GENDER MAINSTREAMING

Im Bundesland Oakland (USA) wurden an verschiedenen Grundschulen „Unisex Bathrooms“, gemeinsame Toiletten, eingeführt. Diese sollen verhindern, dass Kinder und Jugendliche in ihrer geschlechtlichen Identitätsentwicklung frühzeitig beeinflusst oder eingeschränkt werden.

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Seit 1999 gibt es an der Universität Hamburg Vorlesungen zu „queer-studies“. Sie dienen dem erklärten Ziel, eine Destabilisierung der zwei-Geschlechter-Ordnung zu erreichen. Auf diese Weise soll eine Vervielfältigung der Geschlechter ermöglicht werden.
Die Entschließung des Europäischen Parlaments zur Homophobie in Europa vom 11. Januar 2006 schafft die politische Voraussetzung dafür, dass Menschen kriminalisiert werden, die der Überzeugung sind, dass Heterosexualität die Norm ist.

Sind diese Phänomene zufällige Erscheinungen des relativistischen Zeitgeistes oder haben sie eine gemeinsame Ursache?
Gibt es eine Deutung und Antwort auf der Basis des biblischen Menschenbildes?
Dieser Artikel möchte zu solchen Fragen fundierte Auskunft geben und dem Leser die Augen öffnen für eine brisante Entwicklung, die in der Gesellschaft
vielfach unbemerkt im Gange ist.

1.Definitionen der Begriffe „Gender“ und „Gender Mainstreaming“
Was bedeuten die Begriffe„Gender“ und „Gender Mainstreaming“, die aus dem Englischen stammen? Im folgenden Kapitel sollen verschiedene Definitionen zu
den Begriffen vorgestellt und miteinander verglichen werden.

1.1.Definition laut Aktionsplattform der 4. Pekinger Weltfrauenkonferenz 1995 Der Begriff „Gender“ wurde auf der Weltfrauenkonferenz so definiert, „‚wie man es üblicherweise bisher gebraucht und verstanden hat.’“  Eine nähere Definition darüber gab es aber nicht und so wurde diese Nicht-Definition der Ausgangspunkt für ein Konzept von Politik, das folgendermaßen beschrieben wird: „Governments and other actors should promote an active and visible policy of mainstreaming a gender perspective in all politicies [sic!] and programmes so that before decisions are taken, an analysis is made of the effects on women and men, respectively.“  Regierungen aller Länder sollen also eine Politik betreiben, die dem Ziel dient, die Gender-Perspektive „in den Mainstream zu bringen“. Dies soll dadurch erreicht werden, dass vor der Umsetzung aller politischen Entscheidungen und Programme analysiert wird, welche Folgen dies für Männer und Frauen hat.

1.2.Definition des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und
Jugend
Zur Umsetzung dieser UN-Resolution ist die deutsche Regierung durch internationales Recht und nationalem Verfassungsrecht nach eigenen Aussagen verpflichtet. Sie nennt dabei den Amsterdamer Vertrag vom 1. Mai 1999, das Grundgesetz, Art. 3 Abs. 2 (GG), verschiedene Bundesgesetze, den Kabinettsbeschluss zur Einführung des Gender Mainstreaming als durchgängiges Leitprinzip vom 23 Juni 1999 und die gemeinsame Geschäftsordnung der Bundesministerien vom 26. Juli 2000. Die Definitionen zu „Gender Mainstreaming“ und „Gender“ lauten wie folgt:

