Männertag: Achtung, Fertig ... Fehlstart

Zu diesem von Michael Gorbatschow angeregtem Gedenktag, der vermutlich an den meisten vorbeigerauscht ist wie der ‚Tag des Fernmeldewesens’, erschien in ‚Welt kompakt’ ein Beitrag von Nina Trentmann im Interview mit Walter Hollstein, der mit dem Buch bekannt wurde ‚Was vom Manne übrig blieb’ - und nun zu der Frage Anlass gibt ‚Was von der Männerforschung übrig blieb’. Der Text steht unter der Überschrift: „Alles, aber bitte keine emanzipierte Frau!“

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Wieso nicht? Da frage ich mich gleich: Wer war das? Wer hat diesen Seufzer ausgestoßen? „Ein Großteil der Männer“, heißt es – doch das basiert, wie sich zeigen wird, auf einer voreiligen Schlussfolgerung. Damit erweist sich auch die Überschrift als Fehlstart, und in der Zwischenüberschrift kommt gleich der nächste Stolperschritt: „Die Männer von heute hängen an längst überholten Rollenbildern, sagt die Forschung“

Fangen wir noch mal an. Diesmal richtig. Ich würde so sagen: Männer und Frauen von heute haben es nicht leicht. Die Anforderungen an ein neues Rollenverhalten sind diffus und womöglich unerfüllbar. Es ist außerdem noch gar nicht entschieden, ob diese „Rollenbilder“ wirklich so wichtig und ob sie tatsächlich „längst überholt“ sind, schließlich soll man die Leichen erst beerdigen, wenn sie tot sind.

Insekten und Vögel der Heimat

Man muss es mir nachsehen: Ich bin in einer Zwergschule aufgewachsen, da gab es noch Rollbilder (z.B. mit ‚Insekten’ und mit ‚Vögel der Heimat’). An die muss ich immer denken, wenn ich von diesen „Rollenbildern“ lese, die im Journalismus so eine erstaunliche Karriere gemacht haben, deren Bedeutung ich jedoch für maßlos überschätzt halte. Vielleicht liegt es daran, dass diese geheimnisvollen Rollenbilder stets als „längst überholt“ bezeichnet werden. Auch die schönen Rollbilder aus der Schule sind inzwischen verstaubt. Ich sehe darin keinen geeigneten Gegenstand für die „Forschung“, wohl aber für gefällige Spekulationen und für die Pflege von Allgemeinplätzen. Ich habe den Verdacht, dass Leute, die so begeistert von diesen Rollenbildern reden, den Schulraum nicht verlassen wollen, sie glauben an ihre Lehrmittel und an den ewig währenden Diskurs, den sie für die wahre Welt halten.

Doch draußen gibt es Probleme. Auch für Männer. Die werden in dem Artikel kurz aufgelistet (schlechte Gesundheit, Selbstmordrate ...); dann kommt die Frage: „Was hat die Politik falsch gemacht?“ Darauf die Antwort: „Es gab jahrelang riesige Kampagnen, um den Frauen ein neues Selbstbild zu vermitteln. Umgekehrt wurde aber leider nichts gemacht. Die Männer wurden total vergessen. Das führt dazu, dass die Frauen ein neues Selbstbild haben, die Männer aber nicht: 80 Prozent der Frauen wollen Karriere und Kinder, zeigt die aktuelle Shell-Jugendstudie - das sehen aber nur 25 Prozent der Männer so.“

Oh weh! Soweit liegen die Wünsche der Frauen und Männer also auseinander. Da müssen ja die Alarmsirenen schrillen.

Selbstbilder für Leute, die es nicht selber können

Doch ich würde es anders sagen: „Jawohl, die Politik hat Fehler gemacht. Schon die „riesigen Kampagnen, um den Frauen ein neues Selbstbild zu vermitteln“, waren falsch. So etwas ist nicht Aufgabe der Politik. Es wäre besser, sie ließe die Finger davon. Die Politik hat für volkspädagogische Ambitionen nicht das Mandat, nicht die Kompetenz und nicht die Mittel. Ein Selbstbild, das von der Politik vermittelt wird, ist wie ein Kleid, das modisch sein möchte, es aber nicht ist - und keinem richtig passt. Das tatsächliche Selbstbild eines Menschen entsteht individuell im Zusammenwirken vieler Faktoren (Kunst, Religion, Bildung, Alltagskultur, selbständiges Denken, Gruppenverhalten ...) Politik soll keine Selbstbilder für andere Leute machen, sondern Gesetze. So gesehen ist auch die mangelnde Versorgung der Männer mit Rollenbildern nur halb so schlimm.

