Geht oder geht nicht?

Um mir erst mal ein wenig Luft zu verschaffen: einen derart dämlichen Vorschlag habe ich noch selten gehört.

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Und da der Urheber sich „Innenexperte der SPD-Bundestagsfraktion“ nennt, beschleicht mich nicht nur der Verdacht, dass solche „Experten“ in Deutschland nicht nur gewählt sondern zu allem Überfluss auch noch von meinem Steuergeld bezahlt werden. Immer mehr halte ich es da mit Margaret Thatchers „I want my money back!“

Aber eins nach dem anderen: In den letzten Monaten und Wochen wurde scheibchenweise öffentlich, dass der amerikanische Geheimdienst NSA offenbar im großen Stil deutsche Telekommunikationsdaten abgehört und – womöglich – ausgewertet hat. Zu den Betroffenen gehören nicht nur Spitzenpolitiker, die sich dadurch beruhigen lassen, dass NSA oder US-Präsident versichern, dass man sie nun aber ganz sicher nicht mehr abhören wird (wer’s glaubt) oder Terroristen sondern offenbar alle Deutschen, aus der etwas vereinfacht formulierten Einsicht heraus, dass am Ende jeder das Potenzial zum Terroristen hat.

Das Attribut „putzig“ würde ich verwenden, für die immer neu aufbrandende mediale Empörung, wenn Edward Snowden, seines Zeichens ehemaliger NSA-Mitarbeiter und aus US-Sicht Landesverräter, zum Beispiel „enthüllt“, dass nicht nur Bundeskanzlerin Merkel abgehört wurde, sondern auch seinerzeit Bundeskanzler Schröder (der sich ob seines russlandfreundlichen Berufsneueinstiegs hoffentlich keine Illusionen macht, ob er heute noch abgehört wird). Spätestens wenn morgen die Headline erscheint, dass unser Verteidigungsministerium flächendeckend nicht abgehört wurde, wird uns über die Rolle der Deutschen in der Welt ein bisschen was klar werden (wird natürlich nicht passieren, im Gegenteil, aber lustig wär’s schon)

Und weil unsere deutschen Geheimdienste in der Vergangenheit den Zustand entweder verpennt oder vertuscht haben, und sich ganz offenbar auch nicht in der Lage oder in der Verpflichtung sehen, sich gegen unerwünschte Spionage im eigenen Land zu wehren, bleibt nur der Protest, dass das Ausspähen „unter Freunden gar nicht geht“ (wobei wohl auch dem letzten klar geworden ist, dass die Kanzlerin damit nur ihre persönliche Freundschaft gemeint haben dürfte) – und nun der Versuch, es dem anderen heimzuzahlen.

Und so meldet die Rheinische Post:

Nach den jüngsten Belegen für ein systematisches Abhören des damaligen Bundeskanzlers Gerhard Schröder durch den US-Geheimdienst hat die SPD als Konsequenz Gegenspionage gegen die USA gefordert. "Wer uns ausspäht, muss damit rechnen, dass er seinerseits ebenfalls Zielobjekt wird", sagte SPD-Innenexperte Michael Hartmann der in Düsseldorf erscheinenden "Rheinischen Post" (Donnerstagausgabe). Wer jemanden ausspioniere, könne von diesem auch ausspioniert werden, so seien die Grundregeln des nachrichtendienstlichen Handelns, sagte Hartmann, der auch Mitglied des Parlamentarischen Kontrollgremiums ist. Er regte zudem an, an einer sicheren deutschen Kommunikation zu arbeiten und US-Firmen künftig von Aufträgen des Bundes, der Länder und der Kommunen über Kommunikationstechniken auszuschließen.

Im Hinblick auf Umfragewerte ist dieser Vorschlag sicher effizient: „Jawoll“ ruft da der gemeine Deutsche, egal ob politisch links oder rechts verortet, „denen zahlen wir es heim!“ Solche Vorschläge sind auch deshalb so beliebt, weil sie quasi direkt unser Stammhirn ansprechen, dass immer schon geneigt war, demjenigen, der uns Teile unseres Mammuts geklaut hat, einen mit der Keule mitzugeben.

