Zwischendurch überkam mich das Bedürfnis, die Enzyklika „Laudato Si‘“ von Papst Franziskus einfach in die Ecke zu knallen. Das ist für einen Blogger, der sich papsttreu nennt, nicht gerade eine besondere Wohltat. Dann wieder bin ich auf Sätze gestoßen, die ich mit Blut unterschreiben würde, auch dann wenn sie mir in der Umsetzung einiges abverlangen würden. Also keine Sorge, ich bin immer noch papsttreu, muss da aber ein paar Fußnoten hinzufügen, die notwendig sind. Eine davon könnte lauten: Ich stehe in Treue zum Papst und bin in vielen Dingen gänzlich anderer Meinung als er! Man mag das mit einer Ehe vergleichen: Mit meiner Frau bin ich auch nicht immer einer Meinung, trotzdem liebe ich sie und stehe in Treue zu ihr.
Und wie in einer Ehe gibt es eine Grundlage von Gemeinsamkeiten, bei denen ich die Ausführungen von Papst Franziskus teile: Da ist die in der Enzyklika in aller Tiefe fundierte Darlegung, warum es von Gott begründete Aufgabe des Menschen ist, die Schöpfung zu bewahren. Das ist für die meisten nicht besonders neu, aber so mancher interpretiert Formulierungen der Bibel, sich die Erde „Untertan“ zu machen mit einem Freibrief, Ressourcen, andere Lebewesen, andere Menschen, letztlich die gesamte Umwelt, auszubeuten. Andere dagegen meinen, der Mensch sei am Ende nur ein Geschöpf unter vielen und habe sich in diese Rolle einzufügen.
Beidem widerspricht der Papst: Der Mensch hat als das – im Gegensatz zu Tieren und dem Rest der Umwelt – als Ebenbild Gottes geschaffene Geschöpf, eine besondere Würde und eine besondere Verantwortung. Der Mensch ist frei geschaffen, was ihm ermöglicht, bewusst Böses zu tun, unverantwortlich zu handeln. Ein Tier kann das nicht! Betrachtet der Mensch seine Rolle in Beziehung zu Gott vor diesem Hintergrund, hat das Folgen für seinen Umgang mit der Umwelt, die ihn umgibt. Diese Sicht bewahrt davor, einer der Blickrichtungen, der Umwelt oder den Menschen, zu wenig oder zu viel Beachtung zu schenken, den Blick auf die Umwelt unzulässig auch auf einen Ökozentrismus zu beschränken.
Insofern kann man dem Papst auch nur zustimmen, wenn er zu einem verantwortungsvollen Umgang mit den geschenkten, eher geliehenen, Ressourcen mahnt. Es klingt ein wenig profan, wenn er meint, es könne auch ein Akt der Liebe sein, auf Konsum zu verzichten, nicht mehr zu verbrauchen, als man wirklich nötig hat, aber genau darum geht es: Gehen wir mit der Schöpfung Gottes wirklich liebevoll um? Oder ist unser Umgang mit den zur Verfügung stehenden Ressourcen geprägt von Egoismus? Vermutlich liegt die Antwort in der Mitte und unterscheidet sich von Mensch zu Mensch. Aber die Dinge – andere Menschen, Tiere, Ressourcen, die Umwelt – als Geschöpfe Gottes wahrzunehmen, die er in Liebe erschaffen hat, die Gott am Ende der Schöpfungsgeschichte für „sehr gut“ hält, und die eigene Rolle als Abbild Gottes zu übernehmen, mit dem nicht zu erfüllenden Anspruch genau so zu lieben wie er, bedeutet in der Tat eine Umkehr, die der Papst als „ökologische Umkehr“ beschreibt.
Nicht zu bestreiten ist auch, dass die Ressourcen unterschiedlich verteilt sind, und Umweltbedingungen und -veränderungen Einfluss auf das Wohlergehen der Menschen in der Welt haben. Wenn heute Giftmüll in Länder der Dritten Welt exportiert wird, dann ist das in der Tat aus christlicher Sicht kein haltbarer Zustand. Natürlich kann man argumentieren, dass diese Länder die Möglichkeiten nutzen, die sie haben; andererseits agieren Industrieländer an dieser Stelle aus einer Position der Stärke, von demokratischen und freiheitlichen Strukturen kann man in den Entwicklungsländern in den allermeisten Fällen nicht ausgehen, von einem freien Markt mit Teilnehmern auf Augenhöhe kann hier, wie in vielen anderen Fällen auch, daher nicht gesprochen werden.