Wenn wir nun die Bilder wieder einrollen und statt dessen einen Blick auf die Gesetze werfen, bietet sich eine verwirrende Bestandsaufnahme: Gerade die neu geschaffenen gesetzlichen Regelungen laufen dem egalitären Ideal einer partnerschaftlichen Ehe entgegen, sie verhindern echte Emanzipation; denn sie grenzen die Männer aus der Familie aus und machen es ihnen unmöglich, an dieser Stelle Verantwortung zu übernehmen und Gefühle zu entfalten. Da ist inzwischen eine regelrechte Erpressungs-Situation entstanden. Wenn die Frau zum Telefonhörer greift, muss der Mann hoffen, dass sie nicht die Nummer der Anwältin oder der Polizei gewählt hat. Der Satz „Wenn du nicht machst, was ich dir sage, siehst du dein Kind nicht wieder“ ist tausendfach ausgesprochen worden – was nicht nötig gewesen wäre: Er steht heute sowieso als unsichtbare Flammenschrift an jeder Küchenwand.

Wie sehr die Männer bei Familien-Themen „außen vor“ gehalten werden, zeigt sich schon an dem komplizierten Kunstnamen des Ministeriums BMFSFJ, das alle Einzelteile einer Familie - als würden sie nicht mehr zusammengehören - separat auflistet und dabei angestrengt die Männer ausspart; es ist das Ministerium für „Familie in Auflösung“ oder wie der Volksmund sagt „Für alles außer Männer“.

Na, bitte! Wer sagt’s denn?!

Doch zurück zur „Forschung“ und zur Schlussfolgerung, die aus der Shell-Studie gezogen wird. Da heißt es, nachdem die Zahlen auf dem Tisch sind: „Der Großteil der Männer sagt nach wie vor: Bitte keine emanzipierte Frau. Das macht es den Frauen enorm schwer, einen adäquaten Mann zu finden, weil die Männer Alleinverdiener sein wollen und ihre Frau als Mutter sehen.“

Stopp! Hier müsste ein seriöser Wissenschaftler sofort eine Rückrufaktion starten für den kleinen Nebensatz aus der Zwischenüberschrift, den ich Stolperschritt genannt habe, ich meine diesen: „sagt die Forschung“. Von wegen. Genau das, was da so fett steht, sagt sie nicht. Die Forschung liefert lediglich die Zahlen. Sie zieht keine Schlüsse. Dass Männer keine emanzipierte Frauen wollen, sagt nicht die Forschung, das sagt Hollstein als Sonnengott: Die Forschung, c’est moi.

Die Interpretation der Forschungsergebnisse könnte auch anders aussehen - wenn man es anders sehen wollte. Doch schon in der Ankündigung der Zahlen wurde eine Fehlinterpretation vorbereitet, als da vom „neuen Selbstbild“ der Frau gesprochen wurde.

Was ist denn so neu daran? Der Kinderwunsch nicht. Die „Karriere“? Aber bitte: Im Weltmaßstab gesehen haben Frauen immer gearbeitet; ich erinnere an die „züchtige Hausfrau“ aus Schillers ‚Glocke’, die den Gewinn „mehrt“ und an Zeiten, in denen die meisten rund um die Uhr in der Landwirtschaft eingespannt waren. In der DDR war die Frau bis zum Kollaps (dem persönlichen und dem des Staates) berufstätig. 50% der Bevölkerung der DDR bestand aus Männern. Die hatten - soweit mir bekannt ist - kein Problem mit Ihrem Rollenbild. Eher mit diesen Transparenten, die mich auch an Rollbilder erinnern, auf denen beispielweise stand: ES LEBE DIE DDR.