„- Mainstreaming benennt ein Organisationsprizip,
  - Gender ist der analytische Ausgangspunkt gleichstellungsorientierter Arbeit und
  - Gleichstellung ist das Ziel. (…)
Mainstreaming bedeutet, dass bei allen Entscheidungen, also im Hinblick auf Produkte, Außendarstellungen, Personal und Organisation, immer berücksichtigt wird, dass sich Frauen und Männer in unterschiedlichen Lebenslagen befinden.
Mit der Strategie des Gender Mainstreaming wird verhindert, dass scheinbar neutrale Maßnahmen faktisch zu Benachteiligungen führen. (…)
Gender - das bedeutet, nicht stereotyp „die Frauen“ oder auch „die Männer“ in den Blick zu nehmen, sondern Menschen in ihrer Unterschiedlichkeit und Vielfalt zu berücksichtigen. (…) Daher ist es wichtig, Geschlechterdifferenzen wahrzunehmen, sie aber nicht (…) als tradierte Rollenzuweisungen zu verfestigen. Mit Gender ist also immer auch Vorstellungen von Geschlecht gemeint, die sich ändern lassen“ Auf der Internetseite des Bundesministeriums finden sich diese Definitionen
unter dem Stichwort „Was ist Gender Mainstreaming?“. Mit dem Verweis auf das Grundgesetz Art. 3 Abs. 2, das festlegt, dass Frauen und Männer gleichberechtigt sind, scheint das Leitprinzip Gender Mainstreaming der
Umsetzung dieses Paragraphen zu dienen, bei dem es um die Beseitigung bestehender Nachteile und um die Durchsetzung der tatsächlichen Gleichberechtigung geht.
Geschlechterrollen sind nach Auffassung des Bundesministeriums veränderbar, da sie erlernt und nicht angeboren sind wie das biologische Geschlecht. Das
biologische Geschlecht wird zwar nicht hinterfragt, wird aber zweitrangig, da das Entscheidende anscheinend die Geschlechterrollen sind, die jeder Mensch einnimmt.

1.3.Definition des GenderKompetenzZentrums  der Humboldt-Universität, Berlin
Das Gender - Kompetenz - Zentrum schreibt am 08.01.2008: „ ‚Gender’ bezeichnet also das Geschlecht als ein Zusammenspiel aus biologischen Faktoren, wie z.B. einem Chromosomensatz, aus körperlichen Faktoren, wie Größe, Erscheinung, Stimmlage, aus sozialen Faktoren, wie z.B. der Namensgebung, die nach deutschem Recht eine eindeutige Zuordnung zu einem Geschlecht erzwingt, der Erziehung oder der Arbeitsteilung mit Blick auf bestimmte Geschlechterrollen oder der Erfahrung, aufgrund bestimmter Kleidung, Körpergröße oder Haarschnitte als Mann oder als Frau angesprochen und zugeordnet zu werden. [alle Kursiva von S.K.]“ Hier erscheint Gender nun als Konglomerat unterschiedlicher Faktoren, die sich grob in zwei Hauptfaktoren aufteilen lassen: biologische und soziale Aspekte.
Trotzdem scheinen die einzelnen Aspekte nicht ganz trennscharf ineinander überzugehen. Aufhorchen lässt die Formulierung in Zusammenhang mit dem deutschen Namensrecht, welches „eine eindeutige Zuordnung zu einem Geschlecht erzwingt“ . Diese eindeutige Zuordnung scheint vom Gender-Kompetenz-Zentrum nicht erwünscht zu sein.

Weiter betont das Gender - Kompetenz - Zentrum , dass es ein gewandeltes Verständnis von Geschlecht gebe, welches abhängig von gesellschaftlichen Werten und Normen sei. Daraus wird folgender Schluss gezogen: „Dies heißt, auch das als ‚natürlich’ angenommene Geschlecht hat eine Geschichte, denn auch der naturwissenschaftliche und medizinische Blick auf Körper [sic!] ist einem historischen Wandel unterworfen.“  Von daher scheint auch das biologische Geschlecht eine veränderbare Größe zu sein, weil die Auffassung
davon, „ …was biologisch ist, ganz erheblich davon abhängt, was wir sozial als solches ansehen.“ Beide Formulierungen implizieren also, dass biologische
Merkmale keine eindeutigen Zuordnungsfaktoren zum männlichen oder weiblichen Geschlecht zulassen.

