Kein Klimaschutz ist der bessere Klimaschutz

Bei all den vielen statistischen Daten und hochgerechneten Szenarien, die man sich in der Klimadebatte an den Kopf wirft, taucht der Wert "jährlicher Kohlendioxid-Ausstoß pro Einwohner" überraschend selten auf. Dabei ist er von zentraler Bedeutung, denn es handelt sich hier um eine Größe, die nicht beliebig wachsen oder sinken kann.

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Für den gemeinen Klimaschützer ist das Leben auf verwirrende Weise durcheinander. Sitzt er auf der heimischen Couch, vermitteln ihm die durch die Medien ungeprüft verbreiteten Behauptungen der Politik und einiger Wissenschaftler den Eindruck, die Vermeidung der bevorstehenden Apokalypse wäre die einzig relevante Aufgabe unserer Zeit. Tritt er dann durch die Tür, landet er in einer Realität, die sich wie seit Jahrhunderttausenden nur um Sex, Drugs & Rock’n Roll dreht. Klimaschutz? Finden wahrscheinlich die meisten irgendwie wichtig. Aber im Alltag kümmert es keinen. An dieser Diskrepanz können labile Geister schon verzweifeln. Man erkennt dies an einem zunehmend aggressiven und ideologisierten Alarmismus, wie ihn Naomi Klein pflegt. Die weniger labilen dagegen werden zu Skeptikern.

Für den klugen Politiker sind die Alarmisten die bei weitem wichtigere Zielgruppe. Denn diese haben ja ihre Ansprechbarkeit für Angstkampagnen bereits belegt. Nun gilt es einerseits, dem politischen Gegner nicht das Feld kampflos für die Mobilisierung zu überlassen. Andererseits soll natürlich auch die eigene Klientel beruhigt werden, damit sie nicht wegen eines konstruierten Problems zum Gegner überläuft. Skeptiker hingegen sind viel zu skeptisch, um auf verbalen Aktivismus hereinzufallen.

Denn mehr hat ein Politiker in der heutigen komplexen, dynamischen und vernetzten Welt nicht zu bieten. “Wir wollen”, “wir müssen”, “wir sollten”, “ich habe schon immer gesagt” sind Standardformulierungen der modernen Ankündigungspolitik, die potentielle Entscheidungen nur beschreibt, solche aber niemals herbeiführt. Denn letzteres ist in einer Demokratie ein viel zu langwieriges Unterfangen. An dessen Ende dann auch immer nur ein verwässerter Kompromiß steht. Glücklicherweise, denn Demokratie bedeutet gerade nicht eine Diktatur der Mehrheit, sondern einen Ausgleich divergierender Interessen. Auch wird in unserem System eine Konzentration der Macht auf allzu destruktive Kräfte wirksam verhindert.

Der kluge Politiker weiß, wie destruktiv ein wirksamer Klimaschutz wirklich wäre. Er ist sich klar darüber, einen solchen niemals durchsetzen zu können. Ein Dilemma, wenn er auf der anderen Seite den Besorgten vermitteln möchte, das vermeintliche Problem nicht nur erkannt zu haben, sondern auch tatkräftig an der Lösung zu arbeiten. Er kann nicht wirklich etwas tun, er will es vielleicht auch nicht wirklich, aber alle sollen das Gegenteil denken.

Die Lösung ist, Ziele zu definieren, die man auch ohne jedes Zutun erreicht. Hierzu sind Entwicklungen zu identifizieren, die sich über den betrachteten Zeitraum mit großer Sicherheit als stabil erweisen werden und automatisch zu den gewünschten Resultaten führen. In der Klimapolitik hat unsere Bundesregierung diesen Trick schon mehrfach angewendet. Im Jahr 1995 gab man bekannt, den Ausstoß an Kohlendioxid bis zum Jahr 2005 um 25% gegenüber dem Referenzjahr 1990 zu senken. Das war zu hoch gegriffen, man kam auf 15%. Das hat deswegen niemand bemerkt, weil man im Jahr 2000 ein neues Ziel formulierte: 40% bis 2020. In 2005 wurde dies bekräftigt und gilt bis heute. Warum eigentlich 2020? Warum eigentlich 40%? Diese Werte sind nicht gewürfelt. Um das zu verstehen, hilft ein Blick auf einen entscheidenden Parameter: den jährlichen Kohlendioxid-Ausstoß pro Einwohner.