Soul brothers

Dass Frauen „Karriere“ auf dem Wunschzettel ankreuzen, wirkt nur dann „neu“, wenn man sich ein winziges Zeitfenster herauspickt, das sich nicht als Folie für einen Vergleich eignet - nämlich die 80er Jahre in reichen Ländern des Westens, in denen kurzfristig der Eindruck entstand, dass man auf die Berufstätigkeit von Frauen verzichten könnte und eine frauenfreundliche Gesetzgebung sie privilegierte und großzügig von Erwerbsobliegenheit freistellte.

Hier ist ein weiter Panoramablick angebracht, der Weltmaßstab muss sein. Gerade wenn man so große Keulen schwingt wie das allgemein gefasste „Männliche“. Hollstein spricht sogar von der „Männerseele“ – ein erfreulich ungewöhnliches Wort, aber eben auch ein Schwergewicht, für das man starke Arme braucht: „Dabei könnten die Männer die Erwerbstätigkeit ihrer Frauen auch positiv sehen, schließlich entlastet es sie, wenn die Frau mitverdient. Die Männerseele funktioniert aber anscheinend nicht so.“

Nein? Tut sie das nicht? Wenn man mit so großen Worten hantiert, darf man die Perspektive nicht auf die Größe eines Badezimmerfensters verengen, vielmehr sollte man dann auch den Mann, um es mit Rilke zu sagen, „vor einem großen Himmel“ betrachten. Sonst wirkt es so, als versuchte jemand, mit viel zu großen Keulen in der Duschkabine zu jonglieren. Milliarden von Männern weltweit, die kein Problem damit haben, dass ihre Frau Geld verdient, haben eine Seele.

Hier gehen sowieso zwei Begriffe durcheinander: „Erwerbstätigkeit“ und „Karriere“ - die zarteste Versuchung seit es Alliterationen gibt: Kinder, Küche, Kirche. Frage dazu: Wie viel Prozent der Berufe würden wir denn als „Karriere“ durchgehen lassen? Wie steht es mit Frisör, Kellner und Sekretär – ehemals angesehene Männerberufe? Hätten wir früher in meiner Zwergschule neben den ‚Insekten’ auch ein Rollbild zum Thema ‚Männerberufe’ gehabt, wären sie dabei gewesen. Haben etwa Männer, deren Ehefrauen inzwischen in solchen Berufen arbeiten, seelischen Schaden?

Sigmund Freud wusste es auch nicht. Was will das Weib?

Egal. Nicht so wichtig: Zu den Rollenbildern, die den Frauen heute vorgehalten werden, gehören solche Berufe eh nicht. Da soll es schon eher so was Tolles sein wie Pilotin, Vorstandssprecherin und Kommissarin. Mit dem Zauberwort „Karriere“ wird eine Berufstätigkeit der besonderen Art unterstellt – die jedoch nur auf sehr wenige Frauen zutrifft. Auch auf sehr wenige Männer. Die sind nicht unsere Sorgenkinder. Hollstein meint: „Dabei hat die Realität die Männer an dieser Stelle schon längst überholt: Es gibt inzwischen tatsächlich nicht wenige Frauen, die mehr verdienen als ihre Männer.“ Ich meine: Es gibt „tatsächlich nicht viele“ – es bleibt eine quantité négligable.

Doch so kann man es auch sehen: Die geringe Beschäftigungsrate der Frauen, die sich überhaupt erst unter dem Stern des Feminismus entwickelt hat, wird in dem Moment, wenn sie wirtschaftlich nicht mehr aufrechterhalten werden kann, als Triumph der Frauen über althergebrachte Rollenbilder gefeiert.

Also: Nichts Neues bei den Frauen. Es freut mich, dass sie ihren Wunsch nach Kind und Karriere (bzw. Berufstätigkeit) unangefochten erhalten haben. Es betrübt mich jedoch, wenn ich beobachten muss, wie eine Frau statt einem Kinderwagen den Kinderwunsch vor sich herschiebt, weil sie nicht weiß, wie sie ihren Wunsch in der Wirklichkeit verankern soll. Und richtig dramatisch erscheinen mir die Ergebnisse der Forschung in Hinblick auf die Männer, auch wenn ich die Vergleichszahlen aus den Vorjahren nicht kenne. Ich fürchte, dass die wirklich beunruhigende Neuigkeit der Shell-Studie so lautet: Die Männer steigen aus, sie machen nicht mehr mit. Warum nicht?

