Hartz 4 und Gerechtigkeit

Im vorigen und in diesem Jahr wurde, nach vorangehenden längeren politischen Diskussionen, das Kindergeld um 10 bzw. 20 Euro pro Kind erhöht.
Allein: Alle Hartz 4 empfangenden Menschen bekommen ca. 2 Monate später einen Bescheid von der ARGE, dass sie nun entsprechend weniger Unterstützung bekommen und das Geld, auch für die vergangenen Monate, zurückzahlen müssen!

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Es handelt sich um Familien, die zum Teil am 20. des Monats nicht mehr wissen, was sie den Kindern zu Essen geben sollen, geschweige denn, wie sie irgendwelche Zusatzausgaben (noch ein Schulbuch, neue Turnschuhe, weil die Alten zu klein sind, Geld für die Klassenkasse, ein Schwimmbadbesuch, neue Stifte, ein Geburtstagsgeschenk,....) finanzieren sollen.

Der Staat holt sich das Geld – über die Hartz 4-Gesetzgebung - ausgerechnet bei den Ärmsten der Armen - die es so dringend brauchen würden, um der ständigen wirtschaftlich prekären Lage zu entkommen - zurück!
Die Familie mit 150.000 Euro Jahreseinkommen spürt gar nichts von 30 oder 60 Euro mehr monatlich – Geld, was Hartz 4-Familien viele schlaflose Nächte ersparen könnte.

DAS ist für mich das Grundübel an Hartz 4!

Es gibt bereits Aktionen zum Beispiel bei der Diakonie, die „Normal-Kindergeld-Familien“ dazu aufrufen, ihre Kindergelderhöhungen zu spenden, um sie wiederum bedürftigen Familien zukommen zu lassen. (Diese Unterstützungen – wenn sie offiziell liefen - würden allerdings bereits wieder an der anderen Seite zugunsten des Staates vom Hartz 4 abgezogen!!! Es gibt kein Entrinnen aus der Armutsspirale!)

Und übrigens: Längst nicht alle Familien, die Hartz 4 erhalten, bekommen auch die Miete und Nebenkosten ersetzt!
Meine Freundin (5 Kinder, eins bereits außer Haus) lebt seit Jahren nur von Kindergeld und Unterhalt für die Kinder (nicht 100% regelmäßig) und „Zuschüssen“ zwischen 80 und 10 Euro vom Hartz 4-Amt (das die Krankenkassenbeiträge zusätzlich noch bezahlt).

Voraussetzung ist dauernde Rennerei zu den Ämtern, Ausfüllen ellenlanger Antragsbögen, Offenlegen aller Kontodaten – neben all den Aufgaben, die das verantwortungsvolle Aufziehen von Kindern noch so mit sich bringt! Herr Westerwelle, Sie können gerne mal praktisch mit anpacken kommen! Kinder sind doch unsere Zukunft – und jeder klagt, dass es so wenig davon gibt.

Können Sie sich auch nur annähernd vorstellen, was es heißt, alleine (als Mutter, alleingelassen) für die Belange so vieler Kinder, für Schulbesuch, Kleidung, Ernährung, Spielsachen, Ordnung und Sauberkeit im Haushalt, Gesundheit, Psyche und das Finanzielle und Verwaltungstechnische zuständig zu sein. Da kann man doch locker daneben arbeiten gehen, um sein Geld selbst zu verdienen. Null Problemo – die schaffen das, die Frauen.

Miete, Nebenkosten und sämtliche andere Ausgaben müssen bestritten werden – und jetzt steht die Kündigung wegen Mietrückstand ins Haus. Allerdings möchte niemand seine Wohnung einer Mutter, die keine Mietübernahme per Hartz 4 hat, vermieten... .

Kinder sind unsere Zukunft!  Und Mütter sind auch Menschen.

von Almut Rosebrock, www.glmk.de, Wachtberg bei Bonn

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: frieder friedrich

warum Mietrückstände? - Miete und Heizkosten zahlt das Sozialamt. Sie hat einen Freund - der hier berichtet - warum hilft er nicht bzw. zieht zu ihr und unterstützt die Familie als neuer Partner.

