Germanwings-Absturz: Meta-Diskussionen

Der Absturz der Germanwings-Maschine löst Ratlosigkeit aus. Aber ist es notwendig, Bilder zu zeigen, in denen außer der geballten Unkenntnis kurz nach der Katastrophe nichts dokumentiert werden kann? In ein paar Wochen sollten wir uns alle zurücklehnen und selbstkritisch fragen, wie wir alle mit den Geschehnissen umgegangen sind.

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Einhundertfünfzig Menschen sind bei dem Flugzeugabsturz der Germanwings-Maschine über den französischen Alpen ums Leben gekommen. Darunter viele Jugendliche, Kinder, eine ganze Schulklasse aus Haltern. Jetzt stellt sich heraus, dass offenbar (je nach Quelle scheint das noch nicht ganz sicher zu sein) der Co-Pilot das Flugzeug absichtlich zum Absturz gebracht hat. Man fragt sich, wie ein Mensch zu so einer Tat fähig sein soll … und sieht doch überall in der Welt Attentäter und Amokläufer, die kein Problem damit haben, hunderte Menschen in den Tod zu reißen … trotzdem: Der Tod so vieler Menschen macht betroffen, führt uns an die Grenzen unseres Verstehens und wir alle – vor allem die Angehörigen, aber nicht nur sie – brauchen in irgendeiner Weise Interpretationen des Geschehens.

Die einfach zu stellende Frage lautet dabei: Wie kann Gott so etwas zulassen? Natürlich mag es darauf theologisch versierte Antworten geben, aber deren Charme verblasst vor den Bildern der verstreuten Trümmerteile des Flugzeugs. Was mag den Co-Piloten angetrieben haben, immer vorausgesetzt, es ist so abgelaufen, wie es gerade dargestellt wird? Was bringt einen Menschen zu so einer Tat? Ich habe einen Bericht gelesen, in dem ein Psychologe meint, für eine solche Tat – angeblich ein Selbstmord, in dem der Mann dann mehr als hundert Menschen mitgerissen hätte – sei völliges Neuland, dafür gäbe es noch keinen Begriff. Und immer wieder die Frage nach dem Warum, von gläubigen Menschen gerichtet an Gott, von weniger Gläubigen gerichtet an die Welt, notfalls eben die Medien.

Aber die haben – wen wundert es – noch weniger eine Antwort, als ich sie hier geben könnte. Aber anstatt das zuzugeben, anstatt im Angesicht des Grauens einzugestehen, keine Erklärung zu haben, wird – auf Basis der Katastrophe – eine andere Frage gestellt: Haben wir, haben andere richtig, angemessen, über den Absturz berichtet? Hätten die anderen zurückhaltender sein müssen? Ist es notwendig, Sondersendungen zu zeigen, in denen außer der geballten Unkenntnis kurz nach der Katastrophe nichts dokumentiert werden kann? Ist es notwendig, Bilder zu zeigen von Trümmerteilen, immer mit der Gefahr verbunden, etwas zu zeigen, dass ein Verwandter eines Opfers erkennen könnte? Und wie sieht es mit den mannigfaltigen Spekulationen aus – vom Abschuss durch ein französisches Kampfflugzeug bis zu einer False-Flag-Operation (bei der es darum gegangen wäre, einen Terroranschlag vorzutäuschen um dann Argumente für einen Gegenschlag zu haben) war in seriösen und weniger seriösen Medien ziemlich alles dabei.

Sind solche Fragen berechtigt? Das sind sie … in ein paar Wochen. Man muss sich die Frage stellen, wie man als Nachrichtenmedium – bishin zu einem kleinen überschaubaren Blog wie diesem hier – mit solchen Themen angemessen umgeht. Ob mein nur kurzer Beitrag angemessen war: Ich weiß es nicht. Aber ich weiß, warum ich ihn geschrieben habe: Um mir selbst und vielleicht auch anderen bei der Suche nach der Antwort auf das Warum weiter zu helfen. Nicht weil ich eine Antwort hätte, sondern weil ich so sprachlos bin wie die meisten anderen auch. Und in dieser Sprachlosigkeit kann man sich auch zusammen tun – eine Art kollektiver Trauer- und Schockverarbeitung.

Aber eine solche Verarbeitung braucht Zeit! Man muss schon sehr abgebrüht sein, um nach den Nachrichten der vergangenen Tage einfach wieder zur Tagesordnung überzugehen. Jetzt über die Art der Nachrichtenvermittlung zu diskutieren führt an dieser Verarbeitung aber völlig vorbei. Im Medieninfomationsdienst MEEDIA habe ich dazu eine interessante Stellungnahme des Chefredakteurs der B.Z., Peter Huth, gefunden, hier Auszüge:

Der Blattmacher hält die Debatte, ob man grundsätzlich Angehörige der Opfer des verunglückten Germanwings-Fluges zeigen darf, für “nicht zielführend und realitätsfern“. Wenn Journalismus seiner Aufgabe nachkommen soll, die Dinge, so wie sie sind, zu zeigen und zu erklären, brauche es einfach Emotionen. Und diese würden nun mal über Menschen transportiert. “Nur über Emotionalität kann man eine solche Katastrophe vermitteln. Wenn ein Medium nur Pressemitteilungen drucken würde, wäre es dem Leser unmöglich, eine solche Tragödie zu verstehen.“, erklärt Huth gegenüber MEEDIA. […]

Nach Einschätzung von Huth ist das Social Web mitverantwortlich für die “übertrieben hitzige Diskussion“. “Wenn das Internet schon vor 14 Jahren derart omnipräsent gewesen wäre, wäre es bei 9/11 unmöglich gewesen, die ikonographischen Bilder von Feuerwehrmännern, Überlebenden und Angehörigen zu drucken. Dabei sind es gerade diese Fotos, die sich in das kollektive Gedächtnis gebrannt haben und uns dabei geholfen haben, das Leid und das Ausmaß der Katastrophe zu verstehen. Sonst berichten wir am Ende nur über Gebäude und Maschinen”.

