Ist eine Börsenumsatzsteuer nachhaltig?

Seit Jahren geistert die Börsenumsatzsteuer als Patentrezept gegen Spekulationen und Finanzkrisen durch diverse Gutachten und Medien. Der Nachhaltigkeitsrat will sie jetzt in den Dienst der Umwelt stellen. Kann das funktionieren?

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Im jüngst vom Rat für nachhaltige Entwicklung veröffentlichten Gutachten „Nachhaltig aus der Krise“ kann man folgendes lesen:

"Börsenumsatzsteuer: Bei der Börsenumsatzsteuer würden Börsentransaktionen mit einer einheitlichen, geringen Steuer belegt werden. Insbesondere kurzfristige Geschäfte würden damit weniger profitabel. Insofern zielt diese Steuer nicht auf eine ökologische Lenkungswirkung ab, sondern darauf, die Rahmenbedingungen für längerfristige Investitionen zu verbessern. Es steht zu erwarten, dass hiervon auch Investitionen in Energieeffizienzmaßnahmen oder Umweltschutztechnologien profitieren könnten: Solche Investitionen zahlen sich oft nur mittel- bis langfristig aus, an den Finanzmärkten sind aber in der Regel die kurzfristigen Gewinnerwartungen entscheidend, was die Orientierung auf kurzfristige Renditeziele verstärkt. Diese Orientierung steht jedoch oft im Konflikt zu der langfristigen Perspektive, die für die Erreichung von Nachhaltigkeitszielen gefordert ist. Sofern die anstehende Reform der Finanzmärkte, die durch die Finanzkrise aufs Tapet gebracht wurde, diesen Fokus auf kurzfristige Gewinnerwartungen korrigiert, stärkt sie auch die Position langfristig orientierter Investoren, was letztlich auch vielen Umwelt- und Nachhaltigkeitsinvestitionen zu Gute kommen kann. Neben neuen Regulierungen der Finanzmärkte könnte auch die (höhere) Besteuerung kurzfristiger Börsengewinne dazu beitragen, das Marktgeschehen zu entschleunigen, da kurzfristige Transaktionen mit Finanzderivaten an Attraktivität verlieren würden."

Ursache für die in diesem Text gezogene Schlussfolgerung, mit der Besteuerung von kurzfristigen Finanzmarkttransaktionen gewännen langfristige Investitionen an Attraktivität, sind gleich zwei Missverständnisse. Zum einen suggeriert der Text, dass der Handel mit Derivaten zu Lasten von längerfristigen Wertpapieren geht, zum anderen bleibt unberücksichtigt, dass die steuerliche Behinderung des Derivatehandels mit negativen Konsequenzen für den gesamten Kapitalmarkt, also auch langfristige Investitionen, einher geht.

Derivate sind finanzwirtschaftliche Verträge, die das Recht garantieren, ein vereinbartes Gut zu einem fixen Preis zu kaufen oder zu verkaufen. Tatsächlich wechselt kein materielles Gut an sich, sondern eine Option den Besitzer. Dem unterliegt jedoch ein Basiswert, also letztlich der Handel mit einem „real“ existierenden Gut. Das können Aktien oder Anleihen, also Besitztitel an Vermögensgegenständen, oder Handelsgegenstände wie Rohstoffe, Devisen und andere Güter sein. Der Handel mit Derivaten ist somit wie der Handel mit allen anderen Kapitalanlagen nichts anderes als der Tausch bestehender Vermögenstitel, die für sich genommen entweder Versprechen einer bestimmten Teilhabe an Unternehmensgewinnen oder Nutzungsrechte an Handelsgütern verkörpern. Derivate versprechen die finanzielle Kompensation von Investitionsrisiken, fungieren somit wie der Erwerb einer Risikoversicherung. Anbieter von Derivaten übernehmen für ein angemessenes Entgelt einen Teil des Investitionsrisikos. Über die ökologische Nachhaltigkeit per se, kann man bei keinem dieser Vermögenstitel eine Aussage machen. Zudem haben diese Transaktionen zu einem gegebenen Zeitpunkt keinen Einfluss auf das gesamte physische Investitionsvolumen, also die Menge an natürlichen Ressourcen, die nicht konsumiert wird, sondern als Ersparnis in investive Verwendungen fließt. Die obige Aussage, dass der Derivatehandel den Kapitalmarkt zuungunsten langfristiger Investitionen verzerrt stimmt allein deshalb nicht, weil er kurzfristig keinen negativen Einfluss auf die Menge investierter natürlicher Ressourcen hat.

Langfristige würde eine Börsenumsatzsteuer auf jeden Fall Wirkungen zeigen, jedoch nicht die von ihren Protagonisten intendierten. Da die Börsenumsatzsteuer, wie der Name es sagt, die Umsätze besteuert und damit den Handel mit Wertpapieren verteuert, erhöht sie gerade die Kosten einer langfristigen und sicheren Kapitalanlage. Zum einen verteuert sie den Kauf eines langfristigen Investitionsgutes gegenüber dem Erwerb von Konsumgütern, zum anderen erschwert sie den Derivatehandel, der für Kapitalanleger das Risiko von Preisschwankungen reduziert.

Ein Investitionsprojekt besteht für ein Unternehmen in aller Regel nicht aus einer einzigen Transaktion. Vielmehr wird es durch eine ganze Kaskade von Finanztransaktionen realisiert, so dass eine Besteuerung aller Einzelumsätze sich sehr schnell zu einer spürbaren Last für das Unternehmen auswächst. Teilfinanzierungen werden unterlassen, Währungsgeschäfte und damit Auslandsgeschäfte eingeschränkt sowie Finanztransaktionen zur Absicherung von Währungskurs- und Preisschwankungen unterlassen. All das führt dazu, dass Investoren eher geneigt sind Geschäfte in eigener Währung und im eigenen Währungsgebiet abzuschließen. Weniger Arbeitsteilung reduziert die Effizienz der Produktion und der Zugang von Kapital in kapitalarmen Ländern wird erschwert.

Protagonisten der Börsenumsatzsteuer haben es in aller Regel vor allem Spekulationsgeschäfte abgesehen, die ihrer Ansicht nach die Kapitalmärkte destabilisieren. Doch ganz im Gegenteil sind diese notwendig für das Funktionieren von Investitionen. Schließlich können sich die Investoren durch den Handel mit Derivaten gegen Schwankungen von Preisen und Devisenkursen absichern. So kann ein Unternehmen, das mit dem Preisverfall seiner Produkte rechnet, Optionen kaufen, die ihm einen späteren Absatz zu einem stabilen Preis sichern. Oder es kann sich heute mit Optionen zum späteren Kauf von Rohstoffen zu einem gesicherten Preis eindecken und dadurch die Wirtschaftlichkeit einer Investition sicherstellen. Eine Börsenumsatzsteuer, die den Handel mit Derivaten beeinträchtig, erschwert die Versicherung langfristiger Investitionen, trägt also gerade nicht zur Verbesserung der Bedingungen für langfristige und nachhaltige Investitionen bei.

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