Im Blechnapf ist kein Tofu. Der Fall Jakob S.

Bei den „Squatting Days“ in Hamburg warfen Hausbesetzer Türen, Feuerlöscher, Heizkörper und andere schwere Gegenstände auf die Polizisten. Business as usual mit unüblichen Konsequenzen.

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Werner S., 64, steht auf der Hamburger Edelmeile Jungfernstieg, neben sich ein Plakat. Auf dem steht: „Elsner gib mir meinen Sohn zurück.“ Eine Szene, fast wie 1977 in Buenos Aires. Damals waren es Mütter der „Desaparecidos“, der Verschwundenen, die auf der Plaza de Mayo die Militärjunta anklagten. Werner S., Vater von vier Kindern, „ein Typ der leisen Worte“, fordert mehrmals in der Woche stumm die Freiheit seines Sohnes Jakob ein. Er hält auch vor dem Rathaus und dem Justizgebäudekomplex Mahnwache. Denn seit dem 27. August ist die Familie „des ehemaligen SPD-Mitglieds“ nicht mehr dieselbe. „Einer fehlt“, wie die „Hamburger Morgenpost“ in einem einfühlsamen Bericht über das Drama schreibt.

 

Was ist geschehen im Unrechtsstadtstaat Hamburg?

Die Vorgeschichte: Bei den „Squatting Days“, einem Chaoten-Treffen im Stadtteil Altona, hatten sich Ende August 70 Besetzer in einem leerstehenden Haus verbarrikadiert. Darunter auch Jakob, mit lila gefärbten Haaren und Lippenpiercings standesgemäß auf punky getrimmt. Als die Polizei anrückte, warfen die Besetzer aus dem obersten Stockwerk Türen, Feuerlöscher, Heizkörper und andere schwere Gegenstände auf die Beamten.

Das wäre an und für sich keine Nachricht. Fast jeden Tag werden in Hamburg Polizeibeamte angegriffen und - manchmal schwer - verletzt. Business as usual. Die Schläger und Steinewerfer stammen aus sehr unterschiedlichen Milieus. Bei Einsätzen rund um die „Rote Flora“, einem bundesweit bekannten Rückzugsraum für gewalttätige „Autonome“, wurden schon Molotowcocktails auf Polizisten geschleudert. Dass bei solchen Krawallen noch kein Beamter getötet wurde, verdankt die Polizei ihrer Schutzausrüstung, nicht den Hemmungen der Angreifer.

Was die Vorgänge an der Breiten Straße am 27. August ungewöhnlich machte, war dies: Die Staatsanwaltschaft war diesmal entschlossen, ein Zeichen zu setzten. Sie wertete das Verhalten der vermummten Randalierer als versuchten Totschlag. Fünf von ihnen waren in der Nacht des 27. August auf dem Grundstück hinter dem besetzten Haus festgenommen worden, darunter auch Jakob. Nach Auswertung von Videomaterial erwirkten die Staatsanwälte Haftbefehl gegen ihn.

Das war noch ungewöhnlicher. Denn normalerweise werden 20-Jährige, die Polizisten angreifen, sofort nach der Personalienfeststellung auf freien Fuß gesetzt, sofern sie irgendwo gemeldet sind. Jakobs „Mitstreiter“, wie die MoPo sie nennt, kamen nach einer Haftprüfung tatsächlich unter Auflagen frei. Nicht so Jakob, den die Staatsanwaltschaft aufgrund des Videomaterials für dringend tatverdächtig hält. Er sitzt seit nunmehr zwei Monaten in einer idyllisch gelegenen Jugendstrafanstalt ein.

„Der Vater glaubt an die Unschuld seines Kindes“, berichtet die MoPo. Er schlafe kaum noch, mache sich Sorgen: „Wenn er noch länger im Knast sitzt, wird Jakob gebrochen“. Werner S. hat die Seite „Freiheit für Jakob“ auf Facebook gestellt. „Er kritisiert auch die Haftbedingungen, sein Sohn sei in einer Einzelzelle, werde isoliert, ein Radio würde ihm verwehrt“. Auch Christiane Schneider von der Partei „Die Linke“, wo man sich dank der Parteigeschichte mit unmenschlichen Haftbedingungen gewiss gut auskennt, hat schon protestiert. Angeblich sei dem Inhaftierten in den ersten Tagen der Zugang zur Dusche verweigert worden, moniert sie in einer Kleinen Anfrage an den Hamburger Senat. Der lieferte dafür eine Erklärung, die aber Jakobs Unterstützer unmöglich beruhigen konnte.

Das alles, könnte man meinen, hält sich noch im üblichen Rahmen des Schweinesystems. Was Jakobs Schicksal aber zu einem Fall für den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte macht, ist jetzt durch seinen Vater publik geworden: Seinem Kind wird veganes Essen verwehrt! Also, statt Maiskolben an Räuchertofu oder Karotten-Kürbis-Curry mit Sojaschnetzeln zu futtern, muss Jakob womöglich eklige Cheeseburger oder gar Currywürste mit Pommes Schranke runterwürgen.

Das ist Folter, Euer Ehren! Solange Jakob in den Fängen der Klassenjustiz schmort, muss er wenigstens glaubensgerecht verpflegt werden. Wir fordern von Attila Hildmann, Deutschlands oberstem Veggie-Koch: Machen Sie sich unverzüglich zur JVA Hahnöfersand auf, im Gepäck einen großen, koscheren Fresskorb. Es geht um Leben und Tod! Für Medienbegleitung ist gesorgt.

www.mopo.de/nachrichten/inhaftierter-hausbesetzer-vater-klagt—-gebt-mir-endlich-meinen-sohn-zurueck-,5067140,29072188.html

Beitrag erschien zuerst auf: achgut.com

 

 

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