Hier müsste die Forschung anfangen - und nicht schon aufgehört haben. Ich kann mir die Ergebnisse der Studie jedenfalls nicht damit befriedigend erklären, dass Männer neuerdings etwas gegen Kinder hätten, gegen die Berufstätigkeit von Frauen und gegen den Ausnahmefall der exzellenten Karriere einer Frau (ich vermute, dass der Ehemann von Kanzlerin Merkel stolz auf seine Partnerin ist und sie liebt).

Was die Männer wollen, will keiner wissen

Was sonst? Ich sehe da das flackernde Aufscheinen junger Männerstimmen, die sich sagen: „Ich möchte nicht so werden wie mein Vater, den ich nur alle 14 Tage zu sehen kriege und der durch die Scheidung ruiniert und ins Abseits gedrängt wurde, ohne dass er sich etwas hat zu Schulden kommen lassen“. Hat jemand von den Soziologen, Männerforschern und Attitüden-Bewirtschaftern aus der Welt der fliegenden Blätter so einen Satz schon mal gehört? Ich ja. Rollenbilder sind da nicht das Problem – wie denn auch: Man hatte sowieso versäumt, den Männern welche vor die Nase zu halten.

Doch die Scheidungskrüppel und Kinder mit PAS sind keine Einzelfälle mehr, keine Randerscheinungen, nicht länger leichte Späne, die fallen, wenn die Frauenpolitik hobelt. Da ist inzwischen eine „kritische Masse“ entstanden. Und genau das steckt hinter dieser nur unzureichend als „Männerbewegung“ bezeichneten Unruhe, die jetzt spürbar wird. Das ist meine Interpretation. Ich behaupte nicht, dass die „Forschung“ das sagt. Ich sage das.

Mir ist aufgefallen, dass bei den Problemen, die Hollstein anfangs aufgelistet hat (schlechte Gesundheit, Selbstmordrate ... s.o.); die Tragödie der Ausgrenzung aus der Familie nicht vorkommt. Dabei ist DAS gerade das Top-Thema der Männer von heute. In diesen Kontext würde sich übrigens auch das Wort von der „Männerseele“ gut einfügen. Außerdem ließen sich die Probleme lösen, weil man sie an konkreten Regelungen (angefangen von der Steuergesetzgebung, über Anerkennung von Betreuungszeiten für Väter, Reform des Scheidungsrechts und Umgangsregelungen) festmachen könnte.

Erstaunlich, dass sich gerade an dieser Stelle in der öffentlichen Wahrnehmung so ein weißer Fleck ausbreitet. Nicht nur am Männertag. Hier fehlen wichtige Puzzle-Stücke. Aber ich staune nicht wirklich, ich habe eine Ahnung, woran es liegen könnte: Die freie Sicht auf den Punkt, an dem es richtig weh tut, wird versperrt durch Ausweich-Themen wie „Lohnungleichheit“ und „überkommene Rollenbilder“, die sich von links und rechts in die Bühne schieben wie schlecht gemalte Kulissen, die eine Betrachtung des Gesamtbildes behindern.

Doping für Frauen

Die „riesigen Kampagnen“ werden fortgesetzt und werden in Kreisen ausgebrütet, in denen Männer kein Mitspracherecht haben – es sei denn, sie liegen voll auf der Linie eines Ansatzes, der Frauen und Männer als grundsätzlich getrennt voneinander ansieht und außerdem (das ist das Feindselige daran); sie in Konkurrenz zueinander stellt. Die Politik begibt sich bei so einer Versuchsanordnung in die Rolle des Schiedsrichters einer Sportveranstaltung, bei der Journalisten und bestellte Wissenschaftler auf den Zuschauerbänken sitzen und alle gespannt zusehen, wer da gerade wen überholt – und wenn ein Mann vorne liegt, rufen alle: „Wie ungerecht!“ Da müssen dringend kompensatorische Maßnahmen her. Dabei ist das Spektakel solcher „feministischen Paralympics“ ein einziges Trugbild. Und doch geistert so etwas immer wieder durch die Gazetten: Männer können besser rückwärts einparken, Frauen können mehr Haartönungsmittel voneinander unterscheiden, Männer verdienen mehr, Frauen weinen mehr ... u.s.w.

