Kitas garantierten Wahlfreiheit der Familiengestaltung

Kita-Lüge 2: Wahlfreiheit in der Gestaltung des Familienlebens mit kleinen Kindern ist ein hohes und mehr als berechtigtes Ziel, das jede Anstrengung wert sein müsste. Ob diese Freiheit tatsächlich durch den Kitaausbau gewährleistet wird, muss allerdings genauer untersucht werden.

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Die Freiheit der Wahl setzt voraus, dass es zwei Möglichkeiten gibt: Falls ein Kita-Besuch gewünscht wird, muss er ermöglicht werden. Falls die Erziehung in der Familie bevorzugt wird, muss dies ebenso möglich sein. Aber haben denn jene Eltern überhaupt eine Alternative, die ihr Kind zwar gerne selbst pflegen und erziehen möchten, deren Einkommen aber dafür nicht ausreicht? Es müsste dann für jedes Elternpaar ebenso wenig ein Problem sein, drei Jahre zuhause zu bleiben, wie seinen Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz anzumelden. Schon aus diesem Gedankenexperiment wird klar, dass hier tatsächlich für die meisten Familien keine Wahlfreiheit besteht. Und zwar aus verschiedenen Gründen:

Erstens gibt es in Deutschland seit einigen Jahrzehnten einen faktischen Zwang zum Doppelverdienertum. Ein Gehalt reicht nur noch selten aus, dies ist – aus verschiedenen Gründen – politisch gewollt. Aus den Regelungen des Elterngeldes wird ersichtlich, dass dem Staat ein in eine Doppelverdienerehe geborenes Kind mehr wert ist als das Kind, dessen Mutter nicht berufstätig ist. Gleichzeitig unterscheiden sich die staatlichen Unterstützungen im Vergleich zu Ländern wie Skandinavien und Frankreich mit ebenfalls hohen Doppelverdienerquoten ausgesprochen negativ: In Schweden erhalten Eltern, die ihre Kinder bis zum dritten Lebensjahr zu Hause erziehen, monatlich umgerechnet 300 Euro. Zusätzlich gibt es einen Anspruch auf flexible Teilzeitarbeitsplätze und die Möglichkeit, sich für die Pflege eines kranken Kindes bis zu 120 Tagen im Jahr freistellen zu lassen. In Frankreich gibt es neben dem gut ausgebauten Kita-Netz einen ganzen Katalog von Geldleistungen, ein flächendeckendes Netz von Tagesmüttern und Kinderfrauen, und ein Familiensplitting, das dazu führt, dass viele Haushalte mit geringem oder mittlerem Einkommen ab drei Kindern keine Steuern zahlen. Das ist Wahlfreiheit!

Zweitens ist eine Mutter, die in Deutschland ihr Kleinstkind selbst betreuen möchte, einem hohen Diskriminierungsdruck ausgesetzt. In einem Fernseh-Vorspann zur Betreuungsgelddebatte wurde die selbsterziehende Mutter beispielsweise mit Retro-Dauerwelle und Schürze an einem Küchentisch stehend, Soße über einen Blumenkohlkopf gießend, darum herum mehrere Kinder in Fünfzigerjahre-Look dargestellt. Um dem Rechtfertigungszwang auch in privaten Debatten („es geht doch so gut in der Kita“, oder „mir wäre das zu wenig nur mit dem Kind“) bestehen zu können, ist ein hoher Informationsgrad notwendig. Eben an diesem fehlt es.

Drittens ruft mangelnde Wahlfreiheit sogar den Verfassungsrechtler auf den Plan. Udo Di Fabio schreibt: “Die Infrastruktur einer ganztägigen Kinderbetreuung darf nicht zum Zwangskorsett für diejenigen werden, die sich für eine engere Gemeinschaft mit ihren Kindern entscheiden.“ (1) Die staatliche Begünstigung eines bestimmten Familienmodells widerspricht der Selbstbestimmung von Eltern und ist daher verfassungswidrig.