Bei all den vielen statistischen Daten und hochgerechneten Szenarien, die man sich in der Klimadebatte an den Kopf wirft, taucht dieser Wert überraschend selten auf. Dabei ist er von zentraler Bedeutung, denn es handelt sich hier um eine Größe, die nicht beliebig wachsen oder sinken kann.

Der begrenzende Faktor ist die Zeit. Jeder Tag hat für jeden von uns nur 24 Stunden und in dieser Spanne ist unbegrenztes Konsumieren schlicht nicht möglich. Man mag mehrere Autos besitzen, gefahren werden kann immer nur eines. Und es ist entweder möglich, mit der Bahn, mit dem Flugzeug oder mit dem Wagen unterwegs zu sein – aber nicht in allen zur gleichen Zeit. Man mag mehrere Häuser oder Wohnungen sein eigen nennen, die nicht vermietet sind, klimatisieren wird man in der Regel aber nur die Immobilie, in der man sich gerade aufhält. Man kann einfach nicht beliebig viel essen oder trinken, man kann nicht beliebig viel telefonieren, am Computer arbeiten oder fernsehen.

Alle Tätigkeiten also, die mit der Nutzung fossiler Energieträger verbunden sind, lassen sich nicht beliebig ausweiten. Irgendwann sind in einem sich entwickelnden Land die Grundbedürfnisse der Menschen nach Nahrung, Kleidung, Wohnraum, Kommunikation und Mobilität gestillt. Die Pro-Kopf-Emissionen steigen nicht weiter an, wenn nicht völlig neue, energieintensive Produkte neue Märkte eröffnen.

Historische Daten der Kohlendioxid-Emissionen, die für die folgenden Bilder dem Programm Gapminder World entnommen wurden, bestätigen diese These.

pro-Kopf1

Man erkennt außerdem die sich beschleunigende Geschwindigkeit der industriellen Revolution in den einzelnen Ländern. Für Großbritannien kann das Startjahr um 1700 mit dem Übergang von Holz- zu Kokskohle in der Eisenverhüttung angesetzt werden. Etwa 200 Jahre danach war das Plateau der Pro-Kopf-Emissionen erreicht. Die USA und Deutschland profitierten durch wirtschaftliche Verflechtungen natürlich von diesem Vorreiter und schafften es in etwa 120 Jahren. Italien, hier mal als Nachzügler ausgewählt, bei dem die Industrialisierung eigentlich erst nach dem Zweiten Weltkrieg richtig begann, benötigte nur mehr 50 Jahre. Könnten es die im nachfolgenden Diagramm im Vergleich zu Großbritannien dargestellten Schwellenländer China, Indien und Brasilien ebenso schnell schaffen? Im Falle Chinas scheint das Maximum bis 2030 erreichbar.

pro-Kopf2

Eine weitere für die Klimapolitik relevante Beobachtung ist das Absinken der Pro-Kopf-Emissionen nachdem sich der obere Schwellenwert eingestellt hat. Der Wettbewerb auf gesättigten Märkten befördert die Effizienz. Das gilt für Heizungen und Kraftfahrzeuge ebenso, wie für Kraftwerke und industrielle Produktionsanlagen. Natürlich sind hier physikalische Grenzen der möglichen Wirkungsgrade zu beachten. Es wird ein Minimum geben, dessen weiteres Unterschreiten nur mit wirklichem Verzicht und entsprechenden Wohlstandseinbußen verbunden wäre. Die Höhe dieses unteren Schwellenwertes ist in erster Linie von der Geographie der betrachteten Region abhängig. So sind in den USA die zurückzulegenden Entfernungen größer und die klimatischen Bedingungen extremer als in Europa. Daher wird ein typischer US-Bürger zur Erfüllung seine Bedarfe auch in Zukunft mehr fossile Brennstoffe einsetzen müssen, als der durchschnittliche Europäer.

