Mindestens drei Seiten einer Medaille

Ab und an schreibe ich einen Blogbeitrag, stelle ihn aber noch zurück, um mir klar zu werden, ob ich ihn veröffentlichen möchte.

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Wenn ich unsicher bin, hat es sich auch bewährt, den Beitrag meiner Frau zu zeigen, die dann auch meistens meine Bedenken teilt. In dem Fall passe ich dann den Beitrag noch an, formuliere prägnanter oder weniger scharf oder detaillierter … was immer notwendig erscheint. Und es gibt seltene Fälle, da werfe ich den Beitrag komplett weg! Und das ist eben passiert: ich hatte gestern einen Beitrag formuliert unter dem Titel „Würden Sie von diesem Bischof einen Gebrauchtwagen kaufen?“ in dem es, man ahnt es, um den Limburger Bischof Franz-Peter Tebartz-van-Elst ging. Nach meinem Beitrag aus der vergangenen Woche zu seiner Entlastung ("Auf ein Wort (zu Limburg)") war ich zu dem Schluss gekommen, diesen Beitrag nicht mehr so stehen lassen zu können. So hatte ich in dem neuen Beitrag das Thema der Schuld des Bischofs thematisiert. Auch diese dem Bischof gegenüber kritische Darstellung hatte aber nicht den Tenor den man in einem katholischen Blog erwarten darf. Der Hintergrund sind unterschiedliche Sichten auf dieses Thema, die allesamt wert sind zu berücksichtigen. Als Christen sind wir gefordert, nicht einfach mit den Wölfen (weder den kirchentreuen noch den kirchenkritischen) zu heulen, sondern wirklich ein Thema zu durchdringen.

In diesem Fall gibt es dazu mindestens drei Sichten (vermutlich mehr, aber bei denen möchte ich es bewenden lassen): die der Medienhetze, die der persönlichen Schuld des Bischofs – und eine christliche Sicht, die auch die Hintergründe zu beleuchten versucht.

Medienhetze

Ich bin weiterhin der Ansicht, dass die Medien im Limburger Bischof ein geradezu ideales Opfer gefunden haben. Ein papsttreuer, konservativer Bischof, als Nachfolger des liberalen Bischofs Kamphaus in Limburg seit Amtsantritt ohne echte Hausmacht (die Versuche der bischöflichen Vermögensverwaltungsrats, die Verantwortung allein dem Bischof anzulasten ist ein mehr als deutliches Indiz) – wie gemacht, um ihn als ungeliebten Kirchenmann „zur Strecke zu bringen“. Da guckt man dann schon mal genau hin und bauscht kleine Themen zu einem Popanz auf, sodass die geneigten Leser das Gefühl haben, sie hätten es mit dem leibhaftigen Gottseibeiuns zu tun (wenn man denn an ihn glauben würde). Da gibt es in Politik und Gesellschaft, auch bei Kirchens, sicher größere Missetäter, die von den Medien ungeschoren davon kommen. Die sind aber entweder zu stark, als dass man sich an sie herantrauen würde, oder sie stehen im Einverständnis mit der eigenen, politisch und gesellschaftlich linken, Agenda. Getreu dem Motto, der Feind meines Feindes ist mein Freund, bleiben so liberale Kräfte (noch) verschont.

Wenn man dazu beobachtet, dass die deutsche Presse für sich in Anspruch nimmt, die „vierte Macht“ im Staate darzustellen, dann muss einem dieses selektive Vorgehen sauer aufstoßen. Das wäre so, als wenn man Straftäter mit genehmer politischer Gesinnung nicht mehr polizeilich untersuchen oder aburteilen wollte (ich bin nicht naiv genug zu glauben, dass das nicht vorkommt, aber hier wird es zumindest offiziell nicht zum System erhoben). Der Limburger Bischof ist ein Opfer der Medienhetze, Ausdrücke wie „Prass-Prediger“ und „Protz-Bischof“, die selbst in sogenannten Qualitätsmedien Verwendung finden, leisten einer Vorverurteilung Vorschub, die für einen an Gerechtigkeit orientierten Menschen unerträglich sein muss.

