Freiheit in Zeiten von Grippe und Charlie Hebdo

Wer in diesen Grippe-Tagen öffentliche Verkehrsmittel benutzt, den ereilen gänzlich unfreiheitliche Gedanken.

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Freiheit ist – nicht nur für Christen – ein hohes Gut. Für einen Libertären gehört dazu das Selbsteigentum, das beinhaltet, dass ich alles tun darf, solange ich niemand anderem damit schade. Natürlich kommen für einen Christen noch ein paar zusätzliche Rahmenbedingungen im Sinne der verantwortlichen Nutzung der eigenen Freiheit dazu. Zu dieser Verantwortung kann man aber umgekehrt Menschen, die nicht glauben, oder jedenfalls nicht an den Gott glauben, an den wir Christen glauben, schwer zwingen. So bleiben neben naturrechtlicher Verantwortung und dem eigenen Gewissen, was “man” tun darf und was nicht nur noch gesetzliche Regelungen, die es zu beachten gilt. Und letztere gehören immer wieder auf den Prüfstand, ob damit nicht Freiheit in unzulässigerweise eingeschränkt wird. Der Libertäre spricht ansonsten von einem “opferlosen” Verbrechen, also einem Gesetzesverstoß, bei dem niemandem geschadet wird – höchstens den Beteiligten im gegenseitigen Einverständnis selbst.

Wie komme ich darauf? Wer in diesen Tagen, in denen halbe Belegschaften aufgrund von Grippesymptomen zu Hause bleiben, öffentliche Verkehrsmittel benutzt, der stellt sich schon die Frage, inwieweit manche Menschen eigentlich verantwortlich mit Freiheit umzugehen in der Lage sind. Überall wird gehustet, geschnieft und gekeucht. Neben mir saß in der Bahn ein junger Mann, der sich von seinen Hustenanfällen nur kurz zum Nasehochziehen erholt hat, nicht ohne mir beim Aussteigen noch hinterherzunießen. Ich werde nachher erst mal ausreichend Vitamin C zu mir nehmen und hoffen, dass Viren und Bakterien sich davon beeindrucken lassen.

Und ich frage mich: Muss der Mann unbedingt hier sitzen und sich alle Mühe geben, sein Umfeld zu infizieren? Mag sein, dass er Wichtiges zu erledigen hat, und es ist sicher keine gute Idee, die individuelle Bewegungsfreiheit eines Menschen aufgrund seiner Krankheit einzuschränken. Nicht von der Hand zu weisen ist aber auch, dass er (und andere Kranke heute morgen, die eigentlich ins Bett gehören) anderen schaden. Es fallen einem Begriffe wie “Hausarrest” ein, wollte man so etwas gesetzlich regulieren, aber wieso kommt eigentlich niemand auf die Idee, dass es sich hierbei um einen Missbrauch von Freiheit handeln könnte?

Szenenwechsel: In Frankreich tobt offenbar ein Streit hinsichtlich der politischen und gesellschaftlichen Einstellung von Fußballspielern. Da haben es doch tatsächlich einige Fußballer gewagt, keinen “Nous sommes tous Charlies”-Aufdruck auf ihrem Leibchen tragen zu wollen. Im französischen Fußball sind gesellschaftsbedingt ein hoher Anteil Muslime vertreten, die ihren Glauben auch im Sport leben wollen, zum Beispiel auch durch Gebete in der Kabine. Der französische Nationaltorhüter Fabien Barthez wird mit den Worten zitiert “Wenn man in die Umkleidekabine kam, glaubte man sich in einer Moschee.” Die französische Nation, ausgeprägt laizistisch, und mit ihr auch die deutschen Medien fragen sich: Sollten solche religiösen Bekundungen erlaubt sein?

Nur um das klar zu stellen: Es geht nicht darum, dass ein französischer Nationalspieler den Anschlag auf die Charlie-Hebdo-Redaktion verteidigt hätte – was für sich genommen ebenfalls nur eine Meinungsäußerung wäre, über deren vertragliche Konsequenzen mit Fußballvereinen man sich aber immerhin Gedanken machen könnte. Hier weigern sich lediglich Fußballer eine schwarze Armbinde zu tragen oder sich den Satz “Je suis Charlie” zu eigen zu machen – kein Wunder, wenn man die antiislamischen Satiren und Karikaturen des Blattes kennt. Ich kenne auch die antichristlichen Pamphlete und muss eindeutig feststellen: Ich bin nicht Charlie – was nichts damit zu tun hat, das sich die Anschläge verurteile.

Im Raum steht also die Forderung, Fußballer müssten sich gleichförmig mit dem medial propagierten Mainstream verhalten. Es wird – noch – nicht nach Gesetzen gerufen. Aber der gesellschaftliche Druck, der hier nach der Logik “Wer nicht ‘Charlie’ ist, der befürwortet islamistischen Terror” aufgebaut wird, ist möglicherweise deutlich höher, vor allem wenn man bedenkt, dass berufliche Existenzen daran hängen können. Vor dem Hintergrund erscheinen mir meine Gedanken, Grippeinfizierte zum Betthüten zu verdonnern, geradezu als eine Ausgeburt der Freiheitlichkeit.

Beitrag erschien auch auf: papsttreuerblog.de

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Gravatar: Susanne Baumstark

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