Gier!

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"Der entscheidende Punkt ist doch, dass die Gier, leider gibt es dafür kein besseres Wort, gut ist. Die Gier ist richtig, die Gier funktioniert. Die Gier klärt die Dinge, durchdringt sie und ist der Kern jeden fortschrittlichen Geistes."

80er-Jahre-Junkies werden bei diesem Zitat Gänsehaut bekommen: es stammt aus einer Rede des Film-Wall-Street-Magnaten Gordon Gecko vor den Aktionären des von ihm beherrschten Unternehmens Teldar Paper. Nun wird man sich denken können, dass es aus Sicht eines Christen dazu einiges an Widerspruch zu erheben gäbe. Nimmt man aber zur Kenntnis, dass es sich bei Gecko in dem Film um den Bösewicht handelt (wenn auch, wie im Making-of berichtet wird, Michael Douglas für diese Rolle Post erhalten hat, in der Fans bekunden, aufgrund seiner Darstellung Börsenmakler geworden zu sein – die 80er eben) und betrachtet den Satz aus Sicht unseres Widersachers, dann erhält er durchaus Sinn. Verkehrt man nämlich in dieser Hinsicht die Begriffe „gut“ und „richtig“ in „böse“ und „falsch“ – natürlich mit der positiven Konnotation des Diabolus – und interpretiert Fortschritt aus dieser Sicht als Erfolg (also Abwendung von Gott), dann heißt der Satz

Der entscheidende Punkt ist doch, dass die Gier, leider gibt es dafür kein besseres Wort, böse ist. Die Gier ist falsch, die Gier funktioniert. Die Gier klärt die Dinge, durchdringt sie und ist der Kern jeder Abwendung des Geistes von Gott.

Erhalten geblieben sind drei Formeln, die uns dann interessieren müssen:

Die Gier funktioniert. Die Gier klärt die Dinge, durchdringt sie!

Dem nun wieder kann man, auf einer etwas abstrakten Ebene zustimmen – denn die Gier ist tatsächlich so etwas wie ein Test, ein Test unserer Beziehung zu anderen, ein Test unserer Beziehung zu uns selbst, ein Test unseres Wertesystems und – wenn vorhanden – ein Test unseres Glaubens. In seiner „Einführung in das Christentum“ beschreibt Kardinal Ratzinger die Ursprünge des Götterglaubens und auch die Anbetungen einer ansonsten säkularen Welt mit der Anbetung des Brotes (des Wohlstands), der Anbetung der Macht und der Anbetung des Eros. Und was anderes ist Gier als Anbetung? Die Gier übernimmt unser Steuerungssystem, verschiebt den Schwerpunkt unseres Lebens hin zu der begehrten Sache. Alles ordnet sich dem unter, das begehrte Objekt oder den begehrten Zustand zu erlangen. Wir werden bereit, bislang geltende andere Werte diesem erstrebten Gut unterzuordnen. Selbst die Frage, ob Menschen, denen ich eigentlich gar nichts Böses will, die ich vielleicht sogar liebe, dem Erreichen meines Wunsches aber entgegenstehen, meine Feinde sein könnten, wird plötzlich relevant. Und wenn wir von der Abwendung von Personen sprechen, dann ist es bei einem Gläubigen auch der personale Gott, der mit seinem Anspruch auf Anbetung meinen Zielen widerspricht.

Papst Franziskus hat es mehrfach gesagt: „Wer nicht Gott anbetet, der betet den Teufel an!“ Was so drastisch und plakativ klingt, hat eine innere Logik. Wer dazu übergegangen ist, Gott nicht (mehr) den ersten Platz in seinem Leben einzuräumen sondern den Wunsch nach größtmöglichem Wohlstand, dem noch größeren Haus, dem noch besseren Auto in den Vordergrund zu stellen, oder den Wunsch nach mehr Macht, nach mehr Umsetzungskraft für meine eigenen Ideen und Visionen, oder den Wunsch nach Liebe einer bestimmten Person, fehlgeleitet wie dieser Wunsch in dieser Sicht auch sein mag, oder allgemein nach Sex – was der Mensch vor Gott stellt, das wird für ihn zum neuen Gott, zum Götzen. Und es bringt einen von Gott weg – wir lassen den Götzen größer werden, sodass selbst der unendliche Gott aus unserem Sichtfeld verschwindet.

Insofern werden wir in dieser Welt von entsprechenden Versuchungen bedrängt: Wer heute fernsieht, Radio hört, Magazine liest, durch die Straßen geht, der sieht entsprechende Werbung, die uns ein schöneres Leben vorgaukelt, wenn wir nur … mehr Geld hätten, das neue Auto führen, eine(n) schönere(n) Frau/Mann hätten, Chef und unser eigener Herr wären. Es ist dabei gar nichts dagegen zu sagen, beispielsweise schöne Dinge auch als solche zu erkennen und anzuerkennen, dass man sie gerne besäße, egal ob es sich dabei um Blumen, ein Auto oder das neueste Mobiltelefon handelt. Es spricht auch nichts dagegen, wenn man zur Umsetzung seiner (hoffentlich wirklich guten) Ideen, eine Position anstrebt, in der man sie umsetzen kann. Und sich in einen Menschen zu verlieben und um ihn zu werben, auch daran ist nichts falsches. Wenn dieser Wunsch aber zur Gier wird, wenn dieser Wunsch sich vor alles andere stellt, wenn selbst Gott hinter diese Gier zurücktreten muss, dann hat diese Gier "funktioniert, unsere Beziehung zu Gott geklärt und unsere Absichten durchdrungen".

