Das Novotel in Hongkongs Nathan Road wird vor allem von Europäern, Amerikanern und anderen Westlern geschätzt, auch von Japanern und Koreanern. Es bietet gehobenen Mittelklassestandard. 120 Euro für ein Doppelzimmer sind relativ günstig angesichts der guten Lage an einer Haupteinkaufsmeile von Kowloon, nur einen Katzensprung entfernt von der Touristenattraktion Night Market. Doch das ist längst nicht alles. Sobald der Gast sein Zimmer betritt, erlebt er ein grünes Wunder. Im Bad warten ein Extra-Container für Recycling-Müll und eine frohe Botschaft auf ihn. Wenn der Gast fünf der Handtücher nicht gleich nach der ersten Benutzung in die Wäsche gibt, passiert novotelseitig Folgendes: „We pledge to plant 1 tree in partnership with the United Nations Environment Programme’s Billion Tree Campaign.“ To plegde heißt geloben.
Im Bad stehen natürlich nicht die üblichen, weltzerstörerischen Shampoos, Seifen und oder gar chemisch intoxiniertes Teufelszeug. Sondern Produkte, die „eco-labeled and certified by an independent organisation“ sind und deshalb „gentler for you and the planet.“ Wer sich fragen sollte, warum keine Gratis-Wasserflaschen auf dem Zimmer sind, wie das in dieser Hotelklasse üblich ist, erfährt am Waschbecken das grundgute Motiv. Man solle bitteschön lieber Leitungswasser trinken. Das reduziere den Verbrauch von Plastikmüll: „Thank you for supporting another of our hotel’s green initiatives.
Alles im Novotel kreist nämlich um „Planet 21“, ein „sustainable development programm“. Dem hat sich der französische Hotelkonzern Accor, wozu die Novotel-Kette gehört, ganz doll verschrieben. Die Welt zu retten, spart nämlich Ressourcen, und zwar vor allem die des Hoteliers. Gleichzeitig öffnet es ihm neue Einnahmequellen. Auf den wiederbenutzbaren Wäschebeuteln steht, sie seien „designed to help protect the environment.“ Man kann sie für zehn Hongkong Dollar erwerben und zuhause mit dem Weltretten fortfahren, wäschebeuteltechnisch.
„This room isn’t afraid oft the darkness“, scherzt ein Schild nahe der Eingangstür. Es ermahnt uns, gefälligst alle Lichter zu löschen, sobald wir einen Fuß aus der Tür setzen. Die Zimmerbeleuchtung kommt selbstredend aus Energiesparlampen und ist daher nicht besonders hell. Weshalb man sie auch nicht dimmen muss, was aber ohnehin nicht ginge. Ein Schild an der Stehlampenschnur bittet den hoffentlich ebenso nachsichtig wie nachhaltig gestimmten Hotelgast um Verständnis: „I regret to inform you that this dimmer is no longer functioning as we are now using low energy light-bulbs as part of our Earth Guest Programme.“
Abends ist die Stadt taghell. Hongkong ist vielleicht der am stärksten beleuchtete Platz der Welt, nach Las Vegas. Straßen, Hochhäuser, Läden, Lokale, alles üppig illuminiert, bis in die späte Nacht hinein. Die Klimaanlagen in den Büros, Shopping Malls, Restaurants, U-Bahnlabyrinthen laufen auf Hochtouren. Stromsparen wäre so ziemlich das letzte, was einem Hongkonger einfiele, fragte man ihn bei 32 Grad Celsius und 74 Prozent Luftfeuchte nach seinen nächsten Vorhaben.
Gut, dass eine tapfere Herberge aus diesem Häusermeer der Energie-Ignoranz beispielhaft herausragt. Das Novotel von Kowloon ist gewissermaßen Hongkongs Hotel Merkel. Es geht mutig voran! Die anderen werden bestimmt irgendwann folgen. Wie sagt Konfuzius? „Auch der weiteste Weg beginnt mit einem ersten Schritt.“ Allerdings stammt von ihm auch die Erkenntnis: „Menschen stolpern nicht über Berge, sondern über Maulwurfshügel.“
Beitrag erschien zuerst auf: achgut.com
Kommentare zum Artikel
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Ich sehe weniger im Auftreten des Hotels selbst ein Problem. Es handelt nur nach dem Motto "Tue Gutes und rede drüber".
Darüber, ob das "Gute" nun wirklich so gut ist, mögen sich die Gäste einig werden, die des Abendes ermattet vom vielstündigen Flug über tausende Kilometer guten Gewissens darüber räsonieren können, jetzt, nach Aufstocken der Vielfliegerpauschale, durch Buchung in der grünen Herberge, auch etwas für die Umwelt zu tun.