Gerechtigkeit für Familien

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Während in Berlin an großen Tischen die politischen „Staatsoberen“ über Milliardenbeihilfen für Griechenland verhandeln, bekommen, auf einer anderen Ebene sozusagen, die Familien, die per Hartz 4 Unterstützung zum Lebensunterhalt bekommen, Post von der Kindergeldstelle: Die nach den Hartz-Gesetzen zu viel gezahlte Kindergelderhöhung dieses Jahres von 20 Euro pro Kind und Monat wird zurückgefordert.

Leider ist in den Familien das Geld bereits ausgegeben – denn wer ständig am Existenzminimum lebt, freut sich über jeden zusätzlichen Euro. Und der wird nicht in Flachbildschirmen oder ähnlichem angelegt, sondern dient zur Tilgung aufgelaufener Schulden oder für einen etwas „außergewöhnlichen“ Einkauf – ein gutes Essen, ein Schwimmbadbesuch oder neue Turnschuhe für ein Kind.

In diesem und im vorigen Jahr wurde das Kindergeld insgesamt um 30 Euro angehoben. Dieses gilt allerdings nicht für Empfänger von Hartz 4! Der Kindergeldbetrag fließt hier voll in die Berechnung des Zuschusses ein, was bedeutet, dass die Beträge sofort wieder (mit einer gewissen „Verwaltungsreaktionszeit“) abgezogen bzw. zurückgefordert werden. An dieser Stelle stehen jetzt Hunderttausende von Familien in Deutschland.

Das Kindergeld dient dem Familienlastenausgleich

Das Existenzminimum von in Deutschland lebenden Personen, und eben auch Kindern, soll von Steuern freigestellt sein. Daraus wird das Kindergeld „berechnet“. Die schwarz-gelbe Bundesregierung rühmt sich, mit der erneuten Kindergelderhöhung zum Jahresanfang (gleichzeitig wurde die Mehrwertsteuer auf Hotelübernachtungen gesenkt!) den Familienlastenausgleich verbessert zu haben. Das gilt leider nicht für Hartz 4-Empfänger. Denn die Gesetze sehen eine volle Anrechnung der Kindergeldbeträge auf den Hartz 4-Zuschuss vor.

Die Kindergelderhöhung bekommen Eltern gleich welchen Einkommens ausgezahlt. „Reiche“ Eltern bemerken die monatliche Mehrzahlung von (seit dem vorigen Jahr, 2009 Erhöhung um 10 Euro) 30, 60 oder 90 Euro, je nach Kinderzahl, kaum. Bei geringen Zahlungseingängen fallen diese Beträge schon sehr ins Gewicht: Sie können, auch gerade bei kinderreichen Familien, den Ausweg aus der Schuldenspirale, oder zumindest eine erhebliche Erleichterung bedeuten. Wenn sie denn gewährt würden...!

Der „brutalste“ Fall ist der, dass das Geld (die Erhöhung wurde ja erst kurz vor Weihnachten von der Regierung beschlossen) zunächst ausgezahlt wird, dann bereits mit Freude von den Familien ausgegeben wurde – und im Nachhinein erfolgt die Rückzahlungsforderung! Dieser Fall tritt nun genau ein. Eine „Hartz 4-Familie“ mit 4 Kindern bekommt nun für diesen Monat gar nichts oder einen minimalen Betrag Förderung, da für 4 Kinder die Kindergelderhöhung von 2 oder 3 Monaten (das sind 160 oder 220 Euro!) auf einen Schlag zurückgefordert wird! Mietforderung und die normalen Lebenshaltungskosten für Ernährung, Kleidung, Busfahrten für die Kinder zur Schule, Telefon, Schulbedarf laufen selbstverständlich wie gewohnt weiter.

Normalerweise gelingt es schon nur knapp, mit den Beträgen über die Runden zu kommen. Jetzt kann es nicht mehr gelingen! Wo bleiben Gleichberechtigung und Chancengleichheit? Warum bekommen gerade diese Familien, die es sowieso schon so schwer haben, die Kindergelderhöhungen seit 2009 von 30 Euro pro Monat und Kind nicht gutgeschrieben???

Die „Lösung“ dafür ist ganz einfach: Pauschale Erhöhung der Hartz 4-Sätze für Kinder rückwirkend zum 1.1.2010 um 30 Euro! Wir fordern Gerechtigkeit für unsere Kinder und Familien.