Natürlich, der Mann verteidigt seinen Berufsstand und die Funktion der Boulevard-Medien. Aber ich glaube, an dem was er gesagt hat, ist was dran. Wir alle brauchen die Bilder um zu verstehen, um die richtigen Fragen zu stellen, um zu verarbeiten. Dass man von Extremen absieht, die die Betroffenen noch mehr zu Opfern machen, sollte selbstverständlich sein. Aber die Bilder von einer Katastrophe gehören nicht nur zum Geschäft der Medien, sie gehören auch zur Verarbeitung des Geschehens.

In ein paar Wochen sollten wir uns alle zurücklehnen und selbstkritisch fragen, wie wir alle mit den Geschehnissen umgegangen sind, je größer die Reichweite umso intensiver. Aber im Moment kann ich an der Debatte um die “richtige” Berichterstattung außer moralinsaurem Gemecker wenig finden.

Zuerst erschienen auf papsttreuerblog.de

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Unausrootbar

ich glaube nicht an Gott, ich glaube an Menschen die in ihrer Welt keinen Ausweg mehr sehen keine Konsequenzen kennen weil sie sie nicht erleben werden, 8min lang Sinkflug in einen Berg in der alles um ihn rum wahrscheinlich nicht wahrgenommen wurde und die Augen und Gedanken nur auf das Ziel gerichtet waren, das was folgt keinen Unterschied macht weil er seine Lösung gefunden hat

Gravatar: D.Eppendorfer

Auch in diesem Fall überschlugen sich alle Massenmedien auf allen TV-Kanälen, um eine hitzige Gerüchteküche anzufeuern, die nichts außer Vermutungen und Spekulationen von 0815-Experten anzubieten hatte.

Nix wissen, aber die quotensüchtige Sensationsmaschinerie auf Hochtouren betreiben, um die heute übliche inhaltsleere und somit sinnlose Quasselkultur zu zelebrieren, die uns pausenlos zwischen penetranten Werbeaufforderungen, dies oder das zu kaufen, mit allerlei halbgaren Schnapsideen beliefert, die eine kleine Machtelite für nötig hält, um uns bei Steuerzahlerlaune zu halten, denn davon leben ja viele Polit-Parasiten und deren Erfüllungsgehilfen in der Wirtschaft recht angenehm und sorgenfrei.

Ich frage mich jedes Mal, was die Merkels dieser Welt an solchen Katastrophenorten wollen außer sich scheinheilig als mitfühlend volksnah zu profilieren, was viele ihrer anderen Regierungs-Entscheidungen dann aber meist konterkarieren.

Gravatar: FDominicus

"Und wenn der Kopilot das getan hat, was berichtet wird, dann möge er in der Hölle schmoren."

Sie mißverstehen das. Es ist nur ein Mitglied des vermeintlich stärkeren Geschlechts der sich nicht aussprechen konnte. Dafür muß man doch Verständnis haben....

Gravatar: Patriot

Das Entsetzen über dieses Ereignis ist allgegenwärtig, Ich kann mich dem nur anschließen. Ich möchte aber einige grundsätzliche Gedanken einbringen.
Die Frage, wie ein Gott das zulassen kann, ist nicht neu. Weltweit und zu jeder Zeit sterben Menschen durch Kriege, Mord, Totschlag, Unfälle jeder Art, Naturkatastrophen. Die Frage also stellt sich jeden Tag, jede Stunde.
Nun hat der Schöpfer aller Dinge uns Menschen mit der Fähigkeit ausgestattet, mit Hilfe der Technik den Luftraum zu erobern,- ein Medium also, in dem wir eigentlich nichts zu suchen haben. Denn wenn wir fliegen sollten, hätte er uns Flügel beschert.
Auf jeder Zigarettenschachtel steht fett gedruckt etwas über die Risiken des Rauchens. Es kann lebensgefährlich sein. Abgesehen davon, daß das Leben überhaupt lebensgefährlich ist,- müsste auf jedem Auto und auf jedem Flugzeug genau das auch zu sehen sein. Wir schaffen also bewusst mit unseren Möglichkeiten weitere Risiken, suchen aber im Ernstfall Schuldige und Verantwortliche für unser eigenes unverantwortliches Handeln. Das ist schizophren und an sich sinnlos. Wir haben uns in unseren Breitengraden an ein ruhiges Leben gewöhnt. Und können uns kaum noch etwas anderes vorstellen und wähnen uns in trügerischer Sicherheit. Wir haben uns angewöhnt, jede eigene Verantwortung abzugeben. Dies beim Einstieg in ein sicheres Flugzeug, dies beim anlegen des Sicherheitsgurtes im Auto, dies bei der Vollkaskoversicherung gegen alles und jedes. Ereignisse wie der Absturz , bewusst herbeigeführt oder nicht,- machen uns brutal klar: Die Welt ist kein Spasspark! Und wenn der Kopilot das getan hat, was berichtet wird, dann möge er in der Hölle schmoren. Es gibt andere Möglichkeiten, sich umzubringen. Ein Fallschirmsprung aus 10000 m Höhe z. Bsp. Ohne Fallschirm!

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