Doch Frauen und Männer sind in Wahrheit untrennbar miteinander verbunden, in ihrem Schmerz und ihrem Glück. Wettbewerbe zwischen Männern und Frauen respektieren die Unterschiede nicht und sind immer irgendwie unfair; der Komparativ ist grundfalsch. Solche würdelosen Vergleichskämpfe sollten gar nicht stattfinden. Sie widersprechen der Liebe, dem gegenseitigen Verständnis, dem Vertrauen in die goldene Regel, in den Grundkonsens des menschlichen Zusammenlebens: Geschlechter wirken nicht gegeneinander, sondern miteinander, füreinander. Nur so können sie überleben.

Diese Selbstverständlichkeit ist verlorengegangen. Stattdessen gibt es hämische Erfolgsmeldungen: Frauen haben die Männer „abgehängt“ - die stehen nun als begossene Pudel und als „Verlierer“ da und sollten die Gelegenheit nutzen, Selbstkritik zu üben und ihr Männerbild reflektieren, so wie es Hollstein rät: „Es wäre schon viel gewonnen, wenn die jungen Männer begreifen würden, dass sie auch dann männlich bleiben, wenn sie akzeptieren, dass ihre Frau auf Augenhöhe spielt.“ Dabei fällt der Blick des begriffsstutzigen jungen Mannes vielleicht zufällig auf eine ganzseitige Werbung in einer Illustrierten, die ein junges Mädchen zeigt, das keck die Zunge rausstreckt und sagt: „Ätsch, meine Mutti ist die Chefin von deinem Papi“!

Unter den Einäugigen ist der Blauäugige König

Hollstein bleibt bei der halben Wahrheit, wenn er meint, dass die Männer ein Problem mit emanzipierten Frauen hätten. Wieso nur Männer? Anders gefragt: Wenn so gut wie niemals eine Chefärztin einen Krankenpfleger heiratet, liegt das etwa daran, dass die Krankenpfleger einem überholten Rollenbild anhängen und sich der Emanzipation verweigern? Deutlich sagt es Scott Fitzgerald im ‚Großen Gatsby’: „Eine reiche Frau heiratet niemals einen armen Mann.“ Gegenbeispiele sind willkommen.

In frauenbewegter Prosa wird gerne vom „halben Himmel“ geraunt und von der „Hälfte der Menschheit“. Hegel wiederum meint: „das Ganze ist die Wahrheit“. Und die Männer-Forschung? Die verabschiedet sich in der Mittagspause, lässt sich von der Halb- und Kaltherzigkeit der Auftraggeberinnen instrumentieren und macht halbe Sachen. Wenn sie den Anspruch auf Wissenschaftlichkeit ernst nähme, die Voraussetzungen ihrer Erkenntnisgewinnung mitreflektierte, ganze Arbeit leisten würde und mit einer Studie käme, die belegt, dass 80% der Frauen sich einen Mann wünschen, der weniger verdient als sie - ja, dann!

Dann könnte man sagen: Männer müssen endlich die Zeichen der Zeit erkennen und sich von veralteten Rollenvorgaben freimachen, und uns das Glück der Schweden ermöglichen. Dazu komme ich noch. Vorher will ich noch anmerken, dass ich schon zufrieden wäre, wenn eine Studie ergäbe: 80% der Frauen gewähren den Männern selbstverständlich Gleichberechtigung bei der Erziehung der Kinder. So könnten die Jungs wieder auf den Geschmack kommen.

Denn den haben sie offenbar verloren – wie die Forschung zeigt. Die naheliegende Schlussfolgerung daraus lautet: Männer sagen heute: Bitte, eine emanzipierte Frau! So eine wie früher, als Emanzipation noch mit dem Gedanken der Gleichberechtigung verbunden war, mit dem Bild von einer Powerfrau, die selbständig war und die Krücken des Staatsfeminismus nicht brauchte und es auch nicht nötig hatte, aus den verdeckten Foulspielen, die ihnen die riesigen Kampagnen ermöglicht haben, schalen Gewinn zu ziehen.

Auf Augenhöhe mit Piraten

Geschlechtergerechtigkeit hat zwei Seiten - zwei Baustellen: Beruf und Familie. Gleich zweimal kommt dann auch bei Hollstein das Wort „Augenhöhe“ vor. Jedoch nur bei einer Baustelle. Und beide Male wird so getan, als wären die Männer durch ihr defizitäres Mannsein zu einer Augenhöhe grundsätzlich nicht im Stande.

