Maybrit Illner: Ein Hoch auf die Planwirtschaft

Die Sendung von mehr als einer Stunde Länge machte wieder einmal überdeutlich, dass das Format „Talkshow“ eher zur Kategorie „leichte Unterhaltung“ zählt, denn zur Information über komplexe Zusammenhänge dient es nicht.

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5. Folge Talkrezension

„Ein gesetzlicher, flächendeckender Mindestlohn von 8.50 Euro!“ Brüder hört das Signal. Denn das ist das Fundament, auf dem die nächsten vier Jahre unsere Republik gebaut wird. In einer weiteren Talkshow von Maybrit Illner drehte sich alles um dieses Mantra, das schon im Wahlkampf als Endlosschleife sich in die tiefsten Gehirnwindungen der deutschen Wählerschaft eingenistet hatte. In der Sendung vom 17. Oktober mit dem nichtssagenden Titel: „Die Qual nach der Wahl – sieht Merkel rot?“ Quälte sich die Runde fast ausschließlich um diesen Mindestlohn. Einzige neue Variante: Markus Söder, der bayerische Superminister, der die CDU/CSU vertrat,  gab zu erkennen, dass an dem Mindestlohn von 8.50 Euro die Große Koalition nicht scheitern werde. Im Gegenteil, längst habe ja die Union den Mindestlohn für sich entdeckt. Nur beim „Wie“ gibt es noch klitzekleinen Klärungsbedarf.

Die Sendung von mehr als einer Stunde Länge machte wieder einmal überdeutlich, dass das Format „Talkshow“ eher zur Kategorie „leichte Unterhaltung“ zählt, denn zur Information über komplexe Zusammenhänge dient es nicht. Zwar versuchten Gabor Steingart, der Mitherausgeber des Handelsblattes, Prof. Clemens Fuest vom Zentralinstitut für Wirtschaftsforschung Mannheim und die in London beheimatete Tochter von Altkanzler Helmut Schmidt, die Ökonomin Susanne Schmidt auf die negativen Auswirkungen eines bundesweiten Mindestlohnes aufmerksam zu machen, aber gegen die gebetsmühlenartigen Wiederholungen der Politiker kamen sie nicht an.

Dabei wird die 18. Wahlperiode, die gerade beginnt in die Geschichte eingehen, in der die Marktwirtschaft Ludwig Erhards ihres Kernes beraubt wurde. Die Einführung des flächendeckenden allgemeinen Mindestlohnes ist nicht ein weiterer Schritt der Sozialdemokratisierung der CDU/CSU, es ist ein gemeinsamer Schritt der beiden großen Volksparteien, der Union und der SPD in die Zeit vor dem Godesberger Programm, in dem die SPD die soziale Marktwirtschaft akzeptiert hatte. Es ist ein Schritt der Union in ihre staatsgläubige Phase nach dem Zweiten Weltkrieg, als für sie der Markt noch kapitalistisches Teufelszeug war.

Ein ehernes Gesetz der Marktwirtschaft lautet: Der Staat hat sich aus der Lohn und Preisbildung herauszuhalten. Für die Löhne und Gehälter sind die Tarifpartner zuständig, für die Preise der Markt. Dieser Mindestlohn, der als soziale Gerechtigkeit angepriesen wird, ist in Wirklichkeit eine Machtübergabe an den Staat, der einer Kapitulation der Gewerkschaften gleichkommt. Vor acht Jahren haben die deutschen Gewerkschaften es noch abgelehnt, ihre Unabhängigkeit an eine Regierung abzugeben. Die sehr erfolgreichen schwedischen Arbeitnehmerorganisationen tun das heute noch. Das wird zum Beispiel in den Talkshows gern übersehen – wäre aber sicher in einer journalistisch aufgearbeiteten Sendung dargestellt. Ralph Stegner, dem schleswig- holsteinischen SPD Parteivorsitzenden und Agenda 2010-Gegner blieb es bei Illner vorbehalten, die Rolle des Gebetsmühlendrehers zu spielen. Eher in einem Nebensatz räumte er die Möglichkeit ein, dass in Zukunft, wenn der Mindestlohn a la SPD erst einmal eingeführt ist, es dann eine Institution geben könnte, die unter Beteiligung von Gewerkschaften und Arbeitgebern die Höhe festlegen könnte. Damit wird gleichzeitig deutlich, was ein politischer Lohn bedeutet: Jahr für Jahr wird dann darüber palavert, wie hoch der angemessene Lohn sein muss, damit er gerecht ist. Der Staat wird hier in eine Rolle gedrängt, die er nie und nimmer ausfüllen kann, weil ihm einfach die Informationen fehlen, die Produktivität jeder Branche in der ganzen Republik richtig zu erfassen. Der flächendeckende allgemeinverbindliche Mindestlohn ist eine Anmaßung – es ist ein gefährlicher Schritt in die Planwirtschaft.  Gewöhnlich folgen nach den staatlichen Lohneingriffen, staatliche Preisregulierungen.

