NACH DEM BVG-URTEIL: DAS ZDF in der Mainstreamfalle

Wie schön! Das BVerfG gebietet dem ZDF (und damit dem Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk) mehr Staatsferne. "Staatsnahe" Mitglieder der Aufsichtsgremien (Fernseh- und Verwaltungsrat) sollen auf ein Drittel begrenzt werden, der Vielfalt wegen.

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Niemand wird bestreiten, frei nach Lessing, dass dieses Urteil einen Schritt zu größerer Pressefreiheit und Unabhängigkeit in den Sendern führt. Ich bin dieser "Niemand".

Ein "Gespenst geht um" in der deutschen Medienlandschaft und ich nenne es die "Diktatur des Mainstream". Das BVerfG entschied, dass zukünftig die "breiten gesellschaftlichen Stömungen" beim ZDF das Sagen haben sollen. Programmlich umgesetzt bedeutet das, einen engen Konsenskorridor. Kontroverse Positionen zu senden, wird erheblich erschwert. Ich fürchte, dass den freien Köpfen in den "Anstalten" die letzte Luft zum Atmen genommen wird.

Dazu ein Mini-Exkurs zum Thema "innere Pressefreiheit". Bis 1988 gab es im ZDF zwei "politische Magazine", das "ZDF-Magazin" und "Kennzeichen D". Man kann "politisches Magazin" getrost mit "Meinungsmagazin" übersetzen. Tatsächlich waren die beiden Sendungen politisch klar ausgerichtet: Das ZDF-Magazin mit Gerhard Löwental vertrat einen rechten Kurs gegen die Ostpolitik der Brandt/Scheel Koalition, streng nach der Formel "Freiheit statt Sozialismus", während Kennzeichen D den "Wandel durch Annährung" propagierte und einen "Wettkampf der Systeme", also Sozialismus und Demokratie.

Der Zuschauer wusste, woran er war und schaltete ein: Entweder um sich bestätigt zu sehen, oder um sich über die jeweils gegnerische Meinung aufzuregen.

Dieses Prinzip des offenen kontroversen Diskurses wurde auch in der Nachfolgesendung "Frontal" aufrecht erhalten: Die Moderatoren Hauser (rechts) und Kienzle (links) gifteten sich von erkennbar unterschiedlichen Standpunkten an. Ein Stück Mediendidaktik, die zeigte, dass man die scheinbar unfehlbaren Filmberichte ganz unterschiedlich beurteilen kann. Dadurch wurde die parteiliche Wirkung der Berichterstattung aufgehoben.

Heute gilt für alle Sendungen der (an sich lobenswerte) Anspruch der journalistischen Neutralität bzw. Ausgewogenheit.  Aber ist das möglich?

Das möge jeder Fernsehzuschauer für sich entscheiden.

Greifbar wurde seitdem die parteipolitische Polarisierung allenfalls bei wichtigen Personalentscheidungen, wie der causa Bender. Nach der von CDU/CSU verhinderten Berufung des Favoriten von SPDGRÜN & Friends. Schließlich klagten die Verlierer im Gremienpoker beim Bundesverfassungsgericht: Rheinland-Pfalz, unterstützt von Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen und Bremen.

Man wird fragen dürfen "cui bono" - zu wessen Nutzen. Und zu wessen Nutzen gereicht die höchstrichterliche Entscheidung. Mit dem Urteil des BVG haben diese "B-Länder" - also der "linke Block" - erreicht, dass die Aufsichtsgremien in Zukunft eine "breite Strömung des Gemeinwesens wiederspiegeln" müssen.

Und genau diese "breite Stömung" macht mir Angst. Politische Akteure in den Aufsichtsgremien stehen bisher unter scharfer Beobachtung durch die Medien. Als der ZDF-Chefredakteur Nikolaus Brender im Verwaltungsrat nicht die erforderliche Mehrheit für die Vertragsverlängerung erhielt, sahen sich Protagonisten der Entscheidung wochenlang einem "Shitstorm" ausgesetzt. Aber wenn die Zukunft von Fernsehen und Rundfunk von jener "breiten Strömung" laut BVerfG bestimmt wird, könnte jede Persönlichkeit, die das Treiben  der meinungsbestimmenden Kreise kritisch hinterfragt, unerwünscht sein. Erfolgreich werden nur noch angepasste Kandidaten sein. Denn  "breite Strömung des Gemeinwesens" kann man 1 zu 1 mit "Mainstream" übersetzen. Aber was ist der "Mainstream" in den Medien anderes, als die Manifestation jener, die mit der Diktatur der politischen Korrektheit ihre Ziele verfolgen. Ziele, die ohnehin schon die alle Medien auf ihre Fahnen geschrieben haben: In einer Gesellschaft, die jede abweichende Meinung ächtet. Wehe dem Kandidaten für den Posten eines Chefredakteurs der da nicht den allergrößten Konsens verspricht. Die Macht der "Kreise" ist schwer zu fassen aber deshalb noch einflussreicher als es traditionelle Parteiklüngel je waren.