Weiterhin spricht das Gender - Kompetenz - Zentrum von Gender Mainstreaming als „Querschnittsaufgabe“: „ …vom Arbeitsleben über die Familie bis zur Wirtschaft, von der Außenpolitik über die Sozialpolitik bis zur internationalen Zusammenarbeit – Gleichstellungsfragen spielen überall eine Rolle. (…) Mit dem Gender Mainstreaming soll die Gleichstellung von Frauen und Männern systematisch in die Planung, Durchführung und Bewertung von Maßnahmen integriert werden.“

Hier stellt sich die Frage, ob das Gender - Kompetenz - Zentrum unter „Gleichstellung“ eine „Gleichberechtigung“ im Sinne des Grundgesetzes versteht oder ob von einer Gleichheit im Sinne von Auswechselbarkeit die Rede ist.

2.Ursprünge der Gender - Theorie
Die verschiedenen Definitionen haben gezeigt, dass sie nicht genügend Aufschluss darüber geben, welche Theorie sich hinter den Begriffen „Gender“ und „Gender Mainstreaming“ verbirgt. Deshalb will ich im Folgenden auf die Ursprünge der Gender - Theorie eingehen.

2.1.Feminismus
Einer der Ursprünge der Gender - Theorie liegt im Feminismus, der im Laufe der Geschichte selbst verschiedenen Einflüssen ausgesetzt war. Von daher sind seine Ausprägungen und Ziele unterschiedlich.

2.1.1.Der liberale Feminismus
Das Ziel des liberalen Feminismus in den 1960er Jahren war es, den Frauen ebenso viel Freiheit in der Gesellschaft zu geben wie den Männern. Jeder Mensch sollte als Individuum angesehen werden und zwar unabhängig davon, zu welcher Gruppe (Geschlecht, Rasse) er gehört. Freiheiten wie z.B. das Wahlrecht der Frau, das Recht der Frau, ein Amt zu bekleiden oder auch das Recht auf Chancengleichheit in Ausbildung und Beruf sind heute selbstverständlich. Der liberale Feminismus gerät jedoch dort an seine Grenzen, „ (…) wo er die tatsächlichen Unterschiede zwischen Mann und Frau ausblendet und nicht sieht, dass viele Gesetze, die zwischen Mann und Frau unterscheiden, gemacht wurden, um die Frau zu schützen.“  Außerdem neigt der liberale Feminismus dazu, die Familie in ihrer Bedeutung als soziale Einheit zu ignorieren und das autonome Individuum in den Mittelpunkt zu stellen. Die Lösung von Problemen sieht der liberale Feminismus nicht auf der zwischenmenschlichen Ebene innerhalb dieser Einheit, sondern fordert staatliche Interventionen. Dies rührt daher, dass der liberale Feminismus davon ausgeht, dass die Unterdrückung der Frau durch gesellschaftliche Strukturen geschieht, die nur „von oben“ (z.B. durch entsprechende Gesetze) verändert werden können. So betont Alison Jagger: „… it is necessary to change the whole existing social structure in order to achieve womens`s liberation.”

