Freiheit und Verantwortung

Noch einige Bemerkungen zur Anonymität im Internet

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Ich habe viel über das Thema „Anonymität im Internet“, über meinen Artikel „Freiheit und Angst“ und die Kommentare dazu nachgedacht. Die Meinungsunterschiede zwischen mir und einigen Kommentatoren gründen wohl darin, dass wir unterschiedliche Vorstellungen davon haben, wie eine politische Kultur und eine dazu gehörende Diskussionskultur funktionieren bzw. wie aktive Bürger agieren sollten. Meines Erachtens kann eine politische Kultur nicht durch anonyme Akteure aufgebaut werden. Der Bürger, der um den Aufbau einer solchen Kultur bemüht ist, wozu auch die Kommunikation im Internet gehört, sollte sein Gesicht zeigen. Er sollte mit seinem Namen zu seiner Meinung stehen.

Eine wichtige Rolle spielt in diesem Zusammenhang der Begriff der Verantwortung. Zur Freiheit gehört Verantwortung. Das ist keine hohle Phrase. Wenn wir aus Freiheit in der Öffentlichkeit agieren (und Internet ist eine Form der Öffentlichkeit); übernehmen wir Verantwortung. Man könnte auch sagen: Wir haften für unsere Äußerungen. Jemand, der für etwas haftet, sollte als Handlungssubjekt erkennbar sein. Nur so kann man ihm antworten, ihn für etwas verantwortlich machen. Mit anderen Worten: Verantwortung übernehmen heißt Rede und Antwort stehen.

Ein Kommentator schrieb, dass er die Freiheit hat, Meinungen offen oder verdeckt zu äußern. Natürlich hat er die Freiheit und auch das Recht dazu. Meine Frage war jedoch nach den Gründen für dieses „verdeckt“. „Schutz der Privatsphäre“, war seine Antwort. Es geht aber nicht um die Preisgabe von Informationen über das Privatleben, sondern um Diskussionen über öffentlich relevante Themen, vorwiegend politische Themen. Und wenn man sich öffentlich politisch äußert, transzendiert man eo ipso die Privatsphäre. Man muss dann auch mit Angriffen, oft mit unangemessenen Angriffen rechnen.

Ein anderer Kommentator sprach von den Gefahren, die die Preisgabe der personalen Identität im Internet mit sich bringt. Ich möchte diese Gefahren, die ja offensichtlich bestehen, nicht klein reden. Sollten wir aber als aktive Bürger gegen solche Gefahren und Missbräuche nicht ankämpfen, gegebenenfalls rechtlich gegen sie vorgehen? Sollten wir uns von Verrückten einschüchtern lassen? Womit ich wieder bei der Angst angelangt bin und der Notwendigkeit, sie zu überwinden.

 

 

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Max

Der Unterschied ist:

Das Internet vergisst nichts und Google findet alles in Millisekunden. Es ist nicht dasselbe ob man am Stammtisch schwadroniert oder das gleiche schwarz auf weiß in alle Ewigkeit ins Internet stellt. Deshalb JA zur Anonymität.

Wer seinen Klarnamen verwenden will kann das ja gerne tun.

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Gravatar: Kokospalme

Die Geschwister Scholl haben auch nicht ihre Namen auf ihre Flugblätter geschrieben. Sie hätten in diesem Fall nämlich mit „unangemessenen Angriffen“ rechnen müssen. Und sie hätten gegen diese Angriffe wohl kaum rechtlich vorgehen können. Im Gegenteil: Das damalige „Rechtssystem“ verurteilte sie nach ihrer Enttarnung postwendend zum Tode. Die Geschwister Scholl haben sich nicht „von Verrückten einschüchtern lassen“, sondern sind lediglich klug vorgegangen.

Ich möchte keinesfalls unsere derzeitige Situation mit dem Nationalsozialismus gleichsetzen. Ich möchte aber zeigen, dass die Argumentation des obigen Artikels auf wackligem Boden steht.

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