Hans von Storch stärkt Klimaskepsis

Manchmal wünscht man sich den Anruf eines Meinungsforschers geradezu herbei. Wenn es dann aber wirklich klingelt, verliert man schnell die Illusion, der Mensch am anderen Ende der Leitung wäre tatsächlich an der eigenen, individuellen Einschätzung einer politischen Frage interessiert.

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Umfragen werden nun mal auf eine möglichst einfache Auswertung ausgerichtet, die eine Zuspitzung der Ergebnisse auf eine konkrete und leicht kommunizierbare Botschaft gestattet. Denn wer sein Geld mit solchen Befragungen verdient, hat den Nutzen seiner Dienstleistung zu betonen. Und nützlich ist eine Information über die Haltung der Bürger für Auftraggeber und berichtende Medien meist nur dann, wenn aus ihr simple und eindeutige Schlußfolgerungen gezogen werden können. Ein Erkenntnisgewinn über Komplexität und Vielschichtigkeit stört da nur. Grautöne werden durch ein vorgegebenes Schema eliminiert, in das der Interviewer jede Antwort pressen muß. So bliebe mir als Antwort auf die Frage, ob es denn gegenwärtig einen Klimawandel gäbe, nur ein “ja” übrig. Obwohl ich doch damit auf den Wandel als einzige Konstante unseres Lebens anspielen möchte. Das Klima verändert sich ja nun auf jeder Zeitskala ständig. Geradezu kreationistisch wäre die Vorstellung einer Stasis, in der sich all die vielfältigen klimawirksamen Faktoren in wundersamer Weise gegenseitig neutralisieren. Es beruhigt mich daher eher, der Aussage “Die Klimaforschung ist einhellig der Meinung, daß es einen Klimawandel gibt” zustimmen zu können. Ob denn der Mensch den Klimawandel verursacht? Wie würde meine Antwort denn in die Kategorien “ja”, “nein” und “weiß nicht” eingeordnet, wenn ich auf Landnutzung, urbane Hitzequellen und tatsächlich auch auf Änderungen in der Zusammensetzung der Atmosphäre durch unsere Emissionen verweise? Auf anthropogene Einflüsse, die nur ein Instrument im Symphonieorchester der Klimaantriebe darstellen, dessen genaue Position wir noch immer nicht heraushören können? Da könnte ich am Telefon über erste Violinen, Pauken oder Triangeln noch so schön philosophieren, mein Gegenüber hätte mich längst einsortiert und wäre zur nächsten Frage übergegangen.

Und schon bin ich kein Klimaskeptiker mehr. Behaupten zumindest Anita Engels und ihre Kollegen von der Universität Hamburg. Die eine solche Telefonumfrage mit den oben genannten Fragen und den oben skizzierten Interpretationen jüngst vorgenommen haben (Bericht auf Spiegel Online, die eigentliche Studie verbirgt sich leider hinter einer Paywall). Ich bestehe aber nachdrücklich darauf, einer zu sein. Der Ursache dieser offensichtlichen Fehleinschätzung der Forscher kommt man durch die vierte gestellte Frage auf die Spur. Die da lautet: Ist der Klimawandel ein ernstes Problem?

Auch dies wird von einer großen Mehrheit in Deutschland bejaht. Durchaus überraschend, denn die Differenzierung zwischen der medialen Lust an Untergangsphantasien und der realen Welt sollte den Menschen doch möglich sein. Leider hat man in der Umfrage nicht den Wissensstand der Teilnehmer berücksichtigt. Gerade diejenigen, die sich für das Thema nicht interessieren und sich daher in die Problematik nicht eingearbeitet haben, werden wohl eher zu der Bequemlichkeit neigen, Aufgeschnapptes nachzuplappern.  Die naheliegende Interpretation einer breiten Unterstützung der gegenwärtigen Klimapolitik ist jedenfalls durch die Art der Fragestellung nicht unbedingt gerechtfertigt. Denn was bedeutet eigentlich “ernst” und wie schneidet der Klimawandel als “Problem” gegenüber anderen denkbaren Herausforderungen ab?

Die UNO macht es besser. In der gegenwärtig laufenden Aktion “my world” (“meine Welt”) können die Themen ausgewählt werden, auf die politisches Handeln ausgerichtet sein sollte. Dem folgenden Screenshot kann man den Stand der Dinge vom gestrigen Abend (und auch meine individuellen Prioritäten) entnehmen. Maßnahmen zur Vermeidung eines mutmaßlich menschgemachten Klimawandels landen abgeschlagen am Ende der Tabelle. Allein in den entwickelten Industrienationen (HDI – “human development index” – high) erreichen diese eine Position im Mittelfeld. Wäre der Klimawandel nicht Teil der vorgegebenen Antwortmöglichkeiten gewesen, hätte das Ergebnis noch deutlicher ausfallen können.