Persönliche Schuld

„Dass ich paranoid bin heißt nicht, dass ich nicht verfolgt werde“ – so oder so ähnlich könnte man formulieren, um diesen Punkt aufzugreifen. Ja, die Medien hetzen, sie schlagen auf einen schon am Boden liegenden Bischof ein (der allerdings auch offenbar nicht einsehen mag, dass er am Boden liegt) – und sie tun das, den Verdacht darf man sicher äußern, aus dem Grund, dass er eben ein konservativer Vertreter der Kirche ist. Das heißt aber nicht, dass alles einfach in Ordnung ist, was er getan hat. Ob man als Bischof erster Klasse statt Business in die Slums nach Indien fliegen muss (egal ob bezahlt oder per Upgrade) kann man schon mal hinterfragen. Und Business-Class und 1. Klasse sind bei Interkontinentalflügen durchaus zu unterscheiden, also war die Aussage (angeblich an Eides statt, also hoffentlich durchdacht), man sei nur Business Class geflogen, eine echte Beugung der Wahrheit. Ob strafrechtlich relevant ist an dieser Stelle unerheblich, denn für einen Bischof (wie im übrigen für jeden Christen, das dürfen wir uns alle hinter die Ohren schreiben) darf durchaus ein anderen Anspruch an das Verhältnis zur Wahrheit gelten, als man es gemeinhin von Politikern erwartet. Wenn weiterhin stimmt, dass er hinsichtlich der Baukosten des Bischofssitzen ebenfalls ein eher „taktisches Verhältnis“ zur Wahrheit hat, versucht hat, Informationen zu vertuschen (er wird mit den Worten „Diese Zahlen dürfen nie öffentlich werden“ zitiert) oder Mitarbeiter in diese Richtung einzuschüchtern, dann stellt sich in der Tat die Frage der Eignung als Hirte der Kirche. Das hat übrigens nichts mit der heute viel propagierten „Kirche der Armen“ zu tun: offenbar ist in Limburg wertbewusst gearbeitet worden, es ist ein Zentrum entstanden, dass hoffentlich lange genutzt werden kann und nicht schon nach wenigen Jahren sanierungsbedürftig werden sollte. Ein verantwortungsbewusster Umgang mit Geld kann auch so aussehen, dass man mehr Geld ausgibt, das an sich ist noch kein Fehler.

Sowenig wie ein Bischof aber schon deshalb Dreck am Stecken haben muss, nur weil er konservativ ist (wie es die Medien offenbar sehen) so wenig ist er aus dem gleichen Grund unschuldig (wie viele konservative Kommentatoren das offenbar sehen). Wenn stimmt, was berichtet wird, dann ist nicht mehr die Frage der Ausstattung der Privatwohnung des Bischofs, die ja nicht seine eigene ist und die er nicht mitnehmen kann, wenn er mal versetzt werden sollte, relevant sondern die Frage, wie er mit der Wahrheit generell umgegangen ist. „Wahrhaftigkeit“ so hat es ein Kommentator zu meinem letzten Beitrag in dieser Sache kommentiert, darum geht es. Welches Bild gibt die Kirche ab, wenn einer ihrer Hirten es mit der Wahrheit nicht so genau nimmt, wenn er meint, dass dies seinem eigenen oder dem vermeintlichen Wohl der Kirche diene? Ist das die anziehende, entweltlichte Kirche, von der schon Papst Benedikt XVI. propagierte und die Papst Franziskus nun mit eiligen Schritten umzusetzen versucht? Konsequenzen zu ziehen, nicht nur als Verantwortungsübernahme bei einer nicht nachgewiesenen Schuld, sondern auch im Hinblick auf persönliches Fehlverhalten, das kann man auch von einem Bischof erwarten, dessen theologischen Positionen man ansonsten teilt.