Der Appell des Papstes, christliche Verantwortung, die sich aus dem eigenen Wohlstand ergibt, auch anzunehmen, ist insofern verständlich: Einen Christen müssen die Probleme und Nöte anderer Menschen eben auch dann etwas angehen, wenn er nicht dafür verantwortlich ist. Dazu gehört auch, die Folgen des eigenen Handelns für andere mit ins Kalkül zu ziehen. Industrieproduktion, landwirtschaftliche Entwicklung oder Konsum haben nicht nur Auswirkungen auf das eigene Umfeld sondern erzeugen weltweite Folgewirkungen auf die Umwelt und andere Menschen, die man nicht einfach ignorieren oder als persönliches Pech der indirekt Betroffenen abhaken kann.
Das alles macht der Papst in klaren Worten deutlich, und ich bin durchaus bereit, ihm hierin zu folgen, auch wenn ich bestimmte Problemlagen, denen ein hoher Textumfang eingeräumt wird, anders einschätze. So hätte man bei der Behandlung der Umstände des Klimawandels durchaus auch mal auf kritische Stimmen zumindest hindeuten können, die entweder einen Klimawandel generell verneinen oder aber die menschliche Komponente in Frage stellen. Dass wir aber in Summe Umweltprobleme haben, kann kaum abgestritten werden. Da will ich mich nicht mit dem Papst über die Existenz und die Ursachen des Klimawandels streiten.
Richtig kritisch wird es aber bei der Beurteilung der Mittel zur Lösung der Probleme. Da ich nicht davon ausgehe, dass der Papst volks- und betriebswirtschaftlich besonders geschult ist oder sein muss, kann ich nur annehmen, dass er an dieser Stelle wirklich schlechte oder zu einseitug ausgewählte Berater zur Seite stehen hatte. Tatsächlich den Fortschritt und das Wirtschaftswachstum für die Umweltverschmutzung, die Armut in der Welt der freien Marktwirtschaft anzulasten, ist zwar für den Laien – weil immer wieder gehört – plausibel, widerspricht aber gerade den Beobachtungen, die man machen kann: In den ärmsten Ländern der Welt herrscht eben keine Marktwirtschaft sondern bisweilen wilder Sozialismus, gepaart mit einer – systemimmanenten – Vetternwirtschaft.
Die Schwäche dieser Länder lässt sich daher nicht ursächlich der Freiheit des Marktes zuordnen sondern genau der fehlenden Freiheit. Und prosperierende Wirtschaftsräume sind erst in der Lage, sich den drängenden Umweltfragen zu widmen. An dieser Stelle ausgerechnet auf weniger Markt, auf eine in Kauf zu nehmende Rezession in den wohlhabenden Ländern und auf mehr staatliche Einflussnahme und Kontrolle zu setzen, ist mindestens fahrlässig.
Der Papst spricht selbst davon, dass man mit Gesetzen und staatlichen und überstaatlichen Regelungen nur bedingt Verhaltensweise ändern kann, weist auf die Notwendigkeit subsidiärer Verantwortung mit der Familie als kleinster gesellschaftlicher Einheit hin. Das hindert ihn aber nicht daran, an vielen Stellen nach zentralistischen Regelungen und internationen Institutionen zur Kontrolle der Einhaltung zu rufen. Verschwörungstheoretiker sehen hier schon die „New World Order“ am Horizont, mich selbst beschleicht eher der Verdacht, dass den Papst hier eine gewisse Einfallslosigkeit und auch ein Pessimismus den Menschen gegenüber befallen hat.
Als Christen liegt unsere Verantwortung in der Mission – die notwendige Verantwortungsübernahme für die Welt ergibt sich dann von selbst. Das christliche Weltbild legalistisch zementieren zu wollen halte ich dagegen nicht nur für kontraproduktiv in dieser Hinsicht; es offenbart auch einen Widerspruch im Denken: Wieso sollten Institutionen, gewählt und demokratisch legitimiert, national oder suprational, jedenfalls von Menschen geleitet, die durch diese Institutionalisierung mit Macht ausgestattet sind, sich moralisch besser verhalten als einzelne Menschen? Die Erfahrung zeigt das genaue Gegenteil!
Wie man sieht: Viel Licht aber auch nicht wenig Schatten in diesem Dokument. Licht vor allem in der Frage der Theologie zur Schöpfung, zur Rolle des Menschen, zur Wertschätzung und Liebe Gottes gegenüber allem Geschaffenen. Schatten an den Stellen, an denen mehr oder weniger konkrete Handlungsempfehlungen gegeben werden. Letztere sind – interessanterweise – auch deutlich weniger mit theologischen Schriften hinterlegt, was einerseits logisch ist, da es sich dabei nicht um dogmatische Anweisungen handeln kann. Andererseits macht das auch deutlich, dass der Papst hier keine neue Kirchenlehre vertritt, sondern eine Meinung, die auf den ihm vorliegenden Informationen, letztlich Ergebnis der Beratungsleistung seines Stabes, basiert. Insofern kann ich als Katholik und Wirtschaftsliberaler meinen Frieden mit diesem Dokument machen.