2.1.2.Der marxistische Feminismus
Bereits Ende der 1960er Jahre erfolgte eine Hinwendung zum marxistischen Gedankengut, wonach nur durch die Änderung der gesamten gesellschaftlichen Ordnung eine Verbesserung der Situation für die Frau (im Sinne der
Feministinnen) erreicht werden könnte. Die Feministin Kate Miller: “In the subjection of female to male, Engels (and Marx as well) saw the historical and conceptual and [sic!] prototype of all subsequent power systems, all invidious economic relations, and the fact of oppression itself. [alle Kursiva S.K.]“
Sie berief sich dabei auf Friedrich Engels, der in der Einzelehe einen Antagonismus sieht und die Ehe mit der ersten Klassenunterdrückung der Geschichte gleichsetzt. Aus der Sicht Engels ist alle Geschichte Klassenkampf und er platziert den ersten Klassenkampf in die Familie. Doch Engels geht sogar noch weiter indem er in der Rolle des Vaters, der Familie vorzustehen, eine direkte Entwürdigung und Knechtschaft der Frau sieht, die somit „ (…)
Sklavin seiner Lust und bloßes Werkzeug der inderzeugung.“ wird. Die Befreiung zur klassenlosen Gesellschaft beginnt nach Marx und Engels in der
Familie und zwar dadurch, dass die Produktion (Erwerb) und Reproduktion (Zeugung und Erziehung von Kindern) aus der Hand der Unterdrücker (der Männer) in diejenige der Unterdrückten (der Frauen) gegeben werden müssen. Die Befreiung der Frau im Sinne des marxistischen Feminismus kann nur geschehen, wenn die Frau außer Haus arbeitet und von der Last durch Familie und Kindererziehung entbunden wird. Der nächste Schritt zur klassenlosen Gesellschaft ist nach Engels der Übergang der Produktionsmittel in das Gemeineigentum. Dadurch
verliert die Familie ihre Funktion als kleinste wirtschaftliche Einheit der Gesellschaft. Wird auch noch die Pflege und Erziehung der Kinder zur öffentlichen Angelegenheit, sieht der marxistische Feminismus darin die erhoffte Umgestaltung der gesellschaftlichen Ordnung und die Befreiung der Frau.

2.1.3.Der Gender - Feminismus
Vertreterinnen des Gender - Feminismus griffen diese Gedanken und Ziele auf, gingen aber in der Verwirklichung zur Beseitigung der Klassenunterschiede noch einen Schritt weiter. Dabei zieht Shulamith Firestone folgende Parallele: so, wie durch eine Revolte die Produktionsmittel von der unterdrückten
Arbeiterklasse in Besitz genommen werden, so soll in einer Revolte der Unterdrückten (der Frauen) die Kontrolle über die Reproduktion in deren Hände
gelangen. Das Ziel ist also nicht nur die Aufhebung von ökonomischen Klassen, sondern die Aufhebung der Geschlechtsunterschiede an sich. „ (…) so muss die feministische Revolution … nicht einfach auf die Beseitigung männlicher Privilegien, sondern auf die des Geschlechtsunterschiedes selbst zielen (…).“  Eine solche Gesellschaft, die von der Klasse des Geschlechts befreit
ist, beschreibt die Feministin Susan Okin: „Geschlecht hätte nicht mehr gesellschaftliche Relevanz als die Augenfarbe oder die Länge der Zehen.“  Der
Unterschied zwischen Frau und Mann ist in der Gender - Perspektive die Ursache aller Unterdrückung und deshalb muss die absolute Gleichheit hergestellt werden. Firestone räumt zwar ein, dass sie damit an biologische Grenzen kommt, ist aber der Meinung, dass der Mensch die Möglichkeit (und von daher das Recht) hat, über die Natur hinauszuwachsen. „Wir können die  Aufrechterhaltung einer diskriminierenden, auf Geschlecht basierenden Klassengesellschaft nicht länger damit rechtfertigen, dass sie ihre Ursprünge in der Natur selbst hat.“
Die geschlechtliche Verschiedenheit von Mann und Frau wird in der Gender - Perspektive für irrelevant und bedeutungslos erklärt. Dies ist auch der Grund,
warum diese Bewegung den Begriff „Gender“ eingeführt hat und das Wort „Geschlecht“ ablehnt. Per Definition (vgl. hierzu besonders 2.3 Definition des Gender - Kompetenz - Zentrums) wird Gender zur gesellschaftlich
konstruierten Rolle, die unabhängig vom Geschlecht jederzeit veränderbar ist. Nur mit dieser Perspektive lassen sich die Forderung der Gender - Feministinnen nach der gerechten Gesellschaft erreichen: eine absolute Gleichheit im Sinne einer Auswechselbarkeit von Mann und Frau.

