Glaube oder Demokratie

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Der Papst startetet also eine Umfrage! Nein, er ruft nicht jeden Katholiken weltweit einzeln an, auch wenn das eine Variante wäre, die ihm – entsprechende Zeit vorausgesetzt – vielleicht am besten gefallen könnte. Aber über die Bistümer werden derzeit zur Vorbereitung auf die Bischofssynode im kommenden Jahr zum Thema Familie, Einschätzungen eingesammelt. Die Handhabung wird offenbar weltweit unterschiedlich eingeschätzt: einige Bistümer haben den „Fragebogen“ offenbar ins Internet gestellt, damit Gläubige auf die Fragen direkt antworten können, in den USA, so wird jedenfalls berichtet, will man eine solche „Basisbefragung“ nicht durchführen, in Deutschland sondiert man noch (seufz) – in vielen Ländern dieser Welt wird sich eine solche Befragung auch gar nicht ohne weiteres durchführen lassen: ohne rassistisch wirken zu wollen, aber an eine repräsentative Internetumfrage in Afrika glaubt wohl niemand.

Schon werden aber Stimmen laut, die den Zuwachs an Demokratie in der katholischen Kirche, natürlich initiiert durch Papst Franziskus, bejubeln – oder ihn bedauern, je nach Blickrichtung: Macht Papst Franziskus jetzt Kirchenlehre nach Umfrageergebnissen? Viele Journalisten sehen das natürlich so, und manifestieren damit nur ihre mangelnde Kenntnis von dem, was eigentlich Glauben bedeutet! Denn nicht nur die offizielle Lesart ist eine ganz andere: immer schon hat es zu solchen Synoden „Umfragen“ in den Bistümern der Welt gegeben, um eine gemeinsame Gesprächs- und Diskussionsgrundlage herzustellen. Ergebnis dieser Befragungen waren in der Vergangenheit immer die Problematisierung der Entwicklung. Vergleichsweise neu ist, dass diese Befragung nun nicht nur auf ausgewählte Mitglieder von Gemeinden oder katholischen Vereinigungen beschränkt sind sondern das ganze katholische Kirchenvolk (im gängigen Sinne; der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass auch Verstorbene weiterhin Teil der Kirche sind, deren Befragung stellt einen aber vor noch größere Hürden) umfassen sollen. So verschafft man sich – nach Ende des Jahres des Glaubens – einen Status Quo zum Glaubenswissen und zur Akzeptanz der christlichen Lehre an der Basis.

Die kirchliche Lehre kennt keine Wiederverheiratung, weil sie nur eine – unauflösbare – Ehe kennt – aber ist das in der interessierten katholischen Basis noch Gemeingut? Die katholische Lehre verbietet die Diskriminierung von Homosexuellen, betrachtet die gelebte Homosexualität aber als Sünde und verschließt das Sakrament der Ehe – logischerweise – homosexuellen Paaren – aber ist das eine Sichtweise, die an der Basis noch geteilt wird? Im Schreiben des Vatikans werden die Problematiken kurz zusammengefasst:

Konfessionsverschiedene oder interreligiöse Ehen; Familien mit nur einem Elternteil; Polygamie; arrangierte Ehen mit dem daraus folgenden Problem der Mitgift, der manchmal als Kaufpreis der Braut verstanden wird; das Kastensystem; die Kultur des nicht verpflichtenden Ehebandes und der angenommenen Instabilität dieses Bandes; Formen des der Kirche feindlich gesinnten Feminismus; Phänomene der Migration und Neuformulierung des Begriffs der Familie; relativistischer Pluralismus im Eheverständnis; Einfluss der Medien auf die Volkskultur im Hinblick auf das Verständnis von Ehe und Familienleben; Dauerhaftigkeit und Treue des Ehebundes entwertende Denkströmungen, die einzelnen Gesetzesvorschlägen zugrunde liegen; Verbreitung des Phänomens der Leihmütter; neue Interpretationen der Menschenrechte.

Man darf sicher annehmen, dass für viele Christen, zumindest unseres Kulturkreises, ein Großteil der Themen nicht mal mehr einer Problematisierung unterliegen – wenn überhaupt ist es für sie das Problem der Kirche, mit gesellschaftlichen Entwicklungen nicht mitgehalten zu haben!

Die Liste und der im Schreiben enthaltene Fragebogen mach denn aber auch deutlich, dass es nicht darum geht, die kirchliche Lehre zu revidieren, sondern darum zu verstehen, und zwar nicht regional, wie es kirchenkritische Initiativen im deutschsprachigen Raum bisweilen tun, sondern weltweit zu eruieren, wie es um das Familienverständnis in den Teilkirchen und bei den Gläubigen überhaupt bestellt ist. Als Beispiel möchte ich die Fragen zum Thema „Pastoral für Gläubige in schwierigen Ehesituationen“ herausnehmen, um die Zielrichtung deutlich werden zu lassen (das gesamte Schreiben inkl. Fragebogen ist auf kath.net nachlesbar):

4- Zur Pastoral für Gläubige in schwierigen Ehesituationen

a) Ist das Zusammenleben „ad experimentum“ in der Ortskirche eine relevante pastorale Wirklichkeit? Welchen Prozentsatz macht es schätzungsweise aus?

b) Gibt es faktische Lebensgemeinschaften ohne religiöse oder zivile Anerkennung? Gibt es dazu verlässliche statistische Daten?

c) Stellen die getrennt Lebenden und die wiederverheirateten Geschiedenen eine wichtige pastorale Realität in der Ortskirche dar? Welchen Prozentsatz machen sie schätzungsweise aus? Begegnet man dieser Situation durch entsprechende Pastoralpläne? Welche?

