Liebe Leute von den GreenTec-Awards,

was hatte ich mich bei der Durchsicht der zur Online-Abstimmung gestellten Projekt gefreut. Gleich zwei fliegende Autos waren dabei, der Carplane und das wahrscheinlich bald “XDreeme” getaufte Projekt der Firma Fresh Breeze.

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Dazu der Volocopter, der bionische Flügel, die Brennstoffzelle für Linienjets und gar der Getriebefan von MTU. Endlich mal vernünftige Leute, so mein erleichterter Stoßseufzer, die wissen, wie wichtig Technologie für den Naturschutz wirklich ist. Endlich Leute ohne Scheuklappen und ohne ideologische Vorbehalte. Flugs habe ich einen Text für Science Skeptical erstellt, um Werbung für meine beiden Lieblingsthemen, den Carplane und den XDreeme, zu machen. Als mich dann Rudolf Kipp im Kommentarbereich darauf hinwies, beim “Galileo Wissenspreis” gäbe es mit dem Dual Fluid Reactor DFR ja auch noch einen Flüssigsalzreaktor, war ich geradezu begeistert. Ich hatte das Ding vor lauter fliegenden Kisten doch glatt übersehen. Ausgerechnet ein Flüssigsalzreaktor. Und das auch noch von einem deutschen Team. Fantastisch. Sofort habe ich den Artikel ergänzt und die Information so weit gestreut, wie ich konnte. Also gerade mal bis EIKE, aber ich bin ja auch nur Hobbyblogger mit begrenztem Zeitbudget.

Ich habe den DFR noch nicht einmal gewählt. Meine Stimme gehörte in der Kategorie “Galileo Wissenspreis” dem “Fliegenden Auto”. Vor meinem geistigen Auge malte ich mir schon aus, wie Aiman Abdallah in dem Gefährt Platz nimmt (ein “Proof-of-Concept” mit voller Funktion existiert ja schon) und mit dem Erfinder als Piloten abhebt – nachdem er mit 170 Sachen über die Autobahn gebrettert ist. Tja, war nix. Weder die Online-Voter, noch die Jury haben nach meiner Meinung das Vorhaben richtig verstanden. Vielleicht ist es auch nicht ausreichend erklärt worden, was weiß ich. Nun gut, so sind die Regeln. Ich bin ein fairer Verlierer, Nachtreten gehört sich nicht.

Aber der DFR hat es tatsächlich geschafft. Mit großem Vorsprung wurde er durch die Internetgemeinde nominiert. Damit war den Regeln entsprechend klar, der neuartige Flüssigsalzreaktor würde als eines von drei Projekten auf der großen Gala im August der Öffentlichkeit präsentiert. Einen Sieg hatte ich nicht unbedingt erwartet, aber das endlich mal “Green” in passender Weise mit “Tec” verbunden wurde, gefiel mir natürlich sehr. Das Team vom IFK bedankte sich für unsere Unterstützung. Sie stellten den Sieg per Mail an das IFK fest und luden die Firma entsprechend zur Preisverleihung Ende August ein. Alle waren glücklich. Was mir ein wenig fehlte, war das Dankschreiben Ihrerseits. Denn schließlich haben auch wir hier zu einer Rekordbeteiligung beim Online-Voting beigetragen. So großen Zuspruch, so viel Aufmerksamkeit hatte Ihr Wettbewerb noch nie erfahren. Und Aufmerksamkeit ist doch die Währung, die letztendlich Ihr Auskommen sichert. Das Fehlen einer entsprechenden Pressemitteilung zu diesem Umstand machte mich schon stutzig.

Meine Mitautoren und auch meine Leser hier hatten mich gewarnt. Ich hatte diese Befürchtungen nie wirklich ernst genommen. Regeln sind schließlich Regeln und mit der Zulassung des DFR zur Abstimmung bestätigten Sie seine Berechtigung. Sie haben ihn doch entsprechend geprüft, oder etwa nicht? Ihr Medienpartner WiWo Green beginnt sich das nun auch zu fragen.

wiwogreen

Dann haben Sie die Regeln nachträglich geändert. Sie haben erst nach der Jury-Sitzung am 4. Juni festgelegt, daß die Auswahl der drei Nominierten eben doch nur durch die Jury erfolgt und diese daher die Möglichkeit hat, die Internetabstimmung zu ignorieren respektive gegen den erklärten Willen der vielen tausend Wähler zu handeln.

Das ist respektlos gegenüber allen, die sich am Voting beteiligt haben. Denn dieses und alle aufgelaufenen Stimmen – gleich für welches Projekt – wurden damit entwertet.  Sie hätten ahnen können, was dies auslöst. Hatten Sie denn wirklich erwartet, damit einfach durchkommen zu können? Ich habe nicht für den DFR gestimmt, trotzdem fühle ich mich verschaukelt.

