Im Gespräch mit Gott – Oder lieber nicht?

Ob das Gebetsleben gut oder weniger gut ist, sollte eine Einschätzung sein, die jeder von uns mit Gott selbst ausmacht (ein geistlicher Leiter zur Unterstützung schadet natürlich nicht, damit man sich nicht selbst ein zu positives Zeugnis ausstellt).

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Zum Thema Gebet hatte ich im letzten Monat zwei Beiträge (hier und hier) veröffentlicht, die möglicherweise zu dem Schluss Anlass geben, ich hätte das beste und ausgereifteste Gebetsleben seit Jesus Christus selbst sich zum Gebet zurück gezogen hat. Diesem Trugschluss möchte ich hier erst mal widersprechen und auch deutlich machen, dass ich diesen Eindruck nicht vermitteln wollte.

Überhaupt täte ich mich mit den Attributen „gut“ oder „schlecht“ hinsichtlich des Gebetslebens eines Menschen eher schwer. Denn was sollte das sein: ein Ordenspriester, nicht kontemplativ, verbringt vielleicht zwei bis drei Stunden des Tages bewusst im Gebet (Stundengebet, Betrachtungen, Rosenkranz, in dieses Umfeld würde ich auch die tägliche Messe fassen). Das ist sicher zeitintensiv und so umfangreich, dass es ein Laie so kaum zustande brächte.

Ich kenne aber Laien, die morgens eine Stunde im Gebet verbringen (übrigens, um auch dieses Vorurteil auszuräumen, das vielleicht bestehen mag, scheinen mir die intensivsten Laienbeter nicht zuletzt unter den Freikirchlern zu finden zu sein – das ist aber nur mein persönlicher Eindruck, nicht statistisch belegt), den Tag über Gebete an Gott richten und abends ein intensives Abend- und Nachtgebet absolvieren. Das kommt einem Ordensgebetsleben schon recht nahe und ist zeitlich deutlich mehr, als ich zustande bringe, und das liegt nicht nur an Arbeitszeiten und Kinderbetreuung.

Andererseits weiß ich von mir selbst, dass die zeitlich intensivsten Gebetszeiten, die ich manchmal einrichten kann, nicht immer die besten sind, hinsichtlich der Frage, ob ich mit Gott wirklich ins Gespräch gekommen bin. Manchmal nehme ich mir vor, jetzt aber ganz, ganz fest und viel mit Gott zu sprechen … und dann eiere ich doch zwischen Standardgebeten und dem krampfhaften Versuch, Gottes Stimme zu hören, hin und her. Und dann gibt es wieder Gebete zwischen Tür und Angel, die mich selbst mit Blick auf ihre Intensität überraschen.

Was ich damit sagen will: Ob das Gebetsleben gut oder weniger gut ist, sollte eine Einschätzung sein, die jeder von uns mit Gott selbst ausmacht (ein geistlicher Leiter zur Unterstützung schadet natürlich nicht, damit man sich nicht selbst ein zu positives Zeugnis ausstellt). Der Vergleich mit anderen ist dann legitim, wenn man sich daraus Anregungen zum Gebetsleben holt, nicht aber zur Bewertung des eigenen Gebetslebens (oder gar das des anderen). Für den einen ist ein zeitlicher Rahmen von ein paar Minuten täglich schon viel und herausfordernd, andere laufen bei einem Gebet ab einer halben Stunde erst richtig warm im Gespräch mit Gott – und das ist, jedenfalls bei mir, auch noch tagesformabhängig.

Eines möchte ich aber aus eigener Erfahrung gerne noch mitgeben (nicht, weil ich es in Perfektion beherrschte, sondern im Gegenteil, weil ich immer wieder selbst in diese Falle tappe). Dazu eignet sich wie so oft in der Beziehung zu Gott der Vergleich mit einer Freundschaft unter Menschen: Mit einem guten Freund sprechen wir gerne, und je öfter wir uns sprechen umso mehr sind wir in der Lage uns intuitiv zu verstehen. Und mit den Gesprächen wächst auch unser Verlangen, uns mit dem Freund auszutauschen, ihn in wichtigen und weniger wichtigen Situationen um Rat zu fragen, aber auch einfach mit ihm im Gespräch zu bleiben.

Reißt dieser Faden aber mal ab, sprechen wir uns plötzlich seltener oder eine Weile gar nicht, dann bleibt zwar grundsätzlich der Wunsch, wieder ins Gespräch zu kommen, aber der innere Drang nimmt ab einem bestimmten Zeitpunkt ab. Liegt die Verantwortung für dieses „Einschlafen“ dann auch noch bei uns, mag auch das ungute Gefühl dazu kommen, den anderen nun nicht mehr so ohne weiteres ansprechen zu können, ohne zu erklären, warum man sich so lange nicht gemeldet hat. So sprechen wir immer seltener, die zeitlichen Lücken werden größer und wir haben mit jedem Gespräch plötzlich das Gefühl, den anderen gar nicht mehr so genau zu kennen … und lassen es am Ende ganz, denn: es geht ja auch so!

