Kein Gas – und was dann folgt

Jetzt hat Russland seine Drohungen wahr gemacht und die Gaslieferungen an die Ukraine gestoppt. Die nach Westeuropa enden jedoch nicht, auch wenn sie via Ukraine gehen. Was vorerst problemlos geschieht.

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Im warmen Juni ist zwar die Relevanz dieses Stopps noch gering. Aber vom Zeitpunkt unabhängig ist es dringend notwendig, alle Fakten zu kennen. Was im Westen nur selten der Fall ist.

Diese Fakten sind auf den ersten Blick widersprüchlich. Und jede Seite nennt nur die ihre günstigen.

     

  1. Die Ukraine ist eindeutig die Bezahlung des russischen Gases schuldig.
  2. Russland hat ebenso eindeutig den Preis für Lieferungen an die Ukraine aus politischen Gründen signifikant erhöht, seit die Bevölkerung des Landes mit großer Mehrheit klargemacht hat, dass sie zu Europa, nicht Russland gehören will.
  3. Wenn es nicht zu einer Einigung kommt, werden sich mit Sicherheit spätestens an kalten Tagen wieder ukrainische Gemeinden an dem Richtung EU auf die Reise geschickten Gas bedienen. Denn selbst wenn dieses eindeutig wem anderen gehört, wird kein Bürgermeister, kein Provinz-Chef die Menschen erfrieren lassen, wenn gleichzeitig durch sein Gebiet das potentiell wärmende Gas fließt. Damit hat auch Europa ein Problem.
  4. Der Ersatz des russischen Gases durch andere Lieferanten ist möglich – aber nur langfristig. Denn vorher müssen die Terminals und Leitungen dafür gebaut werden. Kurzfristig ist also Moskaus Erpressungspotential groß.
  5. Je härter Russland den Gaskrieg weitführt, umso mehr und umso rascher werden an Russland vorbeigehende Importe an Bedeutung gewinnen. Denn als Folge steigen ja Gas-, Öl- und Strompreis, was jede Investition interessanter macht. Was langfristig die Bedeutung Russlands abnehmen lassen wird.
  6. Wenn die EU und die Ukraine geschlossen auftreten, hat Russlands mittelfristig angesichts seiner massiven Abhängigkeit vom Gasgeschäft keine echten Alternativen. Alle, die da anderes sagen, sind entweder kurzsichtig oder Agenten Russlands.
  7. Es ist ein Kompromiss im Interesse aller Beteiligten zwar absolut logisch, aber angesichts des zunehmenden Stellenwerts des russischen wie des ukrainischen Nationalismus eher fraglich.
  8. Die von beiden Ländern erfolgende Anrufung eines westlichen Schiedsgerichts macht zumindest Hoffnung. Man will also die Lösung zumindest in diesem Fall letztlich doch rechtlich erreichen.
  9.  

Weiterlesen auf: andreas-unterberger.at

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Marcel Elsener

'Russland hat ebenso eindeutig den Preis für Lieferungen an die Ukraine aus politischen Gründen signifikant erhöht, seit die Bevölkerung des Landes mit großer Mehrheit klargemacht hat, dass sie zu Europa, nicht Russland gehören will.'

Das kann man auch anders ausdrücken: Bislang hat Russland der Ukraine aus politischen Gründen Sonderkonditionen beim Gaspreis eingeräumt. Nach Einschätzung Russlands sind die politischen Gründe zur Gewährung von Sonderkonditionen inzwischen weggefallen, wodurch die Ukraine nun für das Gas die üblichen Marktpreise bezahlen muss. Das ist hart für die Ukrainer, aber jeder Anhänger des Freimarktes wird das als völlig normalen Vorgang akzeptieren müssen. Von einem Gaskrieg kann hier nicht die Rede sein. Der läge nur vor, wenn Russland aus politischen Gründen prinzipiell kein Gas mehr an die Ukraine liefern würde, was einer Blockadepolitik entspräche.

'Wenn die EU und die Ukraine geschlossen auftreten, hat Russlands mittelfristig angesichts seiner massiven Abhängigkeit vom Gasgeschäft keine echten Alternativen. Alle, die da anderes sagen, sind entweder kurzsichtig oder Agenten Russlands.'

Hier überschätzt Herr Dr. Unterberger den politischen Einfluss der EU masslos. Worin soll das geschlossene Auftreten gegenüber Russland denn bestehen? Abnahmeboykott beim Gas? Damit würden sich gewichtige EU-Staaten kurzfristig ins eigene Fleisch schneiden. Gas ist ein auf dem Weltmarkt nachgefragter Rohstoff. Mittel- bis langfristig wird Russland sein Gas halt über andere Vertriebswege (z.B. über China oder vielleicht über Mittel- und Südasien) in den Weltmarkt einspeisen können. Das werden weder die EU noch die USA verhindern können.

Oder will man anderweitig Druck auf Russland ausüben? Z.B. durch symbolische Einreiseverbote für hochrangige russische Politiker/Funktionäre? Durch Ausschluss aus kartellähnlichen Organisationen wie der G8 oder IMF? Durch Ausschluss aus Schwatzvereinen wie der OECD oder OSZE? Oder doch lieber durch ein kindisches Ausbuhen von russischen Vertretern an internationalen Wettbewerben wie dem ESC? Das alles mag zwar Balsam für die geschundene westliche Seele sein, ist aber weltpolitisch weitgehend irrelevant.

Man muss die Tatsache akzeptieren, dass Russland wieder als handlungsfähige Grossmacht in die internationale Politik zurückgekehrt ist und seine Stärken nun voll ausspielt. Eine solche Grossmacht kann man nicht einfach international isolieren und erwarten, dass sich jeder auf dieser Welt an die Order aus Washington und Brüssel hält. Das hat noch nicht einmal beim Winzling Kuba richtig funktioniert – bei Russland wird man damit grandios scheitern.

Den Ukrainern nützen jedoch solche globalpolitische Pokerspiele nichts. Sie sind nicht bloss von Gaslieferungen aus Russland abhängig, sondern auch mehr als die Hälfte ihrer Exporte geht nach Russland. Ob es den Ukrainern passt oder nicht: sie sind aufgrund dieser harten Fakten auf absehbare Zeit mit Russland in einer Art wirtschaftlichen Interessengemeinschaft verbunden. Aus dieser strategischen Sicht war der Majdan-Aufstand schlicht und ergreifend töricht. Präsident Janukowitsch hatte nämlich wenigstens zwei grosse Vorteile: er vermochte das zerrissene Land Ukraine einigermassen zusammenzuhalten und war in Moskau als Verhandlungspartner akzeptiert. Sein Nachfolger vermag weder das eine noch das andere, wie sich jetzt gerade zeigt.

Gravatar: Makarenko

"Wenn die EU und die Ukraine geschlossen auftreten, hat Russlands mittelfristig angesichts seiner massiven Abhängigkeit vom Gasgeschäft keine echten Alternativen. Alle, die da anderes sagen, sind entweder kurzsichtig oder Agenten Russlands."
Schon mal was vom Gasvertrag von China und Rußland gehört, der dieses Jahr abgeschlossen
wurde! Wer sagt den das es für Rußlandsrohstoffe keine Alternative gibt als Europa?
Alle, die da anderes sagen, sind entweder kurzsichtig oder Agenten der USA. :-)

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