Für alle – nicht nur für viele

Kirchensteuer für alle? So schlecht, wie sich dieser Vorschlag zunächst anhört, ist er gar nicht. Wenn unsere Bundeskanzlerin den Islam als zu Deutschland gehörend betrachtet, dann ist es nur selbstverständlich, daß auch die Islamverbände und Moscheevereine gesellschaftliche Verantwortung übernehmen.

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Der Generalvikar des Bistums Essen machte beim religionspolitischen Kongress der Grünen am vergangenen Samstag im Düsseldorfer Landtag einen interessanten Vorschlag:

Kirchensteuer für alle!

Natürlich trifft dann der Begriff Kirchensteuer nicht mehr. Jede weltanschauliche und religiöse Gruppe, die die Voraussetzungen erfüllt, als Körperschaft öffentlichen Rechts anerkannt zu werden, wäre dann zu berücksichtigen. Nun ist wahrlich nicht jede dieser Gruppen und Gemeinschaften als Kirche zu bezeichnen. Viele würden sich sogar entschieden gegen den Begriff “Kirche” verwahren.

Nehme man als Arbeitshypothese mal den Begriff Kultursteuer an. Was sich Bürokraten als politischkorrekten Begriff ausdenken werden, sprengt die Phantasie des Autors dieser Zeilen. Der Begriff Kultursteuer dient hier nur dazu, dem fiktiven Kind einen Namen zu geben, um die Gedanken, die mit einer solchen gesamtgesellschaftlichen Abgabge verbunden wären, aufzuzeigen.

Wenn es heißt für alle, dann muß es wirklich für alle sein. Das ist nicht mehr, als schon längst überfällig. Die Ungerechtigkeit, daß Kirchenmitglieder in unserem Land zusätzlich belastet werden, während die gesamte Gesellschaft von sozialen Dienstleistungen der Kirche profitiert, ist im Grunde längst nicht mehr hinnehmbar. Mehr noch, Kirchenmitglieder stehen unter Androhung der Exkommunikation, sollten sie nicht zahlen. Viele weltanschauliche Grupppierungen mokieren sich zu Recht darüber, z.B. als Atheisten auf kirchliche Träger von Sozialleistungen, Schulen, Kindergärten u.ä. angewiesen zu sein. Humanistische Verbänden können dies ja nicht leisten, da sie keine der Kirche vergleichbaren Einnahmen generieren. Umgekehrt stehen sie so allerdings auch nicht in der Verantwortung. Das müßte sich natürlich ändern.

Konkret könnte so eine Kultursteuer in Höhe von 9% der Einkommenssteuer von jedem erhoben werden. Jeder steuerpflichtige Bürger müßte im voraus erklären, welcher KöR (Körperschaft öffentlichen Rechts) er seine Kultursteuer zufließen lassen will.

Es gibt sicher eine große Zahl von Vereinigungen, Gruppierungen und Gemeinschaften mit religiösem oder weltanschaulichem Charakter, die die Bedingungen zur Zulassung als KöR erfüllen. Der Staat wird da genau hinschauen müssen.

Als dann KöR aufzutreten, impliziert natürlich dann für diese Gemeinschaften auch die Bereitschaft, soziale Verantwortung zu übernehmen und Aufgaben, die derzeit überwiegend in kirchlicher Hand sind, ebenfalls anzubieten. Das muß in entsprechenden Verträgen zwischen dem Staat und diesen Gemeinschaften äquivalent zu den bestehenden Konkordaten geregelt werden.

Ob sich Generalvikar Pfeffer allerdings darüber klar ist, daß dies de facto der Abschaffung der Kirchensteuer gleichkommt, ist durchaus fraglich. Denkt man den Vorschlag zu Ende, so ergeben sich eine ganze Reihe von Konsequenzen, die vielleicht bisher noch nicht bedacht sind.

Die deutschen Bischöfe wären jedenfalls gefordert, ihre Haltung bezüglich der Untrennbarkeit von Kirchenmitgliedschaft und Kirchensteuer zu überdenken. Es ist nämlich durchaus denkbar, daß ein Caritasverband als KöR anerkannt werden könnte. Auch Nichtkirchenmitglieder, die die Arbeit der Caritas schätzen, könnten diesem ihre Kultursteuer zukommen lassen. Ferner ist denkbar, daß beispielsweise die Priesterbruderschaft St. Petrus oder das Institut Philipp Neri (u.v.a.m.) eine Anerkennung als KöR bekämen. Kein Bischof könnte es rechtfertigen, einen Gläubigen für die Mittelzuweisung an eine kirchennahe KöR zu exkommunizieren, nur weil das Geld nicht in die Kasse der Diözese geht.

Wenn unsere Bundeskanzlerin den Islam als zu Deutschland gehörend betrachtet, dann ist es nur selbstverständlich, daß auch die Islamverbände und Moscheevereine gesellschaftliche Verantwortung übernehmen. Wie jede Gemeinschaft mit der Eignung als KöR müßten diese dann natürlich berechtigt sein, Kultursteuer zu empfangen. Umgekehrt gilt aber auch hier, daß dann eine Verpflichtung zur Übernahme gesellschaftlicher und sozialer Verantwortung besteht. Der Betrieb von Schulen, Kindergärten, Krankenhäusern, Altenheimen sowie sozialen Beratungsstellen wäre obligat. Daß in allen derartigen Einrichtungen die staatlichen Vorschriften und Standards gelten müssen, dürfte ebenfalls klar sein. Adäquat zu den Bischöfen müßten dann allerdings auch führende Imame oder Vorsitzende von Moscheevereinen einen Eid auf die Verfassung leisten. Wir wollen ja gerade keine Parallelgesellschaften.

Die Befürchtung, es gäbe ohne Kirchensteuer eine Art elitären Christentums, das wir nicht wollen, macht es nur umso notwendiger, auch andere Gemeinschaften in die (dann) Kultursteuer einzubeziehen. Wir wollen ja auch nicht eine bestimmte “elitäre” Form von Islam, Buddhismus, Humanismus oder anderen Weltanschauung. Wenn schon Einbindung in den staatlichen- gesellschaftlichen Kontext angestrebt wird, sollte diese auch für alle die gleichen Konsequenzen haben. Natürlich kann man eine so weitreichende Änderung nicht in einem Blogartikel erschöpfend bearbeiten, doch das Prinzip müßte klar geworden sein.

So ganz schlecht, wie der eine oder andere auf den ersten Blick gedacht haben mag, ist die Idee gar nicht.

Zuerst erschiienen auf katholon.de

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Buchbaer

Sehr geehrter Herr Winnemöller,
offensichtlich ist Ihnen entgangen, dass die Finanzierung der "sozialen Dienstleistungen der Kirche" nicht aus dem Kirchensteueraufkommen finanziert werden. Diese werden, beispielsweise bei Krankenhäusern, Behindertenheimen.., vom Staat oder den entsprechenden Leistungsträgern getragen. Sicher gibt es im investiven Bereich Ausnahmen. Andererseits finanziert der Staat über soziale Arbeit auch Verkündigung und über Denkmalspflege auch Sakralbauten.

Gravatar: Klimax

Kirchensteuer gehört für alle abgeschafft. "Entweltlichung" war das Zauberwort Benedikts XVI.

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