinem Urteil vom September vergangenen Jahres aber gerade eine kohärente Gesetzgebung hinsichtlich des Glücksspiels in Deutschland gefordert.

 

 

Für die Inhalte der Blogs und Kolumnen sind die jeweiligen Blogger verantwortlich. Die Beiträge der Blogger und Gastautoren geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion oder des Herausgebers wieder.

Ihnen hat der Artikel gefallen? Bitte
unterstützen Sie mit einer Spende unsere
unabhängige Berichterstattung.

Abonnieren Sie jetzt hier unseren Newsletter: Newsletter

Kommentare zum Artikel

Bitte beachten Sie beim Verfassen eines Kommentars die Regeln höflicher Kommunikation.

Keine Kommentare

Schreiben Sie einen Kommentar


(erforderlich)

Zum Anfang