PrinzipBedarf

In Europa könnte sich der Wert bei etwa 5-7 Tonnen Kohlendioxid pro Einwohner und Jahr einpendeln, in den USA bei etwa 10-12. Letzteres entspräche einer Reduktion um etwa 25% gegenüber dem heutigen Stand. Moment mal. Ist das nicht genau der Wert, den Präsident Obama in seinem von vielen als „historisch“ angesehenem Klimadeal mit China versprochen hat? Während China im Gegenzug nur das Ziel formulierte, die Emissionen ab 2030 auf hohem Niveau einzufrieren?

Man erkennt hier zwei Dinge. Eine rationale Klimapolitik, die sich durch realistische Ziele auszeichnet, fällt nicht vom Himmel. Sie basiert auf gründlichen Analysen. Da sich der Individualverkehr in der Luft oder auch der Weltraumtourismus in den kommenden 15 Jahren eher nicht zu Massenmärkten entwickeln werden,  haben China und die USA eine gute Chance, die formulierten Ziele von ganz allein zu erreichen. Auch ohne weitere Maßnahmen. Wenn denn die Einwohnerzahlen nicht in einem Ausmaß ansteigen, das trotz Effizienzgewinnen zu höheren absoluten Emissionen führt. Letzteres ist auf diesem Planeten fast ausschließlich für die Entwicklungs- und einige Schwellenländer zu erwarten – aber eben nicht für China und auch nur in einem begrenzten Ausmaß für die USA. Der zweite Aspekt der gegenwärtigen Klimapolitik lautet daher: Sie richtet sich gegen aufstrebende Volkswirtschaften, denen das Aufholen gegenüber der entwickelten Welt erschwert werden soll. Uns hier im Westen fällt es vergleichsweise leicht, relative Minderungen zu erzielen. Wenn man bei deren Formulierung nicht überdreht.

Im Jahr 2000 sah sich die Bundesregierung also in einer Situation, in der sowohl die demoskopischen Vorhersagen als auch die Effizienzsteigerungen in der Wirtschaft – in Teilen natürlich induziert durch die Modernisierung im Ostteil Deutschlands – eine scheinbar ehrgeizige Zielmarke rechtfertigten.

Mein Lieblingsbeispiel für eine Entwicklung, die Politik nur nutzt, ohne sie zu prägen, ist die Entwicklung der Verbrauchswerte bei PKW. Das folgende Bild zeigt den Durchschnittswert nicht nur für die Neuwagen (hier wäre der Verlauf viel steiler), sondern für den Bestand. In 1996 wurden mit der Norm Euro 2 erstmals Grenzwerte für den Kohlendioxid-Ausstoß von Dieselfahrzeugen festgelegt, in 2005 mit Euro 4 erstmals solche für Ottomotoren. Den Trend hat das nicht verändert oder geprägt, denn in Wirklichkeit folgte die Politik hier nur den vorgezeichneten technischen Innovationen.

EffizienzPKW

Auch bei Nutzfahrzeugen, bei Eisenbahnen und Flugzeugen haben sich entsprechende Entwicklungen eingestellt. Im Verkehrsbereich sind Energiebedarf und Fahrleistung längst voneinander entkoppelt. Die Entwicklung des Brennstoffeinsatzes (erforderlicher Primärenergieeinsatz je Personenkilometer) zeigt dies eindrücklich.

Brennstoffverkehr

Gleichartige Trends waren im Jahr 2000 und auch noch (schon mit Abstrichen) in 2005 für allen anderen emissionsintensiven Sektoren, etwa in der Stromproduktion, im produzierenden Gewerbe und bei den privaten Haushalten (Heizenergie) zu beobachten. Die Idee einer Reduktion des Ausstoßes von Treibhausgasen um 40% bis 2020 erschien einfach als Notierung der Dinge, die ohnehin geschehen würden. Verknüpft mit der Einführung eines wirkungslosen Emissionshandels auf europäischer Ebene etablierte man auf diese Weise eine Klimapolitik ohne Zumutungen.

THGDeutschland

Wie obiges Bild zeigt, kam es anders. Heute sind viele sehr aufgeregt, weil es nicht mehr so aussieht, als könne das 40%-Ziel erreicht werden. Woran die Regierung selbst schuld ist.

Man konnte es ja nicht bei der Zielformulierung und dem Emissionshandel belassen. Nein, man mußte unbedingt auch noch den Strommarkt in Deutschland durch das im Jahr 2000 verabschiedete EEG umkrempeln und eine Energiewende beginnen. Die erstens den Emissionshandel durch Verlagerungseffekte auf europäischer Ebene unterläuft und zweitens auch noch das Vertrauen der Industrie in den Standort Deutschland untergräbt.