Viertens suggeriert der Begriff „Wahlfreiheit“ eine Wahl zwischen zwei gleichwertigen Möglichkeiten. Weshalb diese nicht gleichwertig sind, wird später gezeigt werden. Aber ob der Begriff „Freiheit“ dann auch wirklich die Folgen mit einschließt, die den Umgang mit den vielfältig beeinträchtigten Kindern bedeutet, die möglicherweise mühsamen, langwierigen und teuren Therapien unterzogen werden müssen, wird sicherheitshalber nicht diskutiert. Auch eine Form der Lüge.

(1) Udo Di Fabio: Am demographischen Abgrund, FAZ vom 12. 10. 2002

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Richard

Entschuldigen Sie - aber nach meinem Wissenstand fehlen in Deutschland noch Kita-Plätze. Jedenfalls kenne ich genügend Eltern, die das behaupten und in den Medien ist es auch ständig. Die Versorgung mit Kinderbetreuungseinrichtungen ist eine Grundaufgabe des Staates, ebenso wie die Versorgung mit medizinischen Einrichtungen oder Schulen. Eine wesentliche Kostenreduktion im Bereich der Kitas könnte der Staat nur dann erreichen wenn er entweder auf flächendeckende Versorgung verzichtet oder die zeitliche Versorgung verringert. D.h. er könnte nur dadurch Geld sparen, indem er Frauen, die dieses Angebot benötigen links liegen lässt. Niemand würde heute ernstlich verlangen, dass jemand, der sein Kind zuhause unterrichtet, das anteilige Geld für den Schuldaufwand zurückbekommt, das wäre einfach widersinnig.

Gravatar: Tobias S.

Mit verlaub, diese Argumentation ist doch vollkommen widersinnig! Der Staat schafft also mit größten Anstrengungen und Ausgaben die sonst nur im Kriegsfall plötzlich für die Rüstungsindustrie frei würden Betreuungsplätze (ohne Qualität) und danach werfen Sie den Eltern, die diese nicht in Anspruch nehmen wollen vor, die Kosten für die nicht genutzten und nicht notwendigen Plätze fallen trotzdem an und sind daher durch selbige zu bezahlen?

Ich kaufe mir jetzt also einen Luxuswagen, welcher ca. 800km von Ihnen entfernt steht. Sprich für Sie vollkommen sinnbefreit ist. Den stelle ich Ihnen aber gegen eine (im Vergleich zu meiner Anschaffung und Unterhaltung) kleine Selbstbeteiligung zur Verfügung. Sie benötigen diesen nicht? Macht nichts, bezahlen müssen Sie ihn trotzdem. Für Ihre eigene Mobilität gibt es aber keinen Zuschuss! Ich lache mich lieber öffentlichkeitswirksam über ihr zu-Fuß-gehen kaputt...

Gravatar: Richard

Es geht wohl kaum um die Selbstverwirklichung in der Karriere wenn eine Frau halbtags arbeiten geht. Es wohl vielmehr darum den Anschluss nicht zu verlieren. Vor allem für die stetig wachsende Zahl der Alleinerzieherinnen ist das wichtig. Förderungen für Mütter alleine können kaum den tatsächlichen Bedarf abdecken, außerdem dauern sie maximal 3 Jahre - und dann?

Gravatar: Silja Fichtner

Zustimmung, daß echte Wahlfreiheit nicht existiert. Sie wird aber nicht dadurch erreicht werden, daß der Staat noch mehr Steuergelder verteilt, denn sie müssen erwirtschaftet werden. In der Regel von den Doppelverdienern, die ihren eigenen Krippenplatz und ihr eigenes Elterngeld aufbringen. Echte Wahlfreiheit kann nur durch eine drastische Steuer- und damit Ausgabenreduktion des Staates erreicht werden, durch Senkung der indirekten Steuern und zusätzlichen Abgaben und Gebühren, damit vom hart erarbeiten Geld soviel übrig bleibt, daß entweder nur einer arbeitet und einer erzieht oder in den Kinderverwahranstalten endlich der echte Preis und kein subventionierter gezahlt wird. Im Wohlfahrtsstaat Deutschland, in dem Freiheit ganz weit unten rangiert, sozialstaatliche Betreuung und Bevormundung aber ganz oben, ist nur meine Befürchtung, daß dies kaum mehr erreicht werden kann, weil zu viele vom bestehenden System profitieren oder die Probleme nicht erkennen, wie auch die Autorin des Artikels.

