Gratismedizin: Das Ende einer Wohlfahrtsstaats-Illusion

Es ist im Prinzip freilich durchaus nicht unbedingt schlecht, wenn die Menschen de facto gezwungen werden, auch selbst etwas für ihre medizinische Betreuung zu zahlen. Für Geringverdiener werden die Zeiten freilich hart. Absolut unerträglich sind aber die immer noch verbreiteten Wohlfahrtsstaats-Lügen der Politik.

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Die kostenlose öffentliche Gesundheitsversorgung in Wien ist am Kollabieren. Was alle Wiener sehen, Patienten erst recht, wird aber von der Stadtverwaltung und allen anderen für die öffentliche Medizin Verantwortlichen weiterhin zumindest nach außen ignoriert.

Das ließ sich in den letzten Jahren schon allein an der geradezu explosionsartigen Vermehrung von privaten Krankenanstalten, Labors und Ambulatorien ablesen. Man kann fast durch keine größere Straße der Stadt mehr fahren, in der nicht solche privaten Einrichtungen ganz neu entstanden wären.

Gewiss haben etliche davon auch Verträge mit den gesetzlichen Krankenversicherungen. Aber ganz eindeutig sind sie ein dramatischer Schritt Richtung Zweiklassenmedizin. Denn nur dort kann man durch private Zahlungen rasch einen Operationstermin, eine CT-Untersuchung oder sonst eine therapeutische oder diagnostische Behandlung bekommen. In den Gemeindespitälern steht man hingegen unweigerlich auf meist monatelangen Wartelisten. Fast für jeden Patienten sind diese Wartezeiten psychologisch unerträglich. Ganz abgesehen davon, dass auch aus medizinischen Gründen Schnelligkeit oft sehr notwendig ist.

Seit Jahresbeginn kommt in den Gemeindespitälern aber auch noch die dramatische Krise als Folge der durch eine EU-Richtlinie reduzierten Ärzte-Arbeitszeiten hinzu. Es ist geradezu heuchlerisch, wenn Wiener SPÖ-Politiker überrascht tun und sich auf die EU als Ursache der Probleme ausreden. Denn das Inkrafttreten dieser Ärztearbeitszeitrichtlinie war zum ersten schon seit Jahren bekannt. Zum zweiten war die EU-Richtlinie einst gerade von sozialistischen Politikern – auch aus Österreich – betrieben worden.

Dennoch hat man (die SPÖ genauso wie der damalige Chef des Hauptverbandes und jetzige ÖVP-Finanzminister Schelling) noch vor zwei Jahren gemeinsam eine Gesundheitsreform verkündet und bejubelt. Diese würde auf Jahrzehnte alle Finanzierungs- und Organisationsprobleme lösen. Man könnte darüber lachen, wenn es nicht so traurig wäre.

Es ist den Ärzten und ihrer Leistungsfähigkeit zwar durchaus zu gönnen, dass sie jetzt nur noch viel kürzer arbeiten und viel weniger Nachtdienste machen müssen, um das gleiche – oder nach Rathaus-Behauptungen sogar mehr – Geld zu bekommen. Aber nach allen Gesetzen der Logik bedeuten weniger Arbeitsstunden durch die bisherige Ärzte-Mannschaft zwingend: Man braucht zusätzliche Ärzte, die künftig die bisher in diesen Stunden geleistete Arbeit erledigen.

Weniger Ärzte, weniger Arbeit pro Arzt

Aber absurderweise passiert genau das Gegenteil: Es werden nicht zusätzliche Ärzte gesucht, sondern es werden massiv Ärzte abgebaut! Allein in den Wiener Gemeindespitälern (zu denen weder AKH noch Hanusch-Krankenhaus noch die kirchlichen noch die privatwirtschaftlichen Krankenanstalten gehören) sollen sage und schreibe binnen weniger Jahre 382 Ärzteposten abgebaut werden. Das sind mehr als zehn Prozent aller Ärzte in den Gemeindespitälern.

Ein ganz unvorstellbarer Plan, der aber in den letzten Tagen vom Rathaus und Wiener Krankenanstaltenverbund KAV mehrfach zugegeben und bestätigt worden ist. Selbst wenn mancherorts durch bessere Organisation und mehr Ausbeutung der Ärzte eine bessere Effizienz erzielbar sein sollte, ist es absolut unvorstellbar, dass gleichzeitig in diesem Ausmaß Köpfe und Arbeitsstunden reduziert werden können.

Das geht nur durch signifikanten Abbau der medizinischen Leistungen. Wäre es anders, dann hätten die Verantwortlichen für die Gemeindespitäler in den letzten Jahren und Jahrzehnten grobe Untreue begangen. Dann hätten sie die Spitäler katastrophal schlecht organisiert. Dann hätten sie die Ärzte fürs Nichtstun bezahlt.

Das kann ich nicht glauben. Auch wenn im KAV, dem Verband der Gemeindespitäler, manches recht übel riecht, wie etwa auch die jüngst von der „Presse“ aufgedeckte Affäre um die zwei KAV-Sozialwohnungen, die eigentlich für Krankenpflegeschülerinnen bestimmt sind, die aber statt dessen rechtswidrig der neue KAV-Chef bekommen hat. Mehr als seltsam ist es auch, dass Gemeinde und Ärztevertreter plötzlich davon reden, dass zur Lösung des Problems künftig „medizinisch nicht notwendige Rettungszufahrten“ unterbleiben sollten. Das ist eigentlich unfassbar: Da finden offenbar völlig überflüssige Rettungsfahrten statt! Weil da jemandem fad ist? Oder damit die Rettungsfahrzeug-Betreiber etwas verdienen?

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