Gravatar: Almut Rosebrock

Aufruf an die Politik für gerechtigkeit bezüglich des Kindergeldes für Hartz 4-Unterstützte: Siehe www.glmk.de (Aktuelles, 4.5.2010)

Gravatar: Frank Martin

Das Ganze kommt erst dann vom Kopf auf die Füße, wenn die unselige Praxis der Schaffung gesetzlicher Anspruchsgrundlagen beendet wird, die dazu einlädt, die Erfüllung der Anspruchsbedingungen anzustreben und per Antrag anzuzeigen, um in den Genuß des für diesen Fall Versprochenen zu kommen.

Ein sozialer Rechtsstaat, wenn es ihn denn gibt, hievt nicht in die Hängematte, sondern er stört die Bürger nicht dabei, selbst dafür zu sorgen, daß die Schwächsten unter ihnen das Krankenlager wieder verlassen können oder aber es in Würde zu ertragen vermögen.

Der Wohlfahrtsstaat vergeht sich vor allem an den Schwächsten, indem er ihnen eigenen Erwerb erschwert und sie von seinen Gaben abhängig macht.

Gravatar: Klaus L.

Immer und immer wieder diese Berichte und Aussagen über das Sozialgefüge. Wir vergleichen in den Debatten über Hartz-IV Kuchenbacken mit Bremsbacken.
Es gibt nun mal Sozialschmarotzer, diese beziehen Hartz-IV. Und es gibt Arbeitswillige, die beziehen auch Hartz-IV. Dann gibt es noch die Alleinerziehenden, die beziehen auch Hartz-IV.
Solange wir viele viele Menschengruppen haben und viele viele unterschiedliche Gründe für den Bezug dieser Leistungen haben, kann niemand sagen, ein Hartz-IV Empfänger ist gut oder schlecht.
Herr Westerwelle spricht davon, dass es jemanden der arbeitet besser gehen muss als jemand der Geld vom (Sozial)Staat geschenkt bekommt. HALLO, was ist daran falsch?
Ich selber arbeite zur Zeit 55 Stunden die Woche, unter anderem als Schuldnerberater. Ich spare seit 4 Monaten auf ein I-Phone und werde auch noch einige Monate dafür benötigen. Einige meiner Schuldner-Klienten legen ein I-Phone auf den Tisch, daneben eine Schachtel Kippen und haben eine Alkohofahne, beziehen Hartz-IV und zahlen noch nicht einmal ihre Miete.
Ich dagegen zahle monatlich 740 Euro Steuern, 530 Euro Krankenkasse, dazu Einkommenssteuer, Höchstsätze für den Kindergarten, ich erhalte keine Prozesskostenhilfe, muss also das Gericht und Anwälte selber Zahlen.
Wenn ich dann vom Seehofer höre, die Langzeitarbeitslosen müssen besser gestellt werden, kann ich das nur mit einer Realitätsfremde erklären.
Ich gehe aber nicht hin und sage "ALLE" Hartz-IV Empfänger sind so oder so. Es gab schon immer solche und solche, da können wir noch so lange Berichte und Kommentare schreiben. Wie haben es bei 6,5 Mio Empfängern mit 6,5 Mio unterschiedlichen Menschen zu tun.
Viele Grüße
Klaus

Gravatar: Karin Pfeiffer-Stolz

Meistersinger:

Bravo! Endlich stellt mal einer das Ding vom Kopf auf die Füße! Wer Bezieher von Hartz IV für die Misere moralisch zu verurteilen ist ebenso dumm, wie jener, der die herabfallenden Ziegelsteine dafür tadelt, weil er sie verantwortlich macht für den Einsturz eines unverantwortlich schlecht konstruierten Gebäudes. Dummheit schlägt halt immerzu bloß den Sack anstatt den Esel.

