Es gibt Themen, zu denen ich keine eindeutige Antwort – nicht mal eine, die ich lieber im Hinterkopf behalte ohne sie hier zu veröffentlichen – habe. Mir fehlt einfach die Idee, wie man damit sinnvollerweise umgehen kann. Davon sind zwei ähnliche am Wochenende aufgetaucht. Da ist einmal die Frage, inwieweit eigentlich die Kritiker des Islam, insbesondere dann wenn sie sich der Mittel der Satire bis zur Grenze der Beleidigung bedienen, sich möglicherweise mitschuldig machen an Terrorakten hierzulande oder auch in islamisch geprägten Staaten. Hierzu hat der geschätzte Bloggerkollege Josef Bordat einen kurzen und lesenwerten Beitrag unter dem Titel Checkpoint für Charlie veröffentlicht und ist auch ein Kommentar im Tagesspiegel unter dem Titel Was “Charlie Hebdo” falsch gemacht haben könnte veröffentlicht worden.
Eine weitere, damit in Zusammenhang stehende Maßnahme ist das Verbot der für heute Abend geplanten Pegida-Demonstration in Dresden. Wegen einer Terrorwarnung hat man diese Demonstration – in Abstimmung mit den Veranstaltern und zum Schutz der Teilnehmer – abgesagt.
Nun stellt sich die Frage: War die Entscheidung für Dresden die richtige? Und trägt die Redaktion von Charlie Hebdo eine wie auch immer geartete Mitverantwortung für den Anschlag auf Ihre Mitarbeiter und die gewaltsamen Proteste in islamischen Länder, die sich dort vor allem gegen Christen und Kirchen wenden. Zu letzterem lässt sich zumindest eine gerade Linie ziehen: Die Karikaturen in Frankreich provozieren radikale Islamisten, deren Wut sich in den entsprechend disponierten Ländern gegen Christen wendet, die mit dieser Art der Satire gar nichts zu tun haben und sie vermutlich – nicht nur zum Eigenschutz sondern aus Respekt – gar nicht gutheißen. Der Zusammenhang zwischen beiden Ereignissen ist insofern nicht fraglich, ob der gleichzeitig eine Verantwortung beinhaltet dagegen schon.
Schließlich würde die Zuweisung von Verantwortung bedeuten, dass man unliebsame Kritik lieber unterlässt, wenn dadurch Unbeteiligte zu Schaden kommen können. Und wie man dieses “unliebsam” definiert, legten in dem Fall dann die Kritisierte fest. Einer tatsächlichen Zensur wäre damit Tür und Tor geöffnet. Natürlich kann man die veröffentlichten Karikaturen ebenso kritisieren, damit ist aber die Gewalt gegen die Redaktion und gegen Christen noch nicht legitimiert und es stellt sich direkt die Frage: Wenn diese Art von Karikaturen eine Mitverantwortung grundlegen, wie sieht es denn mit satirischen Spitzen beispielsweise eines Dieter Nuhr aus. Wenn irgendein durchgeknaller Islamist auf den Gedanken kommt, auf Grundlage einer Satire oder auch nur einer wie auch immer gearteten Kritik zu morden und zu bomben, ist dass dann die Verantwortung des Satirikers oder Kritikers? Ist der dann ein Brandstifter? Oder wo liegt die Grenze legitimer Kritik und wer legt sie fest?
Hier wird auch der Zusammenhang zum Verbot der Pegida-Demonstration deutlich. Dass man zum Schutz der Teilnehmer aufgrund einer offenbar nachgewiesenen Bedrohungslage diesen Marsch absagt, erscheint vernünftig. Aber wer bestimmt in Zukunft, welche Demonstrationen abgesagt werden und welche durchgeführt werden können? Ein Haufen von Spinnern – egal ob rechts oder links, politisch oder religiös motiviert? Das Demonstrationsrecht wäre nicht mehr das Papier wert, auf dem es steht. Andererseits stellen manche Aussagen – nicht-offizieller Natur – von Pegida-Teilnehmern auch eine Provokation dar und die Frage steht im Raum, ob solche Provokateure für eine mögliche Eskalation zumindest Mitverantwortung tragen oder die so Kritisierten die Provokationen zu ertragen haben.