Ähnlich, so meine Erfahrung, ist es mit unseren Gesprächen mit Gott: ein intensives Gebetsleben verstärkt sich quasi selbst, der Wunsch mit Gott zu sprechen wird von Gebet zu Gebet stärker – und hatte ich bislang vielleicht das Gefühl, fünf Minuten Gebet am Tag wären genug, erscheinen mir plötzlich viel längere Zeiten als nicht ausreichend. Ich lerne immer mehr, im Gespräch mit Gott zu bleiben, ihm zuzuhören, seine Themen für mich wahrzunehmen, ihn auch um Rat zu fragen. Das ist etwas, was ich für mich selbst als gutes Gebetsleben bezeichnen würde. Wird dieses Gebetsleben aber eingeschränkt, zum Beispiel weil die Zeit gerade nicht vorhanden ist, ich mich aus welchen Gründen auch immer gerade morgens zu müde fühle, sich andere Dinge in den Vordergrund schieben, „leben wir uns plötzlich auseinander“. Der innere Drang zum Gebet bleibt zwar bestehen, er lässt sich aber immer leichter durch „Ausreden“ nachrangig erscheinen. So schläft das Gebetsleben – mal mehr mal weniger schnell – ein und ich habe irgendwann den Eindruck, das Gebet sei gar nicht mehr nötig, oder das eine oder andere Stoßgebet oder das kurze Gebet bei der Fahrt zur Arbeit würde schon ausreichen.

Aber, im Fall von Gott wie im Fall des fiktiven Freundes: Pflegt man so Beziehungen? Und glauben wir wirklich, dass uns ein solches Verhalten nicht viel mehr schadet, als dem anderen? Ich habe jedenfalls schon Freunde verloren, weil die Beziehung eingeschlafen ist, wofür ich einen Großteil der Verantwortung durchaus bei mir sehe, und das sind Situationen, die mich dann immer mal wieder selbst betrüben. Mit Gott soll mir das aber in keinem Fall passieren. Denn „profitieren“, ohne dass ich hier über die reine Nützlichkeit des Gebetes sprechen möchte, tue in erster Linie ich selbst von dem Gebet. Gott freut sich über mein Gebet, er liebt es, mit mir zu sprechen, von mir befragt zu werden, mir zu antworten, natürlich freut er sich auch über meinen Dank oder mein Lob. Aber im Unterschied zu mir, „braucht“ er dieses Gespräch nicht. Ich kann Gott daher durchaus mit meiner Zeit, die ich für ihn reserviere, beschenken, der Schaden, es nicht zu tun, liegt aber bei mir.

Und das heißt umgekehrt auch, und da wackelt der Freundschaftsvergleich vielleicht ein bisschen: Gott ist nicht nachtragend! Während mir andere Freunde die Phase der Trennung vielleicht übel nehmen, ist Gott direkt wieder für mich da. Vielleicht muss ich selbst erst mal wieder das Zuhören lernen, aber Gott wird notfalls auch langsam sprechen, damit ich ihn verstehe. Eine Phase der Trennung, wie sie in jeder Freundschaft mal vorkommen mag, sollte mich, sollte uns also nicht abhalten, wieder das Gespräch mit Gott zu suchen: Er ist da und wartet auf uns und freut sich auf die gemeinsame Zeit!

Ebenfalls erschienen auf papsttreuer.blog.de

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Waldgänger aus Schwaben

Beten als Meditation oder formloses Sprechen mit Gott wie mit einem Freund, hat bei mir nie richtig geklappt. Ein Gebetsleben konnte ich erst entwickeln als ich begann täglich einen Rosenkranz zu beten. Nun hänge ich auch an jedes Gesätz einenformlosen kurzen Dank oder eine Bitte an Jesus an.

Ich integriere das Beten des Rosenkranzes in Kombination mit formlosem Gebet in den Alltag, z.B. beim Joggen, auf dem Weg zur Arbeit mit dem Fahrrad oder bei Spaziergang mit dem Hund. So ca. 20 - 30 Minuten täglich. Feste Zeiten und Rückzug zum Gebet hat bei mir auch nie funktioniert.

Das muss jeder selber raus finden. Am besten verschiedene Formen und Arten durchprobieren. In meiner Jugend und auch heute noch war und ist der Rosenkranz verpönt als Gebet für alte Frauen ohne intellektuellen Tiefgang. Deshalb habe ich erst spät dazu gefunden. Von solchn dummen Vorurteilen darf man sich bei der Suche nach der passenden Gebetsform nicht beeinflussen lassen.

Gravatar: Joachim Datko

Vorab: Es gibt keinen Teufel, es gibt keinen Gott

Zitat: "Gott ist nicht nachtragend! "
Da sind die mystischen Geschichten um den abrahamitischen Gott aber anders gestrickt. Man denke an die mystische Geschichte von der Vernichtung Sodoms und Gomorras durch einen rachsüchtigen "Gott". Aggressivität gehört als zweites Standbein zu den Religionen. Heute würde man so einen Gott mit Interpol suchen und Sicherungsverwahrung anordnen.

Bei uns in Regensburg haben im Januar weit über 1 Promille der Kirchenmitglieder das Weite gesucht ( 184 von ungefähr 109.000 ). Damit hatten wir einen Januarrekord bei den Kirchenaustritten. Zurzeit geht es um die Kirchensteuer auf Zinserträge. Die Kirchen haben genug Geld, der Kirchenaustritt kann viel Geld sparen.

Joachim Datko - Physiker, Philosoph
Forum für eine faire, soziale Marktwirtschaft
http://www.monopole.de

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