Als eine der radikalsten Vertreterinnen des Gender - Feminismus geht Shulamith Firestone noch einen Schritt weiter. Sie sieht die absolute sexuelle Freiheit als Schlüssel zur politischen Befreiung. Die auf Geschlecht basierende Klassengesellschaft konstruiere Ehe und Familie, um die Sexualität zu beschränken. Diese sexuelle „Unterdrückung“ hält Firestone für den
Mechanismus, aus dem jegliche Unterdrückung (politisch, sozial usw.) folgt. Deshalb fordert sie die totale sexuelle Freiheit: „… a reversion to an unobstructed pansexuality – Freud´s ‘polymorphous perversity’ – would probably supersede hetero/homo/bi-sexuality.”  Diese (in Firestones Augen) Befreiung der Sexualität verneint jegliche Einschränkungen hinsichtlich Anzahl, Geschlecht und Alter der Sexualpartner. Letzterer Gesichtspunkt, die
Vernachlässigung des Alters der Sexualpartner, ermögliche sogar eine sexuelle Beziehung zwischen Kindern und Erwachsenen. Dazu Firestone: „Adult/child and homosexual sex taboos would disappear, as well as nonsexual friendship. ... All close relationships would include the physical.”

2.2.Dekonstruktivistische Theorien
Eine Verfechterin der Gender - Perspektive ist die amerikanische Philosophin und Professorin für Literaturwissenschaft Judith Butler, die zu einer
internationalen Homosexuellenorganisation gehört . Bereits 1991 erschien die deutsche Ausgabe des Buches: „Das Unbehagen der Geschlechter“ . Für den Kontext der Gender - Perspektive sind folgende Theorien Butlers relevant:

„1. Es gibt beliebig viele, frei wählbare Geschlechter.
2. Es gibt kein „wahres“ männliches oder weibliches Geschlecht, diese Worte sind nur gesellschaftlich konstruierte Begriffe, um Machtverhältnisse,
nämlich die Herrschaft des Mannes über die Frau, aufrechtzuerhalten.
3. Nicht nur „Gender“ ist gesellschaftlich konstruiert, sondern auch „Geschlecht“ (sex).
4. Ziel muss die „Dekonstruktion“, d.h. die Auflösung von Mannsein und Frausein sein.“

Butler geht davon aus, dass die Geschlechtsidentität (Gender) kein kausales Resultat des biologischen Geschlechts (sex) ist, sondern sieht in Gender eine
„vielfältige Interpretation des Geschlechts“  Für Butler ist die Geschlechtsidentität (Gender) nur eine kulturell bestimmte Rolle, die der sexuell bestimmte Körper (sexed body), annimmt. Weiterhin ist für Butler aber
weder „Gender“ (Geschlechtsidentität) noch „sex“ (Geschlecht) eine konstante Größe noch besteht zwischen beiden eine Kontinuität. Da Gender auf gesellschaftlichen Faktoren beruhe, die aber wandelbar sind, folgert sie daraus, dass die Geschlechtsidentität ebenso wandelbar ist. Da letztere in keinerlei Zusammenhang zum tatsächlichen biologischen Geschlecht (sex) stünden, ist auch dieses gesellschaftlich konstruiert. Um das nachzuweisen, treibt Butler die Unterscheidung „sex“ / „Gender“ bis an ihre logische Grenze. Selbst wenn
man eine geschlechtliche Binarität voraussetzte, so würde weder die Bezeichnung „Männer“ nur auf den männlichen Körper zutreffen, noch umgekehrt die Bezeichnung „Frauen“ nur auf den weiblichen Körper. Aus diesem Standpunkt zieht Butler zwei radikale Schlüsse: „Wenn wir jedoch den kulturell bedingten Status der Geschlechtsidentität (Gender) als radikal unabhängig vom anatomischen Geschlecht denken, wird die
Geschlechtsidentität (Gender) selbst zu einem freischwebenden Artefakt. (…) Wenn man den unveränderlichen Charakter des Geschlechts bestreitet, erweist sich dieses Konstrukt namens ‚Geschlecht’ vielleicht als ebenso kulturell hervorgebracht wie die Geschlechtsidentität (Gender).“