Gravatar: Meistersinger

Hartz IV ist nicht die Ursache. Hartz IV ist die Konsequenz. Hartz IV soll unbequem sein, nicht auskömmlich. Es aoll den Betroffenen aufstacheln, sich mit eigener Kraft aus der Misere zu befreien. M. E. ist zu überlegen, warum Hartz IV. Woran liegt es. Es sind die Rahmenbedingungen. Alles, was Deutschland ausmacht fördert oder vermeidet Hartz IV. Gibt man den Mietern jede Sicherheit, den Mitarbeitern alle Rechte, erhebt konfiskatorisch Steuern, mißachtet Gesetz und Recht, fördert die Korruption, dann wird jedder, der sich wirtschaftlich entwickeln will, sich nur zaghaft, vorsichtig und Risiken vermeidend verhalten. Er wird, im Falle des Erfolges keineswegs erkennen, daß Deutschland Chancen bietet, sondern sich vielmehr europaweit oder sogar international orientieren. Das Grundgesetz wurde nicht geschaffen, daß sich eine kleine Gruppe Deutschland untertan macht. Das Grundgesetz sollte die Freiheit gewährleisten. Nur Freiheit fördert Kreativität und Unternehmertum. Die Kontrolle der Gesellschaft reduziert Freiheit und fördert Hartz IV. Schüler akzeptieren schon heute Hartz IV als Basis ihrer Existenz. Hartz IV kann nur die letzte Sicherheit sein, sonst läuft etwas schief in dieesm Lande - und es läuft schief, gewaltig schief.

Gravatar: Kokospalme

@Almut Rosebrock:

Als ich noch Student war, bekam ich lediglich um die 100 ¤ aus einem Nebenjob. Meine Frau bekam Hartz IV für sich und unsere Kinder. Wir sind damit gut über die Runden gekommen. Vor der Einführung von Hartz IV erhielt meine Frau dagegen Sozialhilfe, was deutlich weniger war. Aber auch damit konnten wir leben.

Vielleicht haben die Leute, von denen Sie reden, einfach überzogene Wünsche, sodass nach Erfüllung dieser dann zu wenig Geld für Schulsachen u.dgl. übrig bleibt. Und ob die Beziehung zum Partner zerbricht (und man dadurch allein erziehend ist), kann man i.d.R. selbst beeinflussen – durch das eigene Verhalten wie auch durch die Partnerwahl. Die Anzahl der eigenen Kinder lässt sich sogar noch besser steuern. Man muss Verantwortung für das eigene Leben und das seiner Kinder übernehmen.

@Freigeist:

Pille danach und Abtreibung sind keine Wege, Kinder zu vermeiden, sondern nicht „vermiedene“ Kinder zu töten.

Wie schon von Klimax angemerkt, sollte der Staat gerade nicht in Privatangelegenheiten reinpfuschen. Das macht er aber gerade dann, wenn er eine Gegenleistung für milde Gaben möchte. Deshalb sollte man die milden Gaben drastisch zurückfahren. Irgendwann wird dann auch bei den Bürgern der Lerneffekt einsetzen (vermutlich ziemlich schnell) und es wird wieder mehr Verantwortung übernommen.

Gravatar: Klimax

Der Freigeist möchte, das der Staat "strategisch" ins Kinderkriegen, also ins Privatleben seiner Bürger eingreift. Das ist sicher nicht mehr fern; es wird ja zusehends das Private politisiert. Dies mag "freiem" Geist entsprechen, freiheitlicher gesinnung sicher nicht.

Allerdings stimmt ein Punkt. Viele Kinder werden in Deutschland insbesondere von Harz-IV-Empfängern geboren und gezeugt. Und das deutsche Wohlfahrtssystem belohnt eben dieses. DAS ist das Hauptproblem an der Sache. Wer mit immer mehr Kindern immer mehr Geld überwiesen bekommt, wird immer mehr Kinder bekommen. Dies ist übrigens keine Phantasterei, sondern der Zusammenhang ist nachgewiesen.

Kinder bekommt vor allem, wer nicht für sie zahlen muß: wer sich an den Staat wenden kann oder wer (meist gegen ihren Willen und bis ihrer Obdachlosigkeit) entsorgte Väter abmelken kann (Väter sind auch Menschen).

Gravatar: Freigeist

Hallo,
die künftige Strategie des Staates sollte sein, dass es nicht mehr vorkommt, dass jemand 5 KINDER hat, ohne diese ernähren zu können. Die schon geboren sind, sollten ein SCHÖNES LEBEN haben, jedoch, diejenigen, die man vermeiden kann, sollte man vermeiden. Durch Pille danach, Abtreibung, Sterilisation und sonstige Anreize, nur 1 Kinde zu haben, sollte man zur Unterschicht gehören. Die Gesellschaft sollte dann garantieren, dass dieses eine Kind optimal gefördert wird. Klasse statt Masse.
Grüße
Freigeist

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