Christliche Sicht

„Wer von euch ohne Sünde ist, werfe als Erster einen Stein […]Auch ich verurteile dich nicht. Geh und sündige von jetzt an nicht mehr!“ (vgl. Johannes 8, 7.11) – das ist der Anspruch, der für uns gelten muss. Jesus hat sich mit Sündern zusammengesetzt, er hat sie angenommen, er hat Umkehr erwartet, aber eben nicht verurteilt. Und man beachte: er hat sich zuerst eines Urteils enthalten und dann aufgefordert, nicht mehr zu sündigen! Mir scheint, diese Reihenfolge, dieses vorschüssige Vertrauen, hat eine Symbolwirkung. Ein Bischof kann wie jeder Mensch stolpern, auch wenn wir an ihn höhere Ansprüche stellen. Er kann sündigen – und er kann bereuen. Und diese Reue kann er vor Gott tragen, in der Beichte, zu der ein Bischof genau so geht wie jeder andere Katholik dazu eingeladen ist, der ihm die Schuld dann vergibt. Kann irgendjemand heute sagen, ob der Bischof seine Taten (immer vorausgesetzt, die Vorwürfe stimmen) nicht bereut und nicht längst gebeichtet hat? Und wenn Gott sie ihm vergeben hat, wer bin ich dann, dass ich über ihn urteile? Meine Forderung nach Konsequenz sind insofern wohlfeil, weil sie mich nicht persönlich treffen. Aber auch ich gehe regelmäßig zur Beichte und hatte noch nie ein Problem, nicht zu wissen, welche meiner Taten ich in Gottes Hände legen sollte. Bischof van-Elst ist zum Papst gereist, dem einzigen kirchlich-weltlichen Gremium, dass hier Konsequenzen fordern darf. Der Papst wird – wenn ich ihn und seine Worte der Vergangenheit richtig einschätze – hier mit Barmherzigkeit entscheiden. Er wird sicher darauf achten, was der Kirche dient, aber auch was dem Seelenleben des Bischofs dient. Der Bischof ist vielleicht ein Sklave seiner gebeugten Wahrheiten geworden, aus deren Netz er sich ohne Gott nicht mehr befreien kann. Aber genau diese Befreiung sollten wir auch Gott überlassen. Und wenn der Bischof bereut, beichtet, vielleicht auch öffentlich Abbitte leistet, dann sollten wir als Katholiken die ersten sein, die sagen: „Jetzt kann er weiter machen!“ – und das gilt natürlich nicht nur für ihn sondern auch für alle anderen Verantwortlichen in der Kirche, das gilt auch in unserem persönlichen Umfeld gegenüber Menschen, die uns Unrecht getan haben.

Und ein Wort noch zu den Medien: Bestrafen wir nicht den Überbringer der Nachricht! Wenn stimmt, was berichtet wird, dann kann man in Zweifel ziehen, wie der (un-) menschliche Umgang der Medien mit dem Bischof ausgefallen ist, man kann auch in Zweifel ziehen, ob die Medien dort nicht mit zweierlei Maß messen (als ob wir uns in unserem persönlichen Umfeld von diesem Vorwurf freisprechen könnten). Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass die Vorgänge von jedem verantwortlichen Journalisten hätten ans Licht gebracht werden müssen. Da kann es auch aus konservativer Sicht keine Ausnahmeregelung für Bischöfe geben, die unserem Kirchenbild eher entsprechen, wie es eigentlich keine Ausnahmeregelung für liberale Bischöfe geben sollte, die dem medialen Kirchenbild besser entsprechen. Es ist aber auch wahr, dass viele der Medienschaffenden, auch viele derjenigen, die heute über den Bischof urteilen, das christliche Welt- und Menschenbild nicht teilen, aus ihrer Sicht also möglicherweise mit dem konkreten Herangehen an den Bischof sogar richtig gehandelt haben. Wenn die betreffenden Menschen unseren Glauben an Liebe, Barmherzigkeit und Gerechtigkeit Gottes, und den entsprechenden Anspruch an uns selbst, nicht teilen, dann kann ich erstens kein entsprechendes Verhalten von ihnen erwarten, andererseits kann ich aber für sie beten und versuchen, ihnen den Glauben näher zu bringen. Wie ich an anderer Stelle schon mal geschrieben habe: der „Markt“ der Evangelisierung ist dort, wo nicht an Gott geglaubt wird!

Beten wir also für den Limburger Bischof um ein gutes weiteres Vorgehen, das sein Handeln vor das Angesicht Gottes stellt, beten wir für den Papst um weise und liebevolle Entscheidung, nicht nur zum Wohle der Kirche sondern auch zum Wohle des Bischofs, beten wir auch für die Journalisten um ein mehr und mehr am christlichen Weltbild orientierten Berufsethos, und beten wir nicht zuletzt auch für uns, dass wir Christus in unserem Umgang mit Menschen, die schuldig geworden sind, immer ähnlicher werden.

 

Beitrag zuerst erschienen auf papsttreuer.blog.de

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