Lügenpresseverschwörerkritik

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Muss man als Literaturkritiker bessere Romane schreiben als die Kritisierten? Ebenso wenig wie ein Medienkritiker bessere Medien schaffen oder als Medienkonsumentenkritiker der bessere Medienkonsument sein muss. Schön wäre es allerdings, sich dessen auch bewusst zu sein.

Bei Durchsicht der Facebooknachrichten über Weihnachten stach – geschuldet sicher meinem persönlichem Umfeld – ein unweihnachtliches Thema hervor: PEGIDA! Man mag daran erkennen, was diejenigen zu verbreiten haben, die selbst zu Weihnachten nicht auf dieses Medium verzichten mögen, aber was sagt das über mich aus, der sich die Nachrichten, wenn auch nicht jeden dahinter liegenden Link, schließlich auch angesehen hat?!

Bei PEGIDA scheinen die Fronten der Kommentatoren vergleichsweise klar, klarer jedenfalls als das Verständnis über die Hintergründe der Aktionen und Demonstrationszüge (ich vermeide bewusst andere Begriffe, die diese rechtsstaatlich legitimierten Demonstrationen in ein falsches Licht rücken): Da sind auf der einen Seite die Kritiker, die den Organisatoren wahlweise rassistisches und/oder nationalistisches Gedankengut unterstellen, gemischt mit einer guten Priese nationalen Egoismus, der sich um nichts schert, was außerhalb unserer Grenzen liegt. Auf der anderen Seite stehen die Befürworter, die sich falsch verstanden fühlen, zumindest offiziell mit Rechtsextremen nichts zu tun haben wollen und darauf verweisen, dass ihre Anliegen in den Medien falsch dargestellt werden.

Und da fällt er dann der Begriff, der sich auch hübsch in das Bild der PEGIDA-Kritiker einfügen lässt, unter denen sich nicht wenige Medienvertreter finden: Lügenpresse!

Es würde, so der Vorwurf, in den Medien nicht nur hinsichtlich der Pegida-Demos sondern auch sonst gelogen, dass sich die Balken biegen. Zum Beispiel hinsichtlich des Islam, der in sich eine faschistische Ideologie darstelle. Hinsichtlich der Einwanderungs- und Flüchtlingspolitik, die jeden Zuwanderer als Bereicherung darstelle und die sozialen und auch kriminologischen Folgen negiere oder gar in ihr Gegenteil verkehre. Es würde auch gelogen hinsichtlich der politischen Leitlinien der EU, der Weltpolitik, der Interessen der USA … und da ist dann auch Platz für Antiamerikanismus, den wir bislang nur aus der linken und ganz rechten Ecke kannten.

Die Demonstranten machen es den Pegida-kritischen Medien natürlich auch leicht, schließlich äußern sich die meisten gar nicht und diejenigen, die sich äußern tun das in einer Weise, dass man sich nur mit Schaudern abwenden kann. Kaum ein Satz, der geradeaus formuliert wird. Bei den Intellektuelleren werden gerne Berichte aus Magazinen wie Jürgen Elsässers Compact oder aus dem Kopp-Verlag zitiert, offenbar ohne sich über deren Hintergründe und Schwerpunkte im Klaren zu sein. Elsässers Credo vom Heil im Osten gegen den amerikanischen Faschismus – eine mindestens ebenso vereinfachte Weltsicht, wie sie den gängigen Mainstreammedien vorgeworfen wird, nur von der anderen Seite.

Nur einer Sache scheint man auf beiden Seiten sicher zu sein: Die einzigen Besitzer der unumstößlichen politischen Wahrheit zu sein. Da hilft es auch nichts, wenn es zu den Extremen auch die Realos gibt, die meinen, man müsse Verständnis haben für die Sorgen und Nöte der Demonstranten … nicht ohne den Hinweis nachzuschieben "wie abwegig die Forderungen auch erscheinen mögen". Verständnis, das muss in den Ohren der Demonstranten wahlweise klingen wie Mitleid oder wie die berühmte These, man habe den eigenen Standpunkt nur noch nicht verständlich machen können, was nur leicht verklausuliert bedeutet, die Demonstranten seien zu blöd, um die große Politik zu verstehen.

Ich selbst stehe staunend davor, mühe mich durch die Links und durch die Medienberichte und bin geneigt, eine eigene Zeitung zu initiieren, damit ich dort wirklich richtig informiert werde. Denn eines der Probleme, dass hier offenbar wird: Es gibt offenbar keine Zeitung in Deutschland, auch kein Nischenmagazin jenseits des Mainstreams, das einen gänzlich neutral und ohne eigene politische Agenda informiert. Wenn also seitens der Demonstranten geäußert wird, man fühle sich als besorgte Bürger in den Medien nicht repräsentiert, dann ist da sicher was dran. Und wenn umgekehrt geäußert wird, die Demonstranten ließen sich durch Nischenmedien und "Nazis in Nadelstreifen" in die Irre leiten, dann gibt es darin vermutlich auch ein Fünkchen Wahrheit.