Klimaskepsis1

Die Frage nach der Relevanz ist nur ein wesentlicher Aspekt, der in der Hamburger Umfrage fehlt. Hinzu tritt eine weitverbreitete und auf unhaltbaren Vorurteilen beruhende Auffassung, was denn nun ein Klimaskeptiker genau ist, die in der Gestaltung der Fragen und ihrer Bewertung deutlich wird.

Natürlich hätte ich die vierte Frage mit einem klaren “nein” beantwortet. Aus meiner Sicht ist ein Klimawandel – ganz unabhängig von seinen Ursachen – kein Problem, schon gar kein ernstes. Aber das ist eben eine ganz subjektive Einschätzung, ein Instinkt, ein Bauchgefühl. Objektiv betrachtet würde ich sagen: Man weiß es nicht. Zur Beantwortung dieser Frage fehlen uns die notwendigen Informationen. Und das ist Skeptizismus.

Man sollte sich immer wieder vor Augen führen, wie denn die gegenwärtige Klimapolitik definiert ist. Sie besteht aus Maßnahmen, die vorhandene Werte vernichten, ohne dafür adäquate neue zu schaffen. Sie schränkt Entwicklungs- und Handlungsmöglichkeiten gezielt ein, sie gibt einen exakt definierten Weg vor und verhindert Alternativen. Die Eingriffe in ökonomisches und politisches Handeln sind massiv und – einmal etabliert – kaum rückgängig zu machen. Selbst die persönliche Lebensgestaltung jedes einzelnen Bürgers soll in die engen Bahnen “klimafreundlichen” Verhaltens gelenkt werden. In gewisser Weise handelt es sich – vom Glühlampen-Verbot über die Ökodesign-Richtlinie bis hin zu Emissionsgrenzwerten für Fahrzeuge und die Energiewende – um eine Notstandsgesetzgebung, die Verzicht bis hin zur Askese erzwingt.

Der Notstand selbst aber fehlt. Die einzige Begründung für dieses politische Handeln liegt in der Idee, der Klimawandel führe zwangsläufig in die Klimakatastrophe. Besteht auch nur die geringste Aussicht, die Katastrophe könne auch ohne “Große Transformation” der Gesellschaft und umfassende Dekarbonisierung ausbleiben, ist die gegenwärtige Klimapolitik in ihrer Gesamtheit zu verwerfen. Sie wäre zu ersetzen durch Maßnahmen, die auch ohne Apokalypse Sinn ergeben.

Die Vorstellung von der Zwangsläufigkeit der Klimakatastrophe beruht letztendlich einzig und allein auf Projektionen der künftigen klimatischen Entwicklung. Es geht um ein Ereignis, das in der Zukunft stattfinden soll, wenn denn heute nicht Um- und Abkehr gelingen. Jeder begründete Zweifel an der Prognosekraft der Modellrechnungen der Klimaforscher bedeutet, das Nichteintreten der Klimakatastrophe in das politische Kalkül einbeziehen und damit die gegenwärtige Klimapolitik beenden zu müssen.

Seit etwa 15 Jahren stimmen reale klimatische Entwicklung und Modellvorstellungen nicht mehr überein. Dieser von uns Skeptikern seit geraumer Zeit thematisierte Umstand ist nun auch den etablierten Klimaforschern aufgefallen. Als Beispiele aus Deutschland können die beiden ehemaligen IPCC-Autoren Jochem Marotzke, Direktor des Max-Planck-Institutes für Meteorologie, und Hans von Storch, Leiter des Instituts für Küstenforschung am Helmholtz-Zentrum in Geesthacht, genannt werden. Letzterer hat dem Spiegel jüngst ein bemerkenswertes Interview zum Thema gegeben (Ausgabe 25/2013, online leider nur in Englisch veröffentlicht, zur Diskussion bei der Klimazwiebel, zur Diskussion bei EIKE).

SPIEGEL: Allein seit der Jahrtausendwende hat die Menschheit 400 Milliarden Tonnen CO2 zusätzlich in die Atmosphäre gepustet. Dennoch steigen die Temperaturen seit fast 15 Jahren nicht mehr weiter an. Wie ist das zu erklären?