3.Zusammenfassende Gedanken und Ausblick
Liest man mit diesen Hintergrundinformationen die Definitionen des Bundesfamilienministeriums BMFSFJ und insbesondere die des Gender-Kompetenz-Zentrums nochmals, so entdeckt man viele direkte Zusammenhänge. Es wird sehr schnell klar, dass es sich nicht um Gleichberechtigung im herkömmlichen Sinn handelt. Gender Mainstreaming basiert vielmehr auf einer Dekonstruktion von Geschlecht und der Mann-Frau-Dichotomie.
Gemäß der Gender - Theorie gibt es keine Frauen und Männer, sondern fließende Identitäten, die Geschlechtsvariabel sind und sich aufgrund des
gesellschaftlichen Umfeldes in irgendeiner Weise als „Gender“ selbst definieren. Dabei spielen zwar die biologischen, körperlichen und sozialen Faktoren zusammen, letztendlich liegt die Entscheidung aber beim Individuum selbst. Die sexuelle Selbstbestimmung ist somit Ausdruck höchster Autonomie.
Auffällig dabei ist, dass das Zusammenspiel der biologischen und sozialen Faktoren fast ausschließlich als Gegen-Spiel dargestellt werden. Die sozialen Faktoren werden gegen die biologischen ausgespielt. Das Ziel ist die Sicherstellung der Gleichheit von Mann und Frau, oder im Sinne des Gender Mainstreaming ausgedrückt: die Gleichheit aller sexuell selbstbestimmten Individuen.

4.Jüdisch-christliches Menschenbild
Das jüdisch-christliche Menschenbild geht einen anderen Weg. Geist, Seele und Leib bilden hier eine Einheit und stehen nicht in Opposition zueinander. Das biologische männliche bzw. weibliche Geschlecht ist verwoben mit dem
geistig-seelischen Wesen von Mann und Frau. „Und Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde, zum Bilde Gottes schuf er ihn; und er schuf sie als Mann und Frau.“ (Gen 1,27), so lautet der Bericht von der Erschaffung des Menschen im ersten Kapitel der Bibel.

4.1.Ganzheit des Menschen
Die Ganzheit bezieht sich dabei nicht nur auf die Geistseele-Leib-Einheit allgemein. Der Verweis in Gen 1,27 auf die geschlechtliche Differenzierung des Menschen („er schuf sie als Mann und Frau“) zeigt auf, dass das Sein des Menschen die Leiblichkeit und damit die Geschlechtlichkeit einschließt. Auch hier geht das biblische Menschenbild von einer Ganzheit aus, nämlich, dass „der ganze Mensch von seiner Geschlechtlichkeit geprägt ist: der ganze Mensch, in allen Bereichen seiner leiblichen und geistigen Existenz, ist je entweder Mann oder Frau.“  Oder anders ausgedrückt: „Der Mensch ist eine Ganzheit und Einheit von Leib und Geistseele, was keine Aufspaltung in einen geschlechtlichen Körper und eine geschlechtslose Psyche zulässt.“