Dabei ist es umgekehrt: Männer wird ein Umgang auf Augenhöhe verweigert. Eine Frau, die jederzeit den Ehemann grundlos beschuldigen kann, sie bedroht zu haben, ist nicht auf Augenhöhe mit ihm. Auch in dem Wort „Karriere“ - und noch deutlicher in dem „Ätsch!“ - steckt nicht etwa eine Blickrichtung, die von gleich zu gleich schaut. Nein. Der Blick der Frau geht von oben nach unten.

„Die Männer wurden total vergessen“, hieß es eingangs. Das heißt aber nicht, dass sie von den „riesigen Kampagnen“ nicht betroffen wurden. Das wurden sie. In einer Art Rückstoßwirkung. Zu jedem Plus für eine Frau, gehört ein Minus für den Mann. So entstand die niederschmetternde Bilanz, die keine guten Zukunftsaussichten erlaubt. Und wie soll es nun weitergehen?

Hollstein weist nach Norden: „Die schwedische Familienforschung zeigt uns ganz klar, dass jene Ehen am längsten halten, in denen die Arbeit möglichst gleich aufgeteilt ist. Alles andere hält eine Weile, dann knallt es.“ Ach, nee! Als wenn Männer noch nie was davon gehört hätten! Haben sie aber. Die haben schon in den 70er Jahren Schwangerschaftsgymnastik gemacht und haben unbeirrt den Kinderwagen geschoben, auch wenn gespottet würde, es sähe aus, als schöben sie den Rasenmäher. Die „neuen Männer“ und „Softies“ haben es versucht. Nur: Es hat nicht funktioniert. So ein Vater, der für sein Kind getan hat, was er konnte, musste im Scheidungsfall erleben, dass seine Betreuungsarbeit als wertlos angesehen wurde. Na gut, er konnte sich trösten, dass Vaterliebe nicht käuflich ist. Die Frau wollte und musste nicht arbeiten. Die Anrechnung eines „fiktiven“ Gehaltes, mit dem der Unterhaltsanspruch der Frau gemindert werden soll, galt als unzumutbar. Die Scheidungsanwältin ließ vortragen, dass es „der gemeinsame Lebensplan“ war, dass die Frau grundsätzlich nicht arbeitet. Mit dieser falschen Erzählperspektive vom „gemeinsamen“ Lebensplan wurde der Mann übergangen. Er wurde gar nicht erst gefragt. Die Frau, die mit dem Ideal der geteilten Verantwortung wie eine Heiratsschwindlerin zum Standesamt gegangen war, konnte im Nachhinein die Ehe zur „Versorgungsehe“ umdefinieren und die Verantwortung wieder abgeben. So sind die Usancen, die zu den vielen Vorteilen gehören, die man den Frauen verschafft hat. Davon weiß Hollstein nichts, dafür kennt er die Seele der Männer: Die „wollen“ „Alleinverdiener“ sein.

Money, Money, Money, SOS, Waterloo

Vielleicht „wollen“ die Männer auch, dass die Ex den Umgang boykottiert und „wollen“ unbedingt auf den „Mindestbehalt“ reduziert werden, so dass ihnen von der geliebten Familie nur die family-Card von IKEA bleibt, die man auch als Single nutzen kann. Gerade bei diesen Modellen hat es geknallt, dass man es bis zum Nordkap hören konnte. Hollstein hat den Knall nicht gehört. Statt immer noch die alten Platten von Abba aufzulegen, sollte die Männerforschung sich nicht länger als Männerforschungs-Verhinderung verstehen und einfach mal richtig hingucken: Was ist aus dem Experiment ‚Gleichberechtigung bei gleichzeitiger Willkürherrschaft der Frau’ geworden? Es ist lange her. Inzwischen sind die Kinder aus solchen Ehe auch wieder geschieden.

So. Damit rundet sich das Wort zum Männertag. Vom spektakulären Fehlstart bis zum alten Schweden hat Hollstein etwas abgeliefert, von dem man völlig zu Recht sagen kann, dass es in sich stimmig ist: Es stimmt vorne und hinten nicht.

 

Beitrag erschien zuerst auf achgut.com

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