Gute Scheine von der Kanzlerin

Die Bundeskanzlerin hat sich für das Betreuungsgeld und gegen Betreuungsgutscheine entschieden. Das hat manche überrascht.

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Die Bundeskanzlerin hat sich für das Betreuungsgeld und gegen Betreuungsgutscheine entschieden. Das hat manche überrascht. Sie galt immer als Befürworterin von Gutscheinen, spätestens seit sie eine Andeutung in diese Richtung in einem Publikationsorgan gegeben hat, das für seine ehe-und familienfeindliche Haltung bekannt ist. Aber wer sich die Stelle in der radikalfeministischen Zeitschrift „Emma“ genau anschaut, wird der Bundeskanzlerin keine Festlegung auf Gutscheine unterstellen können. Sie hatte, vier Wochen vor der Bundestagswahl, in diesem Interview gesagt: „Wir können zwei Drittel der Eltern nicht unter Generalverdacht stellen, dass sie mit dem Geld nichts für Ihre Kinder tun wollen. Und ich möchte auch nicht zwei Drittel der Väter unter Generalverdacht stellen, dass sie ihre Frauen unterdrücken. Wir haben uns mit Bedacht für das Betreuungsgeld entschieden, dessen genaue Ausgestaltung noch diskutiert wird. So gibt es zum Beispiel den Vorschlag, einen Teil in Form von Gutscheinen für Musik- oder Sportangebote und so weiter zu geben, damit das Betreuungsgeld nicht nur eine Ergänzung zum Haushaltsgeld ist." Auch ihre jetzige Festlegung schließt noch nicht aus, dass man „einen Teil in Form von Gutscheinen“ ausgibt. Die Diskussion ist noch nicht zuende.

Aber sie ist vorläufig gestoppt. Die CSU ist zufrieden, um nicht zu sagen befriedet. Das ist angesichts der Entscheidung in Sachen Steinbach versus Westerwelle schon mal ein Vorteil. Denn die CSU steht hinter Frau Steinbach, übrigens mit guten Gründen. Die sind jedoch nicht immer ausschlaggebend. Politik ist eben ein Geben und Nehmen. Jetzt könnte die Kanzlerin mit mütterlichem Gestus der CSU sagen: Ihr habt eure Bonbons schon bekommen, jetzt sind die anderen dran. Denn der Fall Westerwelle/Steinbach ist nur einer von mehreren, in denen eine Entscheidung jetzt definitiv getroffen werden muss, nicht wie beim Betreuungsgeld erst 2013. Andere sind Opel, die Steuerreform, die Verlängerung des Kurzarbeitergeldes, vielleicht auch Iran. Überall muss die Moderatorin auf dem Kanzlersessel einen Ausgleich suchen und finden. Auf der Baustelle Betreuungsgeld ist jetzt erstmal Ruhe.

Es könnte natürlich sein, dass sie auch Gründe in der Sache gefunden und erwogen hat, die ihr nahelegen, das Betreuungsgeld als solches zu befürworten. Davon gibt es nicht wenige. Das Statistische Bundesamt hat erst in der letzten Woche neue Zahlen über Geburten und Alterung veröffentlicht und die belegen, dass das Elterngeld, von dem sich Kanzlerin und ihre Familienministerin doch eine Trendwende versprochen hatten, den gewünschten Effekt nicht bewirkte. Allenfalls hat es die Talfahrt etwas gebremst, aber nun kommt die Grundtendenz wieder zum Tragen, die viele Leitmedien (vielleicht sollte es besser heißen: Leidmedien) den jungen Leuten seit Jahren einhämmern und die heißt: Kinder kosten Geld, Familie macht arm. Das ist auch mit Gutscheinen nicht zu ändern. Mit Geld aber etwas abzufedern. Auch der Blick ins fruchtbarere Ausland zeigt deutlich: Überall da, wo der Staat Subjektförderung betreibt, also den Eltern das Geld in die Hand gibt und darauf vertraut, dass sie es zum Wohl der Familie und Kinder verwenden, dort werden mehr Kinder geboren. Und die Subjektförderung in Frankreich oder Skandinavien kennt auch als ein Element das Betreuungsgeld, und zwar in mindestens doppelter Höhe als das geplante in Deutschland. Und überall da, wo der Staat sich knauserig oder gleichgültig gegenüber den Erziehungsleistungen der Familien zeigt wie in Italien oder linksideologischen Vorgaben huldigt wie in Spanien und deswegen die Familien finanziell links liegen lässt, da stürzen die Geburtenzahlen ab, auch wenn es sich um katholische Länder handelt. Es ist schon wissenschaftlich nachweisbar: Neunzig Prozent der Paare, die sich Kinder wünschen und dann doch nicht bekommen, begründen ihr Verhalten mit dem Hinweis auf den Wohlstandsabsturz. Und auch die einschlägigen Umfragen der letzten Jahre zeigen es: Die Hälfte der Kinderlosen geben als Grund für ihre Kinderlosigkeit finanzielle Erwägungen an, dicht gefolgt von der Partnerfrage. Man braucht für ein Kind eben einen zuverlässigen Partner und das ist heute keineswegs mehr eine Selbstverständlichkeit.

Hier ist die Bundeskanzlerin vielleicht durch einen Berater im Kanzleramt, der vermutlich nicht Pofalla heißt, vielleicht aber auch durch Lektüre oder auch Gespräche mit Politikern, die sich an der Basis auskennen, auf einen weiteren wichtigen Grund gestossen, der das Betreuungsgeld schmackhaft macht: Es trägt auch zur Stabilisierung von Ehe und Familie bei. Das ist bei einem Betrag von 150 Euro zwar an der Grenze zur Unwahrscheinlichkeit. Aber alles, was Ehe und Familie stabilisiert, ist für Vater Staat rentabel. Ein Blick auf die sogenannten Transferleistungen zeigt es: Nur sieben Prozent von ihnen beziehen Sozialhilfe, bei nichtverheirateten Paaren sind es 38 Prozent und bei Alleinerziehenden 45 Prozent. Die Zahlen gelten für die alten Bundesländer, in den neuen Bundesländern bezieht ein Drittel der klassischen Kernfamilie, aber fast zwei Drittel der Alleinerziehenden Sozialhilfe. Fazit: Die klassische Familie (Mutter, Vater, Kind-er) ist für den Staat am besten und billigsten. Sie zu fördern bringt auch die meisten Stimmen, immerhin leben fast drei von vier Kindern bei ihren beiden verheirateten Eltern. Betreuungsgeld ist keine Transferleistung, aber es verhindert solche. Und es trägt zur Anerkennung der Leistung bei, die Familien für den Staat erbringen. Gute Scheine sind ein besseres Geschäft für den Staat als Gutscheine. Wenn die Kanzlerin das erkannt hat, darf man zufrieden sein - und hoffen, dass diese Erkenntnis auch in anderen Bereichen Früchte trägt.

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