An der Union wird diese ordnungspolitische Todsünde nicht scheitern. Sie brüstet sich ja schon damit, zusammen mit der FDP mehr Mindestlöhne gesetzlich festgeschrieben zu haben, als dies die Regierungen von Rotgrün und Schwarzrot vorher geschafft haben. Doch bei diesen branchenspezifischen Lohnuntergrenzen waren die Gewerkschaften wenigstens noch beteiligt. Das Dogma, dass sich der Staat aus dem Tarifgeschehen herauszuhalten habe, wird die Union aber jetzt gerne opfern, um eine arbeitsfähige, belastbare Regierung bilden zu können. „Da muss man Opfer bringen.“ Da müssen Wahlversprechen hingebogen werden. Einverstanden! – Die Union hat sich erfolgreich ihres bürgerlichen Partners, der FDP entledigt – auch wenn der vier Jahre lang gezeigt hat, dass er von der Marktwirtschaft nur noch in Sonntagsreden begeistert ist. Ja die Union muss der SPD entgegenkommen. Aber so ketzerisch sich dies jetzt auch anhören mag: Ordnungspolitisch sauber und ohne sich der Planwirtschaft zu nähern, musste ein Kompromiss in der Steuergesetzgebung gefunden werden.

So wie die Lohnfestsetzung eine Aufgabe der Tarifpartner ist, so hat der Staat die Steuerhoheit und ist damit auch für die Höhe und die Ausgestaltung der Steuern zuständig. Dies ist seine ureigenste Pflicht. Ja, die Zustimmung der SPD zu einer großen Koalition hätte möglicherweise eine Steuererhöhung bedeuten können.  Das wäre immer noch marktwirtschaftlicher als der Mindestlohn. Und ein Versprechen aus dem Wahlkampf muss die Union opfern. Aber wer kümmert sich in der CDU/CSU noch um Ordnungspolitik. Manchmal habe ich den Verdacht, die wissen noch nicht einmal, was eigentlich Ludwig Erhards Freigabe der Preise bedeutete, welche Kräfte seine soziale Marktwirtschaft damit freisetzte. Erhard hat einmal gesagt, dass er nichts so verachte, wie Pragmatiker, die keine Prinzipien kennen. Die CDU von Angela Merkel und CSU von Horst Seehofer müsste er demnach grenzenlos verachten.

Die Tragik des TV-Quotentalkbusiness besteht darin, dass die Damen und Herren, die ihre „Gäste“ einladen, lediglich die gängigen Überschriften zu den jeweiligen Themen beherrschen. Damit werden nur die schon bekannten Thesen und Gegenthesen recycelt. „Man kennt sich schon – man kennt die Argumente – und dadurch werden die „Mainstream“- Parolen zur allgemeinen Überzeugung hochstilisiert.

In dieser Sendung wurde dies wieder bei zwei journalistischen Sünden deutlich. Als Beweis für die Richtigkeit eines allgemeingültigen Mindestlohnes zitierte Maybrit Illner eine Umfrage, nach der 82 % der Bevölkerung für einen Mindestlohn sind. Ja was denn sonst? Da wird in anderen Worten gefragt: „Willst Du mehr Geld?“ – oder: „Willst Du mehr Gerechtigkeit?“. „Willst Du einen Mindestlohn von 8.50 Euro?“ Erstaunlich, dass dabei nicht 100 % herausgekommen sind.