Warum haben Sie das in Kauf genommen? Was hat Sie zu diesem falschen Spiel gebracht? Vor einigen Tagen war ich überzeugt, zu einer solch dummen und vor allem nachweisbaren Dreistigkeit  hätte Sie nur einer Ihrer Auftraggeber zwingen können. Freiwillig macht man so einen Fehler doch nicht.

Offenbar doch. Das Studium Ihrer Äußerungen bei Facebook belehrte mich eines besseren. Sie entblöden sich nicht, die 19.000 Todesopfer eines Tsunamis dem Störfall im Kernkraftwerk Fukushima-Daiichi zuzuschreiben? Wo doch erst vor kurzem die WHO festgestellt hat, daß durch die freigesetzten radioaktiven Stoffe bis heute niemand gestorben ist und auch niemand sterben wird? Das grenzt an Fanatismus und ideologische Verblendung. Aber ich denke, eigentlich spricht daraus nur Verzweiflung. Sie schlagen wild um sich, weil Sie sich nicht mehr zu helfen wissen.

greentecfukushima

Was Sie hätten anders machen können, wo das Kind doch schon in den Brunnen gefallen war? Nun: Nichts. Einfach nichts. Sie hätten es einfach über sich ergehen lassen sollen. Vor allem, da doch jetzt Anwälte miteinander kommunizieren. Alles, was Sie nun sagen oder schreiben, kann gegen Sie verwendet werden.

Beispielsweise die Pressemitteilung, mit der sie ihre eigene Inkompetenz verdeutlichen. Es hilft nicht, sich hinter einer Jury zu verstecken, die keinerlei kerntechnische Expertise aufweist. Es zeugt nicht von Cleverness, sich mit dem Projektteam auf eine fachliche Debatte einzulassen. Denn ihre erkennbar mühsam konstruierte Argumentation kann sich nur auf herkömmliche Leichtwasserreaktoren beziehen. Die Flüssigsalztechnologie ist doch gerade die Antwort auf alle Ihre Bedenken.

Genau, ich mag Flüssigsalzreaktoren. Eine erprobte Technologie, die sich leider gegen gewisse politische Argumente nicht durchsetzen konnte und daher in den letzten Jahrzehnten fast schon in Vergessenheit geraten ist. Ich setze mich für den DFR ein, weil er eine neue, innovative Möglichkeit zeigt, diese Technologie umzusetzen. Ein Prinzip, die Kernenergie, die Bindungsenergie der Nukleonen im Atomkern zu nutzen, das in jeder Hinsicht vielversprechend ist. Ich werbe seit Jahren dafür. Ich habe Artikel dazu geschrieben, hierbei Novo Argumente, und in einem Sammelband der Friedrich-Naumann-Stiftung. Ich habe Vorträge dazu gehalten. Davon einer öffentlich, im vergangenen Jahr, beim Technology Camp in Hannover. Ich habe die Idee in den Zukunftsdialog der Bundeskanzlerin eingebracht und immerhin mehr als 3.500 Stimmen bekommen. Weil die Flüssigsalztechnologie, vor allem in Verbindung mit Thorium als Rohstoff, der Welt das verschaffen kann, was sie braucht: Preiswerte und saubere Energie im Überfluß.

Sie sollten mal darüber nachdenken: Die Stimmen für den DFR kamen ja nicht aus dem Nichts. Das waren Leute, die sich aus guten Gründen für dieses Konzept entschieden haben. Sie hätten sich überlegen können, welche Gründe das wohl waren. Und mit ein wenig Recherche, wäre auch bei Ihnen der Groschen gefallen. Oder denken Sie wirklich, das Institut für Festkörperkernphysik hätte sich nur bei Ihnen beworben, um zu provozieren?  Ich versichere Ihnen, die Leute sind überzeugt von Ihrer Idee und haben nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt. Man hat sich am GreenTec-Award beteiligt, weil man glaubte, dort richtig aufgehoben zu sein. Und das ist man ja auch.

Stattdessen beleidigen Sie mit Ihren Äußerungen die Intelligenz nicht nur des Teams vom IFK, sondern auch die der Online-Voter und am Ende auch die meine. Glauben Sie denn wirklich, wir wären alle so verantwortungslos, daß wir uns die von Ihnen gestellten Fragen nicht längst selbst beantwortet haben? Und zwar zugunsten der Flüssigsalztechnologie.