Was die Energiewende für die Effizienz der Stromerzeugung in fossilen Kraftwerken bedeutet, hat Rudolf Kipp in seinem Artikel “Erneuerbare Energien” führen zu höheren CO2-Emissionen bereits ausführlich beschrieben. Kurz gesagt bleiben die Fortschritte in der Effizienz thermischer Kraftwerke wirkungslos und der Brennstoffeinsatz sinkt nicht in dem Maße ab, wie es möglich wäre.

Auch in der gewerblichen Wirtschaft werden mögliche Effizienzgewinne durch die Zurückhaltung von Investitionen nicht mehr vollständig realisiert. Man fährt, insbesondere in der energieintensiven Produktion, die Anlagen auf Verschleiß. Die Verlangsamung des Absinkens der Brennstoffintensität (Brennstoffeinsatz je Bruttoproduktionswert BPW respektive Bruttowertschöpfung BWS) wird in den beiden folgenden Grafiken deutlich.

BrennstoffIndustrie

BrennstoffGHD

Man hätte es so einfach haben können. Ein Ziel formulieren, das auch ohne weitere Maßnahmen erreicht wird, einen Emissionshandel etablieren, der den Standort nicht beschädigt aber in gewissem Umfang Mehrwertsteuereinnahmen generiert – und schon ist das Thema Klimaschutz erledigt. Der Alarmist wird die Nutz- und Wirkungslosigkeit dieses Ansatzes natürlich erkennen. Schließlich kann es nach dessen Auffassung nicht um die Stabilisierung von Emissionen auf hohem Niveau gehen, sondern um eine deutliche und schnelle Reduzierung der Treibhausgas-Konzentration in der Atmosphäre. Aber der kluge Politiker weiß, wie schwierig es für den Alarmisten wird, mit dieser Botschaft die schweigende, am Thema wenn überhaupt nur am Rande interessierte Bevölkerungsmehrheit zu mobilisieren. Denn der kluge Politiker hat die besseren und wirksameren Kommunikationskanäle, um dem Wahlvolk die einschläfernde Botschaft zu vermitteln: „Alles wird gut. Denn wir kümmern uns.“ Auch wenn das gar nicht stimmt, ist es in gewisser Weise trotzdem verantwortlich. Als kluger Politiker weiß man schließlich, wie leicht das Eingreifen in komplexe und vernetzte Prozesse zum Gegenteil dessen führt, was man eigentlich intendiert. Der kluge Politiker macht keine Energiewende, die weder zu mehr Emissionsreduzierung noch zu mehr Wertschöpfung und Wohlstand beiträgt. Ohne EEG wäre man in der Klimapolitik wahrscheinlich noch immer auf Kurs. Kein Klimaschutz ist hierzulande der bessere Klimaschutz.

Zuerst erschienen auf science-skeptical.de

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Elmar Oberdörffer

Sie schreiben wiederholt von "klugen Politikern". Wo sind die denn? Wenn ich mir anschaue, was für eine unkluge Politik auf allen Politikfeldern gemacht wird, dann kann ich keinen klugen Politiker finden. Die Klugheit der Politiker beschränkt sich wohl auf die Pflege ihrer Karriere. Weiter reden Sie von Klimapolitik und Schutz des Klimas, als ob das etwas Reales wäre. Dabei ist das behauptete AGW und daraus abgeleitet die Notwendigleit des Klimaschutzes nur ein grandioser Betrug. Es gibt keinerlei Messungen, die einen Zusammenhang zwischen dem Anstieg des CO2-Gehalts der Atmosphäre und der seit dem Ende der letzten kleinen Eiszeit beobachteten Erwärmung belegen. Daher gibt es auch keinen Grund, die CO2-Emissionen der Menschheit zu begrenzen. Da jedoch ein höherer CO2-Gehalt das Gedeihen der Pflanzen fördert, höhere Erntereträge ermöglicht und zur Wiederbegrünung von Trockengebieten beiträgt, sollte der anthropogene CO2-Ausstoß nicht betsraft, sondern belohnt werden.

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