Gebt auch den „Hartz 4-Familien, die täglich wirklich kämpfen müssen, die Kindergelderhöhung, die ihnen zusteht! Lasst diese für die Familien in dem Moment der Rückzahlungsforderung entstehenden Härten nicht zu! Gebt diesen Familien ein Zeichen – dass Kinder und Eltern in unserem Land kostbar und wertgeschätzt sind!

Wir brauchen unsere Kinder – wir brauchen unsere Familien! Wir appellieren an die Politiker in Regierungsverantwortung: Treten Sie bitte ein für Gerechtigkeit! Wirkliche Chancengleichheit wird es nicht geben können – aber das, was die Politik dafür tun könnte, sollte sie auch tun. Die Zeit dafür ist da. Gerade jetzt. Schnelles Handeln ist gefragt!


Aktionsbündnis „Gerne leben mit Kindern“, www.glmk.de
Almut Rosebrock
Wachtberg bei Bonn
Tel. 0228/340926

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Almut Rosebrock

Sehr geehrter Herr Rösch!
Es geht mir ganz allgemein um Gerechtigkeit und um Anerkennung dessen, was Eltern in der Versorgung ihrer Kinder zwangsläufig tun und leisten müssen.
Kinder groß zu ziehen, ist nämlich eine extrem anspruchsvolle Aufgabe! (Ich habe 2 Kinder, 8 und 10 Jahre alt.)

Normale Eltern lieben ihre Kinder - und wollen das Beste für sie und ihre Zukunft erreichen.
Allerdings macht es die Gesellschaft Eltern im Moment nicht gerade leicht.
Die Versuchungen und Gefährdungen durch die Medien (Fernsehprogramm, Computer), den Konsumdruck, die extreme Vielfalt, die leichte Verfügbarkeit und gesellschaftliche Akzeptanz von Sex, Alkohol, Zigaretten, Drogen, die Halt- und Orientierungslosigkeit der Zeit machen Kindererziehung nicht gerade einfacher.
Dazu kommen soziale Probleme, zum Beispiel durch uneheliche Schwangerschaften auch im jugendlichen Alter (Frühsexualisierung der Gesellschaft, auch dadurch, dass "Moral" verpönt ist - alles ist "erlaubt", was Spaß macht, nur her damit!), schnelle Partnerschaftstrennungen, Scheidungen, Arbeitslosigkeit, Krankheiten - und der damit verbundene schnelle soziale Abstieg, die mangelnde Anerkennung für die Bedeutung einer engagierten elterlichen Erziehung (Ganztag, Kitas und Krippen sind dafür absolut kein ausreichender "Ersatz"!!! - sie symbolisieren Eltern, der Staat übernehme die Verantwortung - aber das kann und darf er gar nicht!), das "neue" Unterhaltsrecht, das die (meist mütterliche) Sorgearbeit für die Kinder überhaupt nicht anerkennt - all das führt zu großen Schwierigkeiten in Familien.

Kinder Großziehen kostet Geld! Es kostet viel Geld! Und daneben viel Kraft!

Die Wohnung muss größer sein und kostet. Schulmaterialien und Schulfahrt kosten, die dauernd notwendige Kleidungsänderung durch Wachstum und Verschleiß (Strümpfe, Hosen...).
Ordentliche Haushaltsführung, Kochen, Einkaufen, Waschen, Bügeln brauchen Zeit und Kraft.
Den Kindern Grenzen setzen und Orientierung geben erfordert Kraft, Engagement, Einsatz -
viel mehr, als jemand, der keine Kinder hat, es sich vorstellen kann.

Wenn die Politik sagt, sie will Familien fördern und darum das Kindergeld erhöhen, muss sie bitte dafür sorgen, dass diese Kindergelderhöhung, gleich welchen Einkommens, auch da ankommt, wo sie benötigt wird.
Gerade die "staatlich anerkannt armen Eltern" (Hartz 4-Unterstützte) brauchen das Geld!
30 Euro reichen zwar auch nicht weit - aber sind immerhin etwas.
Eltern mit hohen Einkommen wird der erhöhte Zahlungseingang kaum auffallen.
Wenn der Kontostand aber ständig gegen Null (oder darunter) strebt - kann das Geld die Rettung bedeuten! Diese Familien leben in teilweise unendlich schwierigen Verhältnissen!

Kennen Sie Menschen, die so leben (müssen)?

Ich schon. Ich versuche zu helfen, wo ich kann - aber es ist so gut wie aussichtslos, weil sich immer neue Löcher auftun. Es handelt sich um eine alleinerziehende Mutter mit 5 Kindern. Sie hat noch nie einen Cent für die Rente einzahlen können - ist aber eine verantwortliche Mutter.
Allerdings ist das nicht leicht - wenn bereits am 20. des Monats (oder vorher) kein frei verfügbares Geld für Lebensmittel mehr zur Verfügung steht.