Gravatar: Richard

Es ist nur leider eine Milchmädchenrechnung wenn man glaubt man könnte das Geld für Krippenbetreuung anteilig auszahlen. Denn die Kosten dafür fallen ohnehin an, egal ob die einzelne Familie das nutzt oder nicht. Warum sollte man jemanden also dafür bezahlen, dass er vom Staat angebotene Leistungen NICHT nutzt? Dann müsste man ja auch Eltern, die ihre Kinder nicht mit dem Schulbus fahren lassen, die Kosten dafür anteilig rückerstatten. Das ist ja einfach widersinnig.

Gravatar: Coyote38

EINES muss mir mal irgendwer erklären.

Worin besteht für eine Frau eigentlich der SINN darin, sich mit einem Halbtagsjob "karrieremäßig selbst zu verwirklichen" und dann mit dem Verdienst die Kinderbetreuung des eigenen Nachwuchses zu finanzieren ...?

Mal aus einer ganz MENSCHLICHEN Perspektive betrachtet: Wäre es nicht erfüllender, ungleich selbstverwirklichender und vor allem für das Kindswohl FÖRDERLICHER, wenn "Mutter" stattdessen ihren Nachwuchs gleich SELBST betreuen und erziehen würde ...?

Gravatar: Dr. Gerd Brosowski

Einen herzlichen Dank an Frau Oppermann, weil sie das Lügengespinst zerreißt, hinter dem sich heute die Feinde der Freiheit verbergen. Wohin man in der Familienpolitik auch blickt, man findet Lügen und Zwang.

Heute sind Vater und Mutter gezwungen, beide berufstätig zu sein. Sollte etwa ein junger Mann auf die Idee kommen, für ein paar Jahre seine Wochenarbeitszeit von 35 auf 44 Stunden zu erhöhen, so wie es sein Großvater gemacht hat um im Gegenzug die Mutter seiner Kinder wenigstens vorübergehend vom Zwang zur Arbeit außerhalb des Hauses zu befreien, so würde ihm das Tarifkartell solche Flausen sogleich austreiben. Sollten wir wie im benachbarten Frankreich ein flächendeckendes System an Tagesmüttern einrichten wollen, so würde sogleich die schwere Infanterie der Verhinderer aufmarschieren, um mit Arbeitsstättenverordnungen oder sonstigem Vorschriftenkram diesen Weg zu verschütten.

Es ist wahr, dass in Frankreich eine Familie in der Regel ab dem dritten Kind keine Steuern mehr bezahlt. In Deutschland ist die Ausbeutung der Familien über Steuern und sonstige Zwangsabgaben unbestrittene Tatsache; es gibt dazu höchstrichterliche Urteile, die eine Änderung verlangen, aber dem Parlament ist das gleichgültig.
Der naheliegende Weg, echte Wahlfreiheit herzustellen, indem man den Eltern eines Kleinkindes darüber entscheiden lässt, ob sie einen Krippenplatz in Anspruch nehmen wollen oder die darauf entfallenden Zuwendungen der öffentlichen Hand bar ausbezahlt haben möchten, um selbst ihr Kind in den eigenen vier Wänden zu erziehen, wird ebenso ein Traum bleiben wie Kirchhoffs Vorstellung eines vereinfachten und gerechten Steuersystems.

Wie man es drehen und wenden mag: Arbeitswelt und Kind konkurrieren um die gleiche, kostbare, begrenzte Ressource, die Aufmerksamkeit und Energie der Eltern. Es ist hierzulande unausgesprochene Staatsdoktrin, dass das Kind in dieser Konkurrenz zu unterliegen hat. Wobei das Attribut „unausgesprochen“ wohl schon überholt ist; es wird auch in Erläuterungen höchster Gerichte formuliert, dass der Gesetzgeber bestimmte – sprich traditionelle – Formen der Rollenverteilung in den Familien zurückdrängen will auf Kosten zeitgemäßer- sprich arbeitsweltkonformer – Rollenverteilungen. Die Politik will also in die Rollenverteilung innerhalb der Familien hineinreden: Das ist kaum verhüllt die Sprache des frühen Stalinismus, hier sagen die Feinde der Freiheit offen, was sie vorhaben.

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