Storch: Bislang kann niemand eine überzeugende Antwort liefern, warum der Klimawandel eine Pause eingelegt hat. Wir stehen vor einem Rätsel. Die CO2-Emissionen sind jüngst sogar noch stärker angestiegen als befürchtet. Als Folge davon hätte es nach den meisten Klimamodellen in den letzten zehn Jahren rund 0,25 Grad wärmer werden müssen. Doch das ist nicht geschehen. Tatsächlich waren es in den letzten 15 Jahren gerade mal 0,06 Grad – also ein Wert nahe null. Diesem ernsten wissenschaftlichen Problem wird sich auch der Weltklimarat IPCC stellen müssen, wenn er Ende des Jahres seinen nächsten Sachstandsbericht präsentiert.

SPIEGEL: Taucht denn in den Computermodellen, mit denen die Physiker das Klima der Zukunft simulieren, ein derart langer Temperaturstillstand auf, wie er derzeit zu beobachten ist?

Storch: Ja, aber nur äußerst selten. An meinem Institut haben wir jetzt analysiert, wie oft in den Simulationen so eine 15-jährige Stagnation bei der Erwärmung vorkommt. Die Antwort lautet: in weniger als zwei Prozent aller Durchläufe. Mit anderen Worten: Über 98 Prozent aller Vorhersagen gehen bei einem so starken CO2-Ausstoß, wie wir ihn in den vergangenen Jahren erlebt haben, von einem stärkeren Temperaturanstieg aus.

SPIEGEL: Wie lange wäre ein Erwärmungsstopp noch mit den etablierten Klimavorhersagen vereinbar?

Storch: Wenn das so weitergehen sollte, müssten wir uns spätestens in fünf Jahren eingestehen, dass mit den Klimamodellen etwas fundamental nicht stimmt. Ein Erwärmungsstopp, der 20 Jahre andauert, kommt in keinem einzigen Szenario vor. Aber bereits heute passt der reale Temperaturtrend nur noch schwer zu unseren Erwartungen.

SPIEGEL: Wo könnten denn Fehlerquellen der Modelle liegen?

Storch: Es gibt zwei denkbare Erklärungen – und beide sind für uns wenig erfreulich. Erste Möglichkeit: Die Erwärmung fällt schwächer aus, weil die Treibhausgase, insbesondere das CO2, eine geringere Wirkung haben als angenommen. Das bedeutet nicht, dass es keinen menschengemachten Treibhauseffekt gibt; nur wäre unser Einfluss aufs Klimageschehen nicht so stark wie vermutet. Die andere Möglichkeit: In unseren Simulationen haben wir unterschätzt, wie sehr das Klima aufgrund natürlicher Ursachen schwankt.

Als Skeptiker werde ich immer wieder mit dem Vorwurf konfrontiert, nicht auf Basis der Wissenschaft zu argumentieren. Wie sich an den Ausführungen von Storchs zeigt, ist dies unhaltbar. Tatsächlich wurden und werden die beiden als “denkbar” bezeichneten Erklärungen von Skeptikern immer und immer wieder in die Debatte eingebracht. Wenn nicht gleich ignoriert, waren höchstens Hohn und Spott die Ernte. Obwohl Wissenschaftlichkeit doch gerade bedeutet, den gegenwärtigen Stand der Erkenntnis immer nur als vorläufig anzusehen und neuen Ideen gegenüber aufgeschlossen zu sein. Von Storch drückt es gegenüber dem Spiegel so aus:

SPIEGEL: Ziemlich blamabel für Ihre Zunft, wenn Sie nun nachsitzen müssen und Ihre Modelle an die Wirklichkeit anpassen …

Storch: Wieso? So funktioniert der wissenschaftliche Erkenntnisprozess nun einmal. In der Forschung, auch in der Klimaforschung, gibt es kein letztes Wort. Wir liefern nie die Wahrheit, sondern lediglich die jeweils beste Annäherung an die Wirklichkeit. Nur wird das in der öffentlichen Wahrnehmung und Vermittlung unserer Arbeit oft vergessen.

Es ist eben genau nicht erforderlich, eine Art “Gegenmodell” zur etablierten Physik der Atmosphäre zu entwickeln. Es ist nicht notwendig, die Ablehnung der Klimapolitik durch Zweifel am Treibhauseffekt und anderen Prozessen und Prinzipien zu begründen. Es genügt, deren ideologische Borniertheit aufzuzeigen. Die darin besteht, vorläufige Erkenntnisse aus der Forschung als endgültige Wahrheiten festzuschreiben und somit die Wissenschaft auf gefährliche Weise zu instrumentalisieren und zu behindern. Die offensichtlichen Mängel der Modelle entlarven die Klimakatastrophe als menschgemachte Phantasie ohne fachlich gerechtfertigte Grundlage. Hans von Storch verdeutlicht dies in seinen Ausführungen im Spiegel. Auch die damit verbundene Gefahr spricht er indirekt an. Denn wenn es der Politik gelingt, sich mit dem Verweis auf die Wissenschaft aus der Affäre zu ziehen, ist letztere auf Jahre hinaus beschädigt. Wer einmal lügt, dem glaubt man vielleicht nie wieder.

