Gibt es "gleiche Qualifikation"?

Wie selbstverständlich wird in der Arbeitswelt von „gleicher Qualifikation“ gesprochen. Dabei ist sie in den allermeisten Arbeitsbereichen ein Ding der Unmöglichkeit.

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Völlig unreflektiert und unkritisch wird in unserer Gesellschaft von „gleicher Qualifikation“ gesprochen. Die Rede von „gleicher Qualifikation“ gehört fest zur Verblödungsmachinerie, der wir ausgesetzt sind. Bei Bewerbungen um Arbeitsplätze wird immer wieder die Satzung „Bei gleicher Qualifikation werden ... bevorzugt“ erwähnt. Diese Satzung spielt eine wichtige Rolle in der Beschäftigungspolititk. Sie ist ein Intrument, mit dessen Hilfe bestimmte Arbeitsfelder mit Angehörigen bestimmter Gruppen besetzt bzw. Angehörige bestimmter Gruppen auf bestimmte Stellen gehievt werden.

Doch kann es „gleiche Qualifikation“ überhaupt geben? Wenn ja, in welchen Berufen? Wie lässt sich Qualifikation bestimmen oder gar messen? Schauen wir uns einige Berufe an!

1) Verpacker. Zwei Verpacker sind dann gleich qualifiziert, wenn jeder von ihnen zeitgleich die gleiche Menge von Gegenständen ordnungsgemäß verpackt. Ein anderer Qualifikationsfaktor ist die Ausdauer: Wenn einer der Verpacker bereits nach einer Stunde schlapp macht, der andere erst nach fünf Stunden, ist der letztere für den Job besser qualifiziert. Ähnlich verhält es sich mit Kassiererinnen: Zwei Kassiererinnen sind gleich qualifiziert, wenn jede von ihnen die gleiche Menge von Produkten in der gleichen Zeit kassiert.

2) Verkäufer. Schwieriger wird es, „gleiche Qualifikation“ bei Verkäufern festzustellen. Zwei Verkäufer sind gleich qualifiziert, wenn jeder von ihnen die gleiche Menge von Produkten in der gleichen Zeit verkauft. Oder: Sie sind gleich qualifiziert, wenn jeder von ihnen Produkte im gleichen Wert in der gleichen Zeit verkauft. In diesem Beruf zählen auch noch andere Fähigkeiten, die Qualifikationen bilden, die aber nicht messbar sind, zum Beispiel Freundlichkeit, Überzeugungskraft und Vertrauen schaffen.

3) Wissenschaftler. Zwei Wissenschaftler wären dann gleich qualifiziert, wenn sie wortwörtlich identische Rezensionen, Aufsätze und Bücher geschrieben, identische Vorträge gehalten und identische Veranstaltungen gemacht hätten. Ein solcher Fall ist mir aus der Wissenschaftsgeschichte nicht bekannt und ich glaube nicht, dass er jemals eintreten wird. „Gleichheit von Qualifikation“ ist in der Wissenschaft demnach eine Chimäre, also etwas, was es dort gar nicht geben kann. Wissenschaftliche Qualifikationen sind viel zu komplex, um von Gleichheit zu sprechen. Wissenschaftler sind immer unterschiedlich qualifiziert.

Ähnliches gilt für andere Berufe bzw. Berufszweige, wie zum Beispiel Unternehmer, Ärzte, Juristen, Journalisten und Politiker. „Gleiche Qualifikation“ ist in all diesen Berufen eine Chimäre. Trotzdem werden der Ausdruck „bei gleicher Qualifikation“ und die Satzung „Bei gleicher Qualifikation werden ... bevorzugt“ verwendet, um – wie eingangs erwähnt wurde – Angehörige bestimmter Gruppen zu bevorzugen.

In einigen Fällen lassen sich aufgrund bestehender (oft mangelhafter) Qualifikationskriterien Qualifikationsunterschiede nicht einfach feststellen. Oft ist man gar nicht gewillt, nach weiteren, besseren Qualifikationskriterien zu suchen. Da wo die Differenzen schwer zu ermitteln sind, kann immer gesagt werden, dass „gleiche Qualifikation“ vorliegt. In solchen Fällen kann dann schnell zugunsten der Angehörigen der Gruppe, die man bevorzugen möchte, entschieden werden. Anstatt weitere, bessere Qualifikationskriterien auszuarbeiten, die eine gerechtere Stellenvergabe ermöglichen würden, werden Angehörige einer Gruppe bevorzugt.

Statt von der Chimäre „gleiche Qualifikation“ zu sprechen, sollten wir uns an dem PRINZIP DER BESSEREN INDIVIDUELLEN QUALIFIKATION orientieren. Das Prinzip besagt: Eine Arbeitsstelle sollte diejenige Person erhalten, die für diese Stelle am besten qualifiziert ist, und zwar unabhängig von ihrer Gruppenzugehörigkeit, also unabhängig von Geschlecht, Nationalität, Ethnie, Hautfarbe, Religionszugehörigkeit und sexueller Orientierung. Orientierten wir uns an diesem Prinzip, so würden Arbeitsstellen an Bestqualifizierte vergeben werden. Das Prinzip würde nicht nur mehr Gerechtigkeit schaffen, sondern auch zu mehr Effizienz in der Wirtschaft führen.

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Gravatar: Bruno Köhler

Der Gleichheits-Begriff ist durch die Gender-Politik zur Mode geworden. Gerade weil er wachsweich und dehnbar ist, ist er dort so beliebt. Dadurch werden die Kriterien der „Gleichheit“ durch diejenigen bestimmt, die auch die Genderpolitik bestimmen. Und diese machen die Gleichheit an der (Frauen)Quote fest und vermischen somit Gleichheit mit Gleichmacherei.

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