Können Sie sich vorstellen, wie das ist???
Wissen Sie, dass in Deutschland Kinder hungrig sein müssen, weil ihre Eltern einfach kein Geld mehr haben? Und weil sich sonst keiner praktisch kümmert.

Darum:
Setzen Sie sich bitte mit dafür ein, dass die Kindergelderhöhung von 30 Euro rückwirkend zum 1.1.2010 ALLEN Eltern ohne Wenn und Aber zur Verfügung gestellt wird!!!
Für Gerechtigkeit - und wenigstens minimal "Chancengleichheit" (wirkliche Chancengleichheit kann es nicht geben, weil die Menschen und ihre Lebensumstände grundsätzlich verschieden sind!)

Mit freundlichen Grüßen

Almut Rosebrock

Gravatar: Benjamin Rösch

Liebe Frau Rosebrock,

dass die aktuelle Finanzpolitik Deutschlands alle Sparbemühungen der letzten Jahre im Bereich der Sozialausgaben karikiert, steht außer Frage.
Was Ihre Vorwürfe an meine Adresse angeht: Ich schrieb ja bereits, dass es durchaus engagierte, gebildete Langzeitarbeitslose mit
pädagogischen Kompetenzen gibt. Dass diese aber alles andere als repräsentativ für ALG-II erhaltende Eltern sind, stimmt leider ebenfalls. Und für alle Länder dieser Welt gilt: Anreize zum Kinderkriegen muss es vor allem in bildungsnahen Schichten geben, um Wohlstand langfristig zu erhalten oder zu mehren.

Für eine weitestgehende Chancengerechtigkeit braucht es aber natürlich auch ein leistungsfähiges und kostenfreies Bildungssystem mit möglichst viel Ganztagesbetreuung. Und auch Sachleistungen, wie z.B. ÖPNV-Tickets, Lernmittel oder Schulspeisung und ggf. die Bereitstellung von Schuluniformen (leider in Deutschland äußerst selten) sehe ich positiv.

Gravatar: Freigeist

Wollte man Kinder ordentlich kleiden, reicht nicht mal der gesamte monatliche Hartz-IV-Satz dafür aus. Essen sollten die Kinder vielleicht auch mal was, oder?

Gravatar: Benjamin Rösch

Die Verzögerung bei der Anpassung der ALG-II-Bezüge an die neue Höhe
des Kindergeldes bzw. die damit verbundene jetzige Einbehaltung des
zuviel Ausbezahlten, führt verständlicherweise zu Unmut bei den
Betroffenen. Sollten sie über diese Maßnahme nicht bereits im Januar
informiert worden sein, handelt es sich tatsächlich um
verantwortungsloses Verwaltungshandeln.
Nichtsdestotrotz ist die Anrechnung von Kindergeldbezügen beim ALG-II
aus gesellschaftspolitischer Sicht richtig. Ein Kind in die Welt zu
setzen ist trotz unserer dramatischen demographischen Situation nicht per se
ein unterstützenswertes Verdienst, sondern in den betroffenen Familien aufgrund der
Korrelation von Langzeitarbeitslosigkeit auf der einen und
Bildungsferne und Passivität auf der anderen Seite zumeist sogar eher
negativ zu bewerten.
Dies ist keine Aussage über den Einzelfall, der
durchaus auch engagierte, gebildete Langzeitarbeitslose mit
pädagogischen Kompetenzen kennt. Aber die Möglichkeit einer
Einzellfallgerechtigkeit bleibt Illusion.

Deutschland braucht viele Kinder, aber vorallem solche mit den
"richtigen" Eltern und die findet man signifikant selten unter
ALG-II-Empfängern.

Gravatar: Freigeist

Diese Peanuts sollte man den Familien belassen.
Der Bürokratenstaat zeigt gerade einmal wieder, für alle sichtbar, seine Dummheit.
Andererseits sollten Leute, die in Hartz IV leben, maximal ein Kind bekommen dürfen. Es kann nicht angehen, dass man seine Kinder anderen Leuten zum Unterhalt aufbürdet. Wenn Kinder jedoch schon mal geboren wurden, z.B. vor dem Hartz-IV-Bezug, sollten sie ein schönes Leben haben - mit einer geringen Anzahl an Einwohnern/Bevölkerung kann sich das Deutschland künftig auch leisten.

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