Bei näherem Hinsehen erweist sich aber dabei der Ausspruch unserer Kanzlerin (der mit dem „Ausspähen unter Freunden“) als geradezu ein Ausbund an Weisheit, wenn auch doppeldeutig. Denn wenn das das Prinzip sein soll, dann ist die Spionage gegen einen anderen Staat oder dessen Institutionen und Bürger nur dann erlaubt, wenn der ein Feind, zumindest kein Freund ist. Demnach dürfte Deutschland zum Beispiel Saudi-Arabien kaum ausspähen, so wenig wie China oder andere Länder mit höchst zweifelhaften Menschenrechtszuständen und teilweise kaum verhohlener Sympathie für die Terroristen dieser Welt, zu denen aber freundschaftliche Geschäftsverhältnisse gepflegt werden; bisweilen, wenn es in den Kram passt, versichert man da auch mal Waffenlieferungen in diese Länder und beruhigt sich selbst und den deutschen Michel damit, dass man mit Patroullienbooten keine Menschen auf Marktplätzen erschießen kann. Das würde auch erklären, warum deutsche Geheimdienste bei der Beurteilung echten Terrors immer auf andere Geheimdienste angewiesen sind – man späht den islamistischen Geschäftspartner nicht aus, das „geht gar nicht“.

Die USA dagegen, die sich durch eigene Spionagetätigkeit nun als unser Feind erwiesen haben, oder – nach unserem eigenen Diktion – klar gemacht haben, dass sie uns als Feind betrachten (das ist, nur um das klar zu stellen, nicht meine Meinung, aber offenbar das Weltbild unserer Außen- und Innenpolitikprofis in der Regierung), mit denen man insofern auch keine Geschäfte mehr machen will, die dürfen wir durchaus ausspähen, „das geht“!

Das klingt alles ziemlich wirr, ist aber in sich logisch, wenn Sätze wie „Ausspähen unter Freunden geht gar nicht“ und „Wer uns ausspäht, muss damit rechnen, dass er seinerseits ebenfalls Zielobjekt wird“ versucht unter einen Hut zu bringen. Und da liegt auch der Hase im Pfeffer: Ausspähen „geht“ auch unter Freunden, wenn man sich der Freundschaft nicht sicher ist oder meint, trotz nationaler Freundschaft sei der andere Staat kein besonderer Hort der Sicherung der eigenen (also des spionierenden Staates) Sicherheitsinteressen. Und dazu mag auch Wirtschaftsspionage gehören, die natürlich eine Verletzung der Eigentumsrechte der ausgespähten Unternehmen oder Unternehmer darstellen, gegen den sich ein Staat im Sinne seiner Bürger einzusetzen hat – aus Sicht des Spions kann diese Art der Spionage aber durchaus legitim sein.

In diesem Sinne ist die Forderung, man möge doch bitte, bitte, jetzt nicht mehr gegen „uns“ spionieren, eine geheimdienstliche Bankrotterklärung des Staates, der nicht in der Lage ist, die Interessen seiner Bürger zu vertreten und – lässt man sich durch die Zusage, die Regierung nicht mehr zu bespitzen beruhigen – auch noch eine zynische Ansage an das eigene Volk, im Zweifel doch ein potenzieller Feind zu sein.

Spionage aus „Rache“ ist dagegen weder legitim (welche Interessen sollen denn damit verfolgt werden?) noch im Sinne einer gewünschten Verstärkung der Freundschaft besonders hilfreich. Wenn „wir“ der Ansicht sind, dass durch Aktivitäten der „Amerikaner“, vielleicht auch ohne dass diese das bewusst intendieren, unsere Sicherheitsinteressen negativ beeinflussen, dann sind wir verpflichtet, das herauszufinden und zu erhärten oder zu widerlegen – vulgo zu spionieren. Alles andere, und insbesondere der Vorschlag von Michael Hartmann, ist Kindergarten, und der geht unter Staaten nun wirklich nicht. Ich hoffe, das sagt irgendjemand mal diesem „Innenexperten“ und Mitglied des Parlamentarischen Kontrollrats!

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