Als generelles Fazit – ich gebe zu, das stammt nicht von mir sondern habe ich an anderer Stelle mal in ähnlicher Form gelesen – könnte man ziehen, dass wir uns die Grundlagen der Enzyklika als Christen durchaus zu Herzen nehmen sollten, die Handlungsempfehlungen aber besser noch mal einer genauen Prüfung unterziehen (das stand im Originaltext drastischer, ich versuche es hier mal mit Diplomatie).
Papst Franziskus ist also weiterhin kein Liberaler, hat eine offensichtliche, vielleicht gesellschaftlich geprägte, Vorliebe für etatistische Lösungen wenn es um das Gemeinwohl oder weltweit relevante Fragestellungen geht. In dieser Hinsicht erscheinen mir seine Ausführungen schlicht als falsch und schädlich. Anerkennen kann ich aber, dass er aus einer echten Liebe und Sorge um die Umwelt und die Menschen heraus argumentiert. Dass die Welt nicht in Ordnung ist, sehen wir alle, wie sie sein sollte, stellt der Papst hinsichtlich der Schöpfungslehre dar, wie man dahin kommt, darüber gehen die Meinungen auseinander. Und in diesem Sinne habe ich mir vorgenommen in den kommenden Tagen und Wochen die Enzyklika einfach auf bestimmte Abschnitte beschränkt zu betrachten. Nur so wird man ein Gesamtbild über dieses umfangreiche Werk erhalten … und ganz in dem Sinne, dass ich meine Leser gerne an meinem „Nachdenken“ teilhaben lasse, hoffe ich auch noch auf den einen oder anderen zusätzlichen Gedanken.
Dieser Beitrag wird also seine Fortsetzungen erfahren, in denen wir gemeinsam in die Details der Enzyklika eintauchen können. Das wird ein bisschen Arbeit werden, aber der Papst hat sich schließlich auch Arbeit damit gemacht, da wird man von uns erwarten dürfen, dass wir diese nicht einfach mit ein paar Sätzen abhandeln. Pauschale Urteile über seine Ausführungen, soviel ist hoffentlich klar geworden, werden „Laudato Si'“ jedenfalls nicht gerecht!
Zuerst erschienen auf papsttreuerblog.de
Kommentare zum Artikel
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Der Papst macht das sehr klug. Er ist unlaublich Erfolgreich. Schon die Rede seines Vorgängers im Bundestag war wirklich beeindruckend!
Vorschlag: Wie wäre es, wenn Europa aus den Vatikan regiert wird, statt aus Brüssel?
Brüssel und Strassbourg auflösen und den Papst sowie seinen Kardinälen und Beratern die Macht von Parlament und Kommission übertragen...
Schlechter als jetzt, kann es wirklich nicht werden.
Andere Religionen und Konfessionen, sowie Weltanschauungen würde sicher berücksichtigt werden.
Und es wäre Billiger.
Und man hätte weniger moralische Verfehlungen durch Politiker, welche ständig auf der Suche nach neuen Prostituierten sind.
(... war nur so eine Idee. Würde aber sicher zu besseren Ergebnissen führen, als das was wir jetzt haben)
Dieser als Alibi gewählte argentinische Quartalsirre ist Jesuit und Jesuiten waren schon immer Hardcore-Kommunisten.
Ausgezeichnete Reflextion ueber Laudatio Si
Hallo Herr Honekamp,
ich bin mit der Enzyklika noch nicht ganz durch, aber der ganzheitliche Denkansatz spricht mir in vielem aus der Seele. Der nächste Schritt in Richtung einer vorsichtigen Handlungsempfehlung, ist für uns Fehlbare und Sündige immer eine der schwierigsten, der Sprung ins kalte Wasser von der Theorie zur Praxis, in der man sich regelmäßig die Hände schmutzig macht. Auch wenn wir Menschen daran immer wieder scheitern, der Versuch muss trotzdem immer wieder gewagt werden.
Ökologie-Autisten dürfte die Enzyklika erst mal nicht viel zu sagen haben, sie ist nicht als naturwissenschaftliches Nachschlagewerk gedacht aber eine Fundgrube für die, die ökologisch "musikalisch" sind oder werden wollen.
mfG
HP