Ich schreibe das im zeitlichen und innerlichen Zusammenhang mit dem sogenannten „Limburger Skandal“. Das oben geschriebene möchte ich aber nicht als eine Anklage gegen den Limburger Bischof Tebartz-van-Elst verstanden wissen. Fast im Gegenteil: die obigen Worte stellen mich selbst und mein Prioritätensystem in Frage, und sie sind dazu gedacht, dazu anzuregen, dies immer wieder zu tun, die „Reinheit meiner Absicht“ zu überprüfen und in Frage zu stellen. Man mag sich also durchaus vorstellen, dass die Möglichkeiten der schönen und angenehmen Ausstattung seiner Privatwohnung den Limburger Bischof korrumpiert haben, dass er dem Design und der Qualität des diözesanen Zentrums einen so hohen Wert beigemessen hat, dass Ansprüche wie Wahrheit und Wahrhaftigkeit dahinter zurückstehen mussten, das Zentrum also eine Art Götze geworden ist. Man darf sich aber auch fragen, welche Absichten denn die Kritiker des Bischofs verfolgen – ist es Liebe, mit der sie argumentieren, ist es Gott, der sie zum Sturm auf den Bischof blasen lässt? Geht es den Medien und den anderen öffentlichen Kritikern um die Verbreitung des Evangeliums? Steht Gott im Mittelpunkt der Betrachtungen? Und wenn ich selbst in der Versuchung stehe, über den Bischof und seinen (vielleicht nur vermeintlichen) Drang zum Prunk zu urteilen, ist es dann meine Sorge um sein Seelenheil oder nicht eher der Neid, der mich fragen lässt, wieso und von welchem Geld sich das Bistum solche Kosten eigentlich leistet?

Der Papst hat Recht, wenn er ein ungutes Gefühl beschreibt, wenn ein Priester oder eine Ordensfrau im neuen Auto vorfährt. Aber ich nehme ihm, dem Papst, ab, dass es ihm dabei nicht darum geht, dass er selbst ein solches Auto nicht fährt, sondern ihn die Sorge umtreibt, dass sich Wohlstand und körperliches Wohlergehen einen zu hohen Rang im Leben dieser Menschen des Glaubens erobern könnten. Diese innere Absicht hinter der Kritik des Lebensstils eines anderen ist entscheidend: geht es mir dabei um Gott oder geht es mir um mich und meine persönliche Gier, meine Götter, die sich zwischen mich und Gott stellen? So wird leicht verständlich, warum der Papst Bischof Tebartz-van-Elst nicht, wie teilweise kolportiert, „suspendiert“ oder mit der Auszeit „bestraft“ hat, sondern ihm eine Zeit der Ruhe (auch vor den Medien) gönnt, um die Dinge wirklich zu „klären“. Ich kenne keinen Bericht über die konkreten Inhalte des Gesprächs zwischen dem Bischof und dem Papst, aber ich glaube, es wird dabei nicht um den Preis einer Badewanne sondern um die Bedeutung des angenehmen Lebens und der Repräsentation im Leben des Bischofs gegangen sein.

Beten wir also weiter für den Bischof, der unsere Unterstützung im Gebet womöglich viel nötiger hat als unseren Widerstand gegen hetzerische Berichterstattung; beten wir auch für alle anderen Beteiligten für die Reinheit ihrer Absicht. Und beten wir für uns - und prüfen uns laufend – ob es nicht auch Gier ist, es andere Götter sind, die uns in unserem Leben antreiben. Unsere Gier muss, und dann ist es wirklich schade, dass es dafür kein besseres Wort gibt, alleine Gott gelten – gierig, bei ihm zu sein, dem Gefallen Gottes alles unterzuordnen – das „funktioniert, klärt die Dinge und durchdringt sie“, und dann ist diese Gier auch tatsächlich „gut“ und der Motor des Fortschritts auf dem Weg zu Gott!

Nachtrag: Hier noch ein etwas verlängerter Abschnitt der Gier-Rede von Gordon Gecko; jeder mag sich denken, wie man die weiteren Aussagen interpretieren kann:

The point is, ladies and gentleman, that greed, for lack of a better word, is good. Greed is right, greed works. Greed clarifies, cuts through, and captures the essence of the evolutionary spirit. Greed, in all of its forms; greed for life, for money, for love, knowledge has marked the upward surge of mankind. And greed, you mark my words, will not only save Teldar Paper, but that other malfunctioning corporation called the USA. Thank you very much.

Der entscheidende Punkt ist doch, dass die Gier, leider gibt es dafür kein besseres Wort, gut ist. Die Gier ist richtig, die Gier funktioniert. Die Gier klärt die Dinge, durchdringt sie und ist der Kern jedes fortschrittlichen Geistes. Gier in all ihren Formen, die Gier nach Leben, nach Geld, nach Liebe, Wissen hat die Entwicklung der Menschheit geprägt. Und die Gier, bedenken Sie diese Worte, wird nicht nur die Rettung sein für Teldar-Papers sondern auch für diese andere schlecht funktionierende Firma, die USA. Haben Sie vielen Dank".

Beitrag erschien zuerst auf: papsttreuer.blog.de 

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