Ist mehr Staat die bessere Therapie?

Versprechungen sind das Wunderelixier im Wahlkampf, egal wie realistisch sie sind. Auch in der Gesundheitspolitik der Linken soll das Unmögliche möglich gemacht werden.

Veröffentlicht:
von

 

Gesundheit ist ein besonderes Gut, dass man nicht dem Markt überlassen könne, ist eine häufig verwendete Floskel linker Politiker. Tatsächlich ist der Markt für Gesundheitsleistungen ein sensibles Thema, da es anders als beim Kauf eines Kühlschrankes oder einer Kinokarte nicht selten um Leben und Tod geht. Gesundheitsmärkte müssen ein hohes Maß an verlässlicher Qualität bieten und sollen gleichzeitig in der Lage sein, auch Menschen mit geringem Einkommen eine angemessene Behandlung zu ermöglichen.

Unser heutiges Gesundheitssystem funktionierte lange Jahre, ohne das uns seine fundamentalen Schwächen besonders ins Auge fielen. In Bismarcks Zeiten konzipiert, war das Umlageverfahren zur Finanzierung der Gesundheitsleistungen solange kein Problem, wie eine breite Basis junger Menschen eine vergleichsweise geringe Anzahl alter Menschen zu versorgen hatte. Heute hat sich diese Situation grundlegend geändert. Immer weniger junge Menschen müssen die Gesundheitsleistungen eines wachsenden Anteils immer älter werdender Menschen in der Bevölkerung finanzieren. Der Generationenvertrag stößt an seine Grenzen und macht uns schmerzvoll die Konstruktionsfehler des derzeitigen Gesundheitssystems bewusst.

Die Patienten bestimmen die Nachfrage nach medizinischen Leistungen, müssen aber die von ihnen verursachten Kosten nicht direkt tragen. Sie bekommen nicht einmal die Rechnung für ihren Arztbesuch zu Gesicht. Kein Wunder, dass die Patienten oft geneigt sind, die Leistungen der sich aus einem gemeinsamen Pool finanzierenden Krankenkassen übermäßig in Anspruch zu nehmen. Ein Vergleich von Nutzen und Kosten von Gesundheitsleistungen wird von den Patienten nicht ernsthaft in Erwägung gezogen, ein Verhalten, das im normalen Leben eines Konsumenten alsbald den Ruin provozieren würde. Auch der Arzt bestimmt die Nachfrage nach medizinischen Leistungen des Patienten, doch weder Patient noch Krankenkasse besitzen die notwendigen Informationen, die Relation von Aufwand und Ertrag der ärztlichen Behandlung genau einschätzen zu können. Folglich ist es schwierig, die Kosten der Leistungserstellung in angemessenen Grenzen zu halten. Zudem werden die Vergütung der Ärzte und ihre Verteilung nicht durch den Wettbewerb im Gesundheitsmarkt bestimmt, sondern von den kassenärztlichen Vereinigungen, die wie Gewerkschaften mit Zwangsmitgliedschaften ihre Mitglieder in ein kostentreibendes Kartell zwingen. Schließlich folgt die den Bundesländern obliegende Krankenhausbedarfsplanung nicht allein gesundheitspolitischen Notwendigkeiten, sondern auch anderen regionalpolitischen Gesichtspunkten. Vor diesem Hintergrund divergierender Interessen lässt sich die Gesundheitsexplosion im Gesundheitswesen nur schwer in Schach halten.

Doch wie reagiert DIE LINKE auf diese Herausforderung? Der Leistungskatalog soll weiter ausgedehnt werden, Zuzahlungen abgeschafft und der Anspruch auf Routineleistungen wie Brillen und Zahnersatz wieder eingeführt werden. Effektivität und Qualität der medizinischen Versorgung sollen nicht der Wirtschaftlichkeit untergeordnet werden. Die Versorgung soll bedarfsgerecht und wohnortnah sein und mit einer Förderung unterversorgter Gebiete einhergehen. Privatisierungen sollen gestoppt und die staatliche Planung und Finanzierung der Krankenhäuser erhalten werden. Die Nachfrage der Linken nach zusätzlichen Leistungen ist damit bei weitem nicht erschöpft. Das klingt zunächst sehr engagiert, hat weist jedoch das Manko auf, dass keine Aussage getroffen wird, wie man sicherstellen will, dass im Zuge dieser Maßnahmen auch ein vernünftiges Verhältnis von Kosten und Nutzen eingehalten wird.

Noch mehr Leistungen, die eigentlich planbar sind und damit von jedem selbst angespart werden können, sollen sich wieder auf die Allgemeinheit abwälzen lassen, wo doch gerade dieses Trittbrettfahrerverhalten einer der wichtigsten Kostentreiber des Gesundheitswesens ist. Statt einen Eigenanteil an den Gesundheitskosten als Anreiz für einen bewussten Umgang mit den Mitteln des Solidarsystems zu akzeptieren, wird das Anspruchsdenken der Versicherten und der unverantwortliche Umgang mit den kollektiven Beiträgen aller Versicherten gefördert. Statt die kartellartigen Strukturen in der Vergütung von Ärzten und Krankenhäusern aufzubrechen, soll mehr Staat in der Krankenhausplanung die Lösung bringen. Doch solange die Anreizstrukturen sich hier nicht ändern, kann auch die ambitionierteste staatliche Kostenplanung nicht viel erreichen, es sei denn man nimmt Einbußen in der Behandlungsqualität und eine weitere Rationierung der Gesundheitsleistungen in Kauf.

Für die Finanzierung dieses Forderungskatalogs sollen nach Ansicht der Linken zukünftig alle Berufsgruppen und Einkommensarten herangezogen werden. Man reagiert auf die selbst herausgeforderte Kostenexplosion mit dem Zugriff auf alle denkbaren Finanzierungsquellen, wohl wissend, dass in einem System aus Anspruchsdenken und ohne systematische Anreize zur Wirtschaftlichkeit ein Ausbluten der Wirtschaftskraft der Bürger immer wahrscheinlicher wird. Schon heute machen die Lohnnebenkosten den Wirtschaftsstandort Deutschland zu einem teuren Pflaster und vielen deutschen Arbeitnehmern bleibt trotz ihrer vergleichsweise hohen Arbeitsproduktivität immer weniger Netto vom Bruttolohn. Wie diese Abwärtsspirale mit einem gesundheitspolitischen Einheitsmodell, das alle Menschen über einen Leisten schlägt und keinen Platz für Wahlfreiheit und eigenverantwortliches Handeln lässt, aufgehalten werden soll, wird von den linken Parteien nicht beantwortet. Vielleicht auch deshalb, weil diese unangenehmen Fragen angesichts der großspurigen Versprechungen von den Wählern ebenfalls gern verdrängt werden.

 

Für die Inhalte der Blogs und Kolumnen sind die jeweiligen Blogger verantwortlich. Die Beiträge der Blogger und Gastautoren geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion oder des Herausgebers wieder.

Ihnen hat der Artikel gefallen? Bitte
unterstützen Sie mit einer Spende unsere
unabhängige Berichterstattung.

Abonnieren Sie jetzt hier unseren Newsletter: Newsletter

Kommentare zum Artikel

Bitte beachten Sie beim Verfassen eines Kommentars die Regeln höflicher Kommunikation.

Keine Kommentare

Schreiben Sie einen Kommentar


(erforderlich)

Zum Anfang