d) All diese Fälle betreffend: Wie leben die Getauften ihre irreguläre Situation? Sind sie sich dessen bewusst? Zeigen sie sich gleichgültig? Fühlen sie sich ausgegrenzt und leiden an der Unmöglichkeit, die Sakramente zu empfangen?

e) Welche Anfragen/Bitten gibt es von Seiten der wiederverheirateten Geschiedenen an die Kirche in Bezug auf die Sakramente der Eucharistie und der Versöhnung? Wie viele Gläubige, die in diesen Situationen leben, fragen nach diesen Sakramenten?

f) Könnte die Straffung der kirchenrechtlichen Praxis zur Anerkennung der Nichtigkeitserklärung des Ehebandes einen wirklichen und positiven Beitrag leisten zur Lösung der Probleme der betroffenen Personen? Wenn ja, in welchen Formen? Gibt es eine Pastoral, um diesen Fällen entgegenzukommen? Wie sieht diese Pastoral aus? Gibt es diesbezügliche Pastoralpläne auf nationaler und diözesaner Ebene? Wie wird den getrennt Lebenden und den wiederverheirateten Geschiedenen die Barmherzigkeit Gottes verkündet und wie wird die Unterstützung ihres Glaubensweges durch die Kirche umgesetzt?

Was in diesem Fragebogen nicht drin steht, sind Fragen, die Kritiker der Kirche gerne gestellt bekommen möchten: Halten Sie den unauflöslichen, sakramentalen Charakter der Ehe noch für richtig? Sind Sie der Meinung, dass zivil geschiedene und Wiederverheiratete Geschiedene die Eucharistie empfangen dürfen sollen? Etc.pp. Der Grund, warum solche Fragen nicht gestellt werden, ist relativ einfach: Eine „Meinung“ zur Richtigkeit einer Glaubensaussage ist nicht sonderlich relevant! Es geht hier nicht darum, ob ich die Schwerkraft mag, weil sie mich auf dem Boden hält oder sie ablehne, weil mir mal ein Ziegelstein auf den Kopf gefallen ist! Es geht darum, ob den Gläubigen – um in dem Bild zu bleiben – noch bewusst ist, dass es nicht eine Art Klebstoff ist, der einen am Boden hält sondern Gravitationskräfte? Nur so kann man Scharlatanen, die eine Art Lösungsmittel gegen den Schwerkaftkleber verkaufen wollen, das Handwerk legen!

Ich gebe zu, ich halte die Aktion des Vatikan für hochspannend und hoffe und bete, dass die Befragungen weltweit so basisnah wie möglich durchgeführt werden. Nur so erlangen wir ein wirkliches und nicht westeuropazentriertes Bild des Glaubenslebens hinsichtlich der Familie. Möglicherweise relativieren sich auch viele „westliche“ Fragestellungen, die in unseren Breiten hoch gehandelt werden durch einen Blick in die Verfasstheit der Weltkirche – vielleicht relativieren sich solche Fragen sogar regional, wenn man Bündnisse wie „Wir sind Kirche“ und „Kirche von unten“ wieder auf das reduziert, was sie eigentlich sind: Minderheitenpositionen in der Kirche. Natürlich, es besteht auch die Gefahr, dass die Kritik, die solche Vereinigungen anbringen, sich weltweiter und überwiegender Beliebtheit erfreuen. Aber auch dann ist es gut, wenn „die Kirche“ dies zur Kenntnis nimmt, problematisiert und darauf eingeht, anstatt ein dann wirklich existierendes Problem einfach mit Blick auf ein paar Unentwegte, die der Glaubenslehre treu folgen, zu negieren.

Der Vatikan macht in der Familienpastoral keinen demokratischen Schwenk, er macht eine Art Kassensturz: das Ergebnis kann niederschmetternd oder auch erfreulich ausfallen, es ist aber in jedem Fall besser zu wissen, was noch in der Kasse ist, anstatt darauf zu vertrauen, dass das Geld schon reichen wird.

Beitrag erschien zuerst auf: papsttreuer.blog.de

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: rita weber

danke dass Sie so objektiv schreiben und sogar beten

Gravatar: Karl Meier

Franziskus scheint für mich doch ein gewisser Irrläufer zu sein. Als bei der fortgesetzten Einschleusung junger Afrikaner nach Europa viele zu Tode kamen, stimmte er ein in den Chor der selbstgerechten Ankläger: "Schande".
Ist er naiv oder will er als Südamerikaner uns Europäern Mores lehren, quasi, "jetzt werdet ihr mal kolonisiert"

Was mich am meisten nervt, ist die Verquickung von religiöser Moral und Politik - zum Nachteil beider.
In der Politik bin ich Bürger, Teil des Volkes und Souveräns. Durch die gewählten Regierungen und Parlamente der europäischen Länder haben die geltende Grenzordnung eingesetzt, sie ist demokratische legitimiert. Wer will sich anmaßen, sie auszuhebeln? Ich erwarte auch von meinem Religionsoberhaupt Respekt gegenüber der Sphäre der Politik.
Dagegen kann in einer Kirche, in einer Religionsgemeinschaft per se keine Demokratie herrschen. Denn Religion ist die Bindung an etwas Höheres - über das nicht abgestimmt werden kann. Von einem Papst erwarte ich klare Orientierung am Evangelium und an der Tradition der Kirche. Ich erwarte von ihm, dass er unsere Identität verteidigt und den Gegnern des Glaubens und seiner Schutzbefohlenen deutlich entgegentritt, statt sich von ihnen benutzen zu lassen.

Ich glaube, zu viele Kirchenleute gefallen sich in modischen Phrasen wie "Toleranz", "Nachhaltigkeit", "Dialog" und merken gar nicht, wie sie ihre Schäfchen im Stich lassen und ausliefern.

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