Übrigens (1):

Das BVerfG hat ausdrücklich festgestellt, Professoren seien als staatsfern einzustufen und somit geeignet für Kontrollposten im ZDF. Wetten, dass Schellnhuber gute Chancen hat!

Übrigens (2):

Beim SWR hat die Zukunft schon begonnen. Die Regierungen Kretschmann (GRÜNE) und Dreyer (SPD) zogen sich aus dem Rundfunkrat zurück - zugunsten von Gewerkschaften, Minderheiten und Frauenquote. So gehören dem Rundfunkrat erstmals auch Vertreter von Muslimen und Sinti und Roma an.

Übrigens (3):

Natürlich werden (laut Urteil)  Politiker weiterhin bestimmen können, WER die "gesellschaftlichen Strömungen" vertreten darf.

Übrigens (4):

Warum ist eigentlich der zurückgetreten MP Kurt Beck (SPD) immer noch Vorsitzende des mächtigen Verwaltungsrats des ZDF? Mit welcher demokratischen Legitimation?

Ebenfalls erschienen auf lyrikheute.com

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Giselher Suhr

Danke, J. Gerdes für dasgroßartige Zitat. Zitat. Ergänzung: Die Worte stammen von John Swinton.

Gravatar: Florian Hohenwarter

Volle Zustimmung!!!!

Alles 100%ig auf den Punkt gebracht!!!

Gravatar: Redaktion

Auf Freie Welt nun auch!

Gravatar: Giselher Suhr

Herzlichen Dank für den Hinweis. Auf Lyrikheute.com ist es jetzt richtig zu lesen.

Gravatar: J. Gerdes

Der ehemalige Chefredakteur der "seriösen" New York Times hat es bereits vor über 130 Jahren im Jahre 1880 anlässlich seiner Verabschiedung in seiner Rede exakt auf den Punkt gebracht:

"So etwas gibt es bis zum heutigen Tage nicht in der Weltgeschichte, auch nicht in Amerika: eine unabhängige Presse. Sie wissen das, und ich weiß das. Es gibt hier nicht einen unter Ihnen, der es wagt, seine ehrliche Meinung zu schreiben. Und wenn er es täte, wüsste er vorher bereits, dass sie niemals im Druck erschiene. Ich werde wöchentlich dafür bezahlt, dass ich meine ehrliche Meinung aus dem Blatt, mit dem ich verbunden bin, heraushalte. Andere von Ihnen erhalten ähnliche Bezahlung für ähnliche Dinge, und wenn Sie so verrückt wären, Ihre ehrliche Meinung zu schreiben, würden Sie umgehend auf der Straße landen, um sich einen neuen Job zu suchen. Wenn ich mir erlaubte, meine ehrliche Meinung in einer der Papierausgaben erscheinen zu lassen, dann würde ich binnen 24 Stunden meine Beschäftigung verlieren. Das Geschäft der Journalisten ist, die Wahrheit zu zerstören, schlankweg zu lügen, die Wahrheit zu pervertieren, sie zu morden, zu Füßen des Mammons zu legen und sein Land und die menschliche Rasse zu verkaufen zum Zweck des täglichen Broterwerbs. Sie wissen das, und ich weiß das, also was soll das verrückte Lobreden auf eine freie Presse? Wir sind Werkzeuge und Vasallen von reichen Männern hinter der Szene. Wir sind Marionetten. Sie ziehen die Strippen, und wir tanzen an den Strippen. Unsere Talente, unsere Möglichkeiten und unsere Leben stehen allesamt im Eigentum anderer Männer. Wir sind intellektuelle Prostituierte."

Mehr muss man zum Thema "Pressefreiheit" in Bezug auf die Mainstream-Medien nicht sagen und eigentlich auch nicht wissen. Daran hat sich bis heute nichts geändert. Nahezu alle Staaten dieser Erde stecken bis zum Hals im Schuldensumpf. Wer aber Schulden hat, der ist nicht frei, denn er muss die Bedingungen des Gläubigers erfüllen - und das sind die (zumeist privaten) Banken (privat; lat. privare = berauben). Auch die „öffentlich-rechtlichen“ Medien gehören demnach nicht den Bürgern, solange der verschuldete Staat gewissen Gläubigern gehört. Über die Werte und Interessen der Medieneigentümer kann man als Medienkonsument nur spekulieren – falls man überhaupt so weit denkt.

Gravatar: MicroHirn

Herr Suhr,

"..Kretschmann (SPD) und Dreyer (GRÜNE)..."


Damit sich niemand beschwert, die Kandidaten sind jeweils den anderen Parteien zugeordnet :-)

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