Auch auf die unreflektierte Betroffenheitsnummer hat Maybrit Illner nicht verzichtet. Dieses Mal musste dafür Lilly Sandberg herhalten, eine 33jährige Besitzerin eines Friseursalons in Ostberlin mit drei Angestellten. Sie ist für den Mindestlohn, weil sie sich damit die Billigkonkurrenz von Halse schaffen will. Nun ließe sich über die Fehlentwicklungen gerade in dieser Branche ein eigener Artikel schreiben. Da ist die Pflicht zur Meisterprüfung, bevor eine Friseuse oder Friseur einen Laden eröffnen darf. Damit bleiben die Altgesellen/innen schon mal als Konkurrenz verbannt. Jahrelang brüstete sich die Innung, dass sie Zehntausende Jugendliche über Bedarf ausbilden. Damit haben sie ein Überangebot an Arbeitskräften geschaffen, das natürlich die Löhne drückt. Nicht zu vergessen, dass gerade dieser Beruf hochgradig von Schwarzarbeit durchdrungen ist. Das alles blieb natürlich unerwähnt. Lilly Sandberg lieferte unfreiwillig den Beweis, dass es viele Unternehmen gibt, die sich mithilfe staatlicher Lohnfestsetzungen gern vor Wettbewerbern schützen. Das übelste Beispiel war sicher der gesetzliche Mindestlohn, den die Post durchdrückte und der gar nicht hoch genug sein konnte, damit der alte Monopolist sich nicht dem Wettbewerb stellen musste.

Gabor Steingart und Prof. Clemens Fuest haben einige Aspekte der Gefahren benannt, die mit einem Mindestlohn verbunden sind, der für Düsseldorf ebenso gilt, wie für das Erzgebirge. Die möchte ich nicht wiederholen. Aber natürlich gibt es kriminelle bis semikriminelle Auswüchse auf dem Arbeitsmarkt, die bekämpft werden müssen. Natürlich nutzen Unternehmen alle Schlupflöcher, die die Agenda 2010 eröffnet. Der Gesetzgeber kann viele dieser offensichtlichen Ungerechtigkeiten abstellen, in dem er die Betriebsräte stärkt, die Sozialgesetzgebung anpasst, die Transparenz der Lohngestaltung stärkt. Doch daran sind die Parteien – vor allem die Linken nicht interessiert. Sie wollen mehr Macht für den Staat und damit mehr Macht für sich. Der beste Schutz für Arbeitnehmer gegen Ausbeutung aber ist ein robuster Arbeitsmarkt, in dem Unternehmen sich um ordentliche Löhne und Arbeitsbedingen kümmern müssen, wollen sie leistungsfähige und leistungsbereite Mitarbeiter haben. Für die Rahmenbedingen des Arbeitsmarktes ist allerdings auch wesentlich die Regierung verantwortlich. Und die macht ihre Hausaufgaben bisher nicht – wenn sie jetzt auch noch für das Lohnniveau verantwortlich ist, werden wir eine weitere Verschlechterung vor allem für die Mitbürger erleben, die den steigenden Anforderungen nicht gewachsen sind.

Das zu erklären wäre Aufgabe der von Zwangsgebühren finanzierten öffentlich-rechtlichen Sender.

Ach da war doch noch was! Gabor Steingart vermisste eine liberale Stimme, die die Prinzipien der Marktwirtschaft hochhält, jetzt wo alle pragmatisch um die Macht buhlen. Er meinte damit nicht die untergegangene FDP.

Zuerst erschienen auf achgut.com

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: john

Was sollen die Gewerkschaften denn machen, wenn der Staat die Tarifautonomie per Agenda 2010 längst ausgehebelt hat?

Gravatar: Freigeist

Der alte Zwang, einen Meistertitel als Friseurin haben zu müssen war eine Markteingriff in Form eine scharfen Superregulierung.
Es war nicht freiheitlich und Bundeskanzler Schröder hat es, wie gut, abgeschafft.

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