Storch: In der Tat war es sicher der größte Fehler der Klimaforscher, den Eindruck zu erwecken, sie würden endgültige Wahrheiten verkünden. Am Ende kommt dann so ein Unfug heraus wie die aktuelle Klimaschutzbroschüre des Umweltbundesamts mit dem Titel „Sie erwärmt sich doch“. Solche Pamphlete werden sicher keinen Zweifler überzeugen. Es ist nicht schlimm, wenn wir Fehler machen und uns korrigieren müssen. Schlimm war nur, vorher so getan zu haben, als wären wir unfehlbar. Dadurch verspielen wir das wichtigste Kapital, das wir als Wissenschaftler haben: das Vertrauen der Öffentlichkeit. So etwas haben wir schon einmal beim Waldsterben erlebt, von dem lange nichts mehr zu hören war.

Zweifler überzeugen? Mit diesem Interview überzeugt Hans von Storch mich nur von der Berechtigung meiner Zweifel. Es ist genau nicht die entscheidende Frage, ob der Klimawandel ein “ernstes Problem” darstellt. Skeptiker und Alarmisten unterscheiden sich in anderer Hinsicht. Es geht darum, ob wir genug wissen, um die Frage nach der Ernsthaftigkeit der Problematik abschließend beantworten zu können. Wer auch immer hierzu “nein” sagt, verdeutlicht nicht nur eine rationale und im besten Sinne wissenschaftliche Sichtweise, sondern auch eine skeptische. Was eben kein Widerspruch ist, sondern sich gegenseitig bedingt.

Das verlorene Vertrauen gewinnt die Wissenschaft nur dann zurück, wenn sie den vor Jahren als notwendig erachteten Mahnungen auch die heute gebotene Entwarnung folgen läßt. Ausflüchte wie Hans von Storch sie in dem Interview verwendet, es bestünde ja “der gesellschaftliche Konsens, mit fossilen Brennstoffen sparsamer umzugehen”, sind nicht akzeptabel. Denn im Gegensatz zu dem, was er suggeriert, ist diese Idee genau nicht unabhängig von den Modellrechnungen entstanden. Die Spiegel-Reporter weisen in ihren Fragen an mehreren Stellen deutlich darauf hin: Erst der Alarmismus mancher Klimaforscher hat die Politik auf dumme Ideen gebracht. Wenn man schon nicht bereit ist, den Weltuntergang endgültig abzusagen, weil doch “Instinkt” und “subjektive Annahmen” (Originalton von Storch) ihn weiterhin möglich erscheinen lassen, dann sollte man zumindest so redlich sein, die Politik deutlich auf veränderte Rahmenbedingungen hinzuweisen. Ob nun das 2-Grad-Ziel schon 2050, oder eben erst 2100, zwei Generationen später, möglicherweise in Gefahr gerät, bedeutet einen wesentlichen Unterschied für alle angedachten und eingeführten Klimaschutzmaßnahmen. Denn Hast und Aktionismus können durch Nachdenklichkeit und gründliches Abwägen ersetzt werden.

Als Skeptiker darf man der Klimaforschung nicht erlauben, sich nun blind und taub gegenüber dem zu stellen, was angerichtet wurde. Es genügt nicht, wie von Storch und Marotzke skeptische Positionen in großem Umfang zu übernehmen, ohne daraus die zwangsläufigen Schlüsse zu ziehen. Dem Klimaschutz nach heutigem Muster ist die wissenschaftliche Grundlage entzogen. Wenn die Politik ihn weiterhin will, wird sie ihn anders begründen müssen. Was dann vielleicht auch die Meinungsforscher dazu bewegt, endlich die wirklich wichtigen Fragen zu stellen.

ModelleundRealität

Modelle und Realität: Das Diagramm zeigt, was hinter der oben zitierten Aussage von Hans von Storch steckt. Dargestellt sind die Satellitenmessungen der mittleren globalen Temperaturanomalie bodennaher Luftschichten (rot und blau) im Vergleich zu den Ergebnissen aktueller Klimamodelle (dünne Linien, die schwarze Linie repräsentiert den Mittelwert über alle Simulationen). Mit einer ähnlichen Abbildung illustriert der Spiegel das Interview mit von Storch. Quelle: Roy Spencer

Beitrag erschien zuerst auf: science-skeptical 

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