4.2.Gleichwertigkeit der Geschlechter
In eindrücklicher Weise zeigt Gen 1,27 nicht nur die Gottebenbildlichkeit des Menschen, sondern auch die Gleichwertigkeit der Geschlechter. Es wird keinem Geschlecht der Vorzug gegeben, keines gilt als besser oder wertvoller. „Indem der Mensch von Anfang an nur in der Zweigeschlechtlichkeit da ist, gibt es überhaupt nicht ‚den’ Menschen, sondern es gibt Menschen immer nur als Mann oder Frau.“  Beide Daseinsweisen des Menschen sind gleichwertig, die Frau besitzt die volle Würde der Ebenbildlichkeit ebenso wie der Mann. Auch aus Gen
2,18 spricht die Gleichwertigkeit der Geschlechter: „Und Gott der Herr sprach: Es ist nicht gut, dass der Mensch allein sei; ich will ihm eine Gehilfin machen, die ihm entspricht.“ Diese Stelle zeigt zum einen die Angewiesenheit des Mannes auf die Frau und die Hinordnung der Frau auf den Mann. Der Ausdruck
„die ihm entspricht“ weist darauf hin, dass die Frau gleichwertig ist und dass „… der Begriff des Gleichgearteten wie der Ergänzung enthalten ist…“ . Die ersten dokumentierten menschlichen Worte sind die Jubelrufe (Gen 2,23) von Adam, als er Eva erblickt. Auch sie bezeugen das Bewusstsein eines gleichwertigen Gegenübers: „Das ist doch Bein von meinem Bein und Fleisch von meinem Fleisch; man wird sie Männin nennen, weil sie vom Manne genommen ist.“ Gott gestaltet Eva nicht gleichartig, aber gleichwertig, was Adam im Wortspiel „Mann-Männin“ ausdrückt.  Der folgende Vers, Gen 2,24: „Darum wird ein Mann seinen Vater und seine Mutter verlassen und seiner Frau anhangen, und sie
werden sein ein Fleisch“ unterstreicht noch einmal die Gleichwertigkeit der Geschlechter. „Because the woman alone is the man´s very flesh, their re-union in marriage is a ‚one flesh’ relationship. Adam could not have
joined himself to a lesser creature without degrading himself.”  Die Bedeutsamkeit der Aussage, dass der Mann für diese „Ein-Fleisch-Beziehung“ seine Familie verlassen soll, kann dabei gar nicht hoch genug eingeschätzt
werden. „Die Frau ist für den Mann nach V.24 kostbarster und durch niemanden (weder Vorfahren noch Nachkommen) ersetzbarer Partner.“

Wie lässt sich die Gleichberechtigung von Mann und Frau am besten verwirklichen?

Geschieht sie am besten durch die Abschaffung von Geschlecht an sich? Ist die Gleichheit, die auf einer Nivellierung der Unterschiede beruht, ein Weg in ein
friedliches und erfülltes Miteinander? Oder liegt die Chance für ein versöhntes Miteinander in der Akzeptanz und Würdigung tatsächlicher Unterschiede?
Ich persönlich halte das jüdisch-christliche Menschenbild für die realistischere Grundlage eines versöhnten Miteinanders von Männern und Frauen. Es beinhaltet allerdings das Eingeständnis der eigenen Geschöpflichkeit: Sich nicht selbst zu definieren, sondern in Geist, Seele und Leibe auf den Schöpfer verwiesen zu sein, der mir Leben und Würde zuspricht. Dies bedeutet für mich keine Einengung, sondern die Freiheit vom Zwang, mich selbst immer neu definieren zu müssen.

Literaturverzeichnis
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Unveröffentlichte Werke:
Burkhardt, Helmut: Ethik 2. Teilband, Manuskript, Veröffentlichung Herbst 2008.

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Akhartasia

Als Wissenschaftler bin ich zuerst "Woller", dann "Denker"!

Würde es lohnen, sich auf diesem Hintergrund einmal mit den Biografien der "Gender-Gallionsfiguren" näher anzuschauen?
Was, wenn sich herausstellte, dass sich hinter der "Einebnung der Geschlechter" ein individuelles Motiv verbirgt - nämlich das, dass die Betreffenden nie wirklich ein "Ja" zu ihrer eigenen Geschlechtsidentität gefunden haben?

Gravatar: Gladstone

Die Argumentation des dekonstruktivistischen Feminismus führt sich ja selbst ad absurdum. Wenn keine objektiven Geschlechter gibt, kann es logischer Weise auch keine Frauenförderung geben.

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