Letztlich stellt sich die Frage, inwieweit wir Freiheitsrechte wie das der freien Rede oder das Demonstrationsrecht tatsächlich einschränken wollen, um illegitime Gewalt zu vermeiden – inwieweit wir uns in Geiselhaft von gewaltbereiten Fundamentalisten begeben, um uns selbst zu schützen … aber auch um andere zu schützen, die unter der Ausnutzung unserer Freiheit leiden könnten. Stellen wir unser Grundrecht auf freie Meinungsäußerung zur Disposition, weil das irgendwo in Afrika Islamisten auf den Plan rufen könnte? Diese hop-oder-top-Frage haben weder Josef Bordat noch der Kommentator des Tagesspiegels so gestellt, zu Ende gedacht müsste man sie aber stellen. Früher oder später wird es sonst nicht mehr um Satire gehen, deren Stil man durchaus kritisch hinterfragen kann, sondern um jede Art von Kritik. Eine solche Gesellschaft, in der man sich nichts mehr zu sagen traut aus Furcht, jemandem auf die Füße zu treten, ist jedenfalls nicht mehr frei – die Terroristen hätten in einem wesentlichen Punkt gewonnen, machten wir uns diese Argumentation allzuleicht zu eigen.
Und um den Beginn dieses Beitrags noch mal aufzunehmen: Ich habe keine abschließende Antwort auf die aufgeworfenen Fragen.
Beitrag erschien auch auf: papsttreuerblog.de
Kommentare zum Artikel
Bitte beachten Sie beim Verfassen eines Kommentars die Regeln höflicher Kommunikation.
Eigentlich wollte ich auch antworten. Aber Ihr Beitrag beschreibt es vollumfänglich.
Allerdings möchte ich einschränkend anmerken: Es gibt Provokateure, die auch den gutmütigsten Menschen zum Explodieren bringen.
Weitere Anmerkung: Islamisten brauchen zum Morden von "Ungläubigen" keine Provokation. Noch nicht ein mal zum Morden "Falschgläubiger" aus den eigenen Reihen.
Den falschen Schulterschluss von Moslems und Katholiken in dieser Sache muss ich scharf kritisieren, gerade weil ich Katholik bin. Wenn der Papst sagt, jemand, der seine Mutter beleidigt, bekommt eins auf die Nase, dann ist das schon fraglich, weil auf eine verbale Attacke mit Gewalt geantwortet wird. Natürlich kann man jetzt wieder alles zerreden und "Worte" zu "Taten" erklären, wie das die Philosophie der Sprechakte tut. Es ist aber doch ein fühlbarer Unterschied, ob man nur beleidigt ist oder mit einer Kugel im Kopf am Boden liegt. Wenn Zidane auf die Beleidigung seiner Schwester mit einem Kopfstoß reagiert, wird er eben vom Platz gestellt und Frankreich verliert das Endspiel. Hätte er besser zurück beleidigt, wie das zivilisiert laufen muss.
Außerdem ist das alles unhistorisch. Die atheistischen Linken, wie es die Leute von Charlie Hebdo waren, argumentieren doch ganz richtig, dass die Kirche früher in solchen Fällen eben auch mit Gewalt reagiert hat (immerhin hat sie wenigstens Reue akzeptiert, was im Islam kontrovers diskutiert wird: auch der Reuige soll getötet werden). Es geht also darum, nicht wieder in solche kategorialen Fehler zurückzufallen und Worte mit Gewalt-Taten zu beantworten.
Zu einer zivilisierten Gesellschaft gehört es daß Provokationen, selbst Beleidigungen, ertragen werden. Der Griff zur Waffe ist nicht erlaubt, in keinem Fall! Jedem Provozierten oder Beleidigten steht es frei, sich mit Worten, auch scharfen, auch beleidigenden, zu wehren. Dabei fällt auf, daß nur Moslems so leicht so schwer zu beleidigen sind, daß sie als Antwort nur Mord und Totschlag kennen, auch gegen völlig unbeteiligte. Aber im Islam ist das Tradition: schon Mohammed hat seine Kritiker und Spötter umbringen lassen.