Wenn Sie schreiben radioaktiver Abfall würde “dezentral bei Betriebstemperaturen über 1.000 Grad Celsius und flüssigem Metall zur Kühlung energetisch in seinem Abklingverhalten genutzt”, so ist das ausgemachter Unsinn. Im Reaktorkern des DFR würden die langlebigen und toxischen Transurane aus vorhandenem Abfall (Plutonium, Curium, Neptunium usw.) durch Transmutation in kurzlebige Kerne verwandelt, die schnell (in Stunden oder Tagen) zu stabilen Metallen oder zu für beispielsweise medizinische Zwecke nutzbare Stoffe zerfallen. Es sind dafür auch nicht viele Anlagen erforderlich. Eigentlich genügt eine, um unser Problem mit langlebigen radioaktiven Stoffen aus abgebrannten Brennelementen vorhandener Kernkraftwerke zu lösen. Ohne Endlager.

Wenn Sie schreiben, die verwendeten Materialien wären “hochgiftig”, dann frage ich mich, welche Sie meinen? Schwermetalle aus Solarzellen? Blausäure, die bei der Produktion von Verbundwerkstoffen für Windräder anfällt? Oder doch das Natriumchlorid aus dem DFR? Letzteres nennt man umgangssprachlich übrigens auch Kochsalz.

Wenn Sie schreiben, der DFR würde die Umgebung radioaktiv kontaminieren, ist das auch mit großer Phantasie kaum nachvollziehbar. Es gibt keinen Phasenübergang flüssig-gasförmig oder fest-gasförmig im Reaktor. Im Falle eines Lecks würden sowohl das Flüssigsalz, als auch das flüssige Blei erstarren und im Reaktorgebäude verbleiben.

Dann stören Sie sich an den hohen Betriebstemperaturen. 1000 Grad? Ich bitte Sie. Flugzeugturbinen arbeiten bei über 2000 Grad und den Getriebefan von MTU haben Sie ja auch als Projekt zugelassen. Nebenbei zum Thema “hochgiftig”: Trinken Sie denn gerne Kerosin?

Und schließlich behaupten Sie entgegen der Darstellung der Projektverantwortlichen, der DFR benötige doch aktive Sicherheitssysteme. Haben Sie das Prinzip wirklich verstanden? Der DFR regelt seine Temperatur selbst. Die Wärme zur Verflüssigung entsteht durch die Kernreaktionen im Reaktorkern. Je höher die Temperatur steigt, desto geringer wird die Dichte des flüssigen Salzes, die Anzahl der Kernreaktionen nimmt ab, die Temperatur sinkt wieder. Eine Überhitzung wie bei Festkörperbrennstäben ist physikalisch ausgeschlossen.

Aus dieser fachlichen Inkompetenz heraus erdreisten Sie sich tatsächlich, dem IFK die Einreichung unzutreffender oder falscher Angaben vorzuwerfen? Es wird jetzt auch nicht mehr gelingen, Ihren Unwillen zu eigener Fortbildung auf diese Weise zu vertuschen. Oder war es nicht mangelnder Einsatz, sondern schlicht Unvermögen? Sie hätten die ausführlichen Seiten über den DFR im Web aufsuchen oder auch an dieser Stelle alles über die Flüssigsalztechnologie nachlesen können. Das Online-Formular für die Bewerbungen ermöglichte ja keine umfangreicheren Darstellungen. Zwischen dem Online-Voting und der Jury-Sitzung bestand ausreichend Zeit, alle offenen Fragen in einem direkten Gespräch zu klären. Wenn Sie diese Möglichkeit nicht wahrnehmen, können Sie das nicht dem Bewerber vorwerfen.

Sind Sie nun verstockte Ökofundamentalisten ohne Lernfähigkeit? Ich weigere mich noch immer, das zu glauben. Weil Sie in diesem Fall auch viele andere Projekte hätten ablehnen müssen. Nein, ich glaube, Sie haben einfach Angst.  Ihren Stellungnahmen merkt man an, Sie fürchten um Ihre Zukunft, um Ihr Geschäftsmodell, um Ihre Firma. Und jetzt haben Sie nicht nur eine Meute aufgebrachter Blogger gegen sich, sondern verlieren vielleicht auch noch den Rückhalt Ihrer Sponsoren und Partner. Denn diese möchten sicher nicht in den Sog aus Glaubwürdigkeits- und Reputationsverlust hineingezogen werden. Und wer auch immer jetzt den Greentec-Award gewinnt, der kann sich nicht mehr sicher sein, ob das nun ein Preis für ein tolles, fundiert von Experten geprüftes Projekt oder nur Geschmacksfragen und dem Zufall geschuldet ist. Wer auch immer gewinnt, kann sich mit dem Preis nicht mehr schmücken, ohne sich der Lächerlichkeit preiszugeben. Eine Holzkugel kann keine Auszeichnung sein, wenn sie aus den Brettern besteht, die andere Leute vor dem Kopf tragen.

Es hatte doch so gut angefangen. Mensch, was tut mir der Volocopter leid. Und was bin ich froh, daß es die fliegenden Autos nicht geschafft haben.

Beitrag erschien zuerst auf: science-skeptical.de 

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