Nur ist das alles kein neues Phänomen – unterschiedliche Ausrichtungen von Medien, weniger im öffentlich-rechtlichen Rundfunk, mehr schon im freien Zeitungsmarkt, gab es auch bisher schon. Für fast jede politische Richtung ist da was dabei, und selbst im ganz rechten Sektor wird man, wenn man denn sucht, fündig. Niemand zwingt mich, die taz zu lesen oder die Junge Freiheit, niemand zwingt mich, FAZ, Welt, Focus, Spiegel oder Zeit zu lesen. Und doch gibt es natürlich Medien, deren politischer Richtung man mehr oder eben weniger folgt (und die man vor diesem Hintergrund mehr oder weniger durch den Kaufpreis zu finanzieren geneigt ist). Die in den von mir bevorzugten Medien im Hintergrund stehende politische Agenda wird allerdings von mir geteilt, während ich die aus anderen Medien ablehne. Wohl dem, der aber erkennt, dass es eine politische Agenda des Verlages oder der Redaktion gibt und nicht meint, er bliebe völlig unbeeindruckt von Themen- und Kommentarauswahl.

Was das Geschehen heute komplizierter macht ist die schiere Vielfalt an Informationsquellen, bei denen man kaum die Möglichkeit hat, sich über den Wahrheitsgehalt Gewissheit zu verschaffen. Mit der Vielfalt der im Internet liegenden Möglichkeiten hat die Fähigkeit zum Medienkonsum offenbar nicht Schritt gehalten. Ich selbst stelle immer wieder fest, dass ich mich über Inhalte von Zeitungsartikeln ereifere, die bei Facebook gepostet werden, nur um dann festzustellen, dass diese Berichte schon Jahre alt sind. Und das ist nur ein ganz kleiner Aspekt der (oft sicher unbewussten) Irreführung, die uns in dieser Hinsicht ereilen kann, wenn ich mich nur noch über Facebook in meiner eigenen "Peer-group" oder nur noch auf einschlägigen Seiten informiere.

Medienkompetenz im Internetzeitalter bedeutet auch, mit der Masse der Informationen richtig umzugehen lernen. Diese eröffnet einerseits Möglichkeiten, die "Hausmeinung" der Mainstreammedien einer Prüfung zu unterziehen, beinhaltet aber auch das Risiko, Dinge für bare Münze zu nehmen, die entweder nicht richtig recherchiert wurden oder bewusst zur Irreführung publiziert werden. Und wer sich dann schon immer aus seiner Hauspostille informiert und den verantwortlichen Umgang mit Informationen und deren Hinterfragen nicht geübt hat, der glaubt am Ende alles, was er auf den einschlägigen Seiten und in reißerischen Werken liest. Werden solche Medien dann vom Mainstream noch mit dem Etikett der "Verschwörungstheorie" belegt, dann ist der Leser umso mehr geneigt, genau hierin die Verschwörung zu sehen und auch solchen Quellen Glauben zu schenken, die jeder normal tickende Mensch beiseite schieben würde.

Was also tun? Die Problemlage wie oben beschrieben trifft schließlich jeden, ich nehme mich ganz bewusst nicht aus! Misstrauen gegenüber im Brustton der Überzeugung geäußerten Meinungen ist sicher angebracht, besonders dann, wenn schon auf den ersten Blick einfache Botschaften nicht zu überzeugen vermögen. In Bezug auf Pegida: "Ausländer raus!" taugt genau so wenig wie "Ihr seid alles Nazis!" Die eigenen Informationsquellen auch mal zu diversifizieren, anzunehmen, dass beispielsweise auch Spiegel & Co. in der Berichterstattung über die Kirche richtig liegen können, ist ein zweiter Schritt in Richtung Wahrheit. Vor einer Versuchung möchte ich aber im Besonderen - auch mich selber - warnen:

Wer immer noch glaubt, mit dem Internet sei die Informations- und Nachrichtenbeschaffung einfacher geworden, für den ist – um einen O-Ton unserer Kanzlerin aufzugreifen – das Internet tatsächlich noch "Neuland" und er macht sich zum Spielball der Medien von denen er sich eben noch zu emanzipieren hoffte. Da wäre der Blick in die lokale Tageszeitung vermutlich erhellender als der ins Netz!

Zuerst erschienen auf papsttreuer.blog.de

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