Freiheit für alle: Nachschlag

Eigentlich wollte ich mich zur Burka nicht mehr äußern. Das Thema scheint ad acta gelegt. Bis gestern ähnelten die Auslassungen derer, denen in dieser Sache die Entscheidungsgewalt obliegt, einer altersmilden Zwangsneurose.

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Diese Leute erinnern mich einmal mehr an die drei Affen, nein: Sie sind diese drei Affen, aber im Unterschied zu ihnen kaschieren sie die eigenen Autismen mittels endloser Rede, deren Wortmüll dauernd ins Leere läuft. Achten sie auch in Zukunft darauf: Wird es ernst, tun die so, als sei es hauptsächlich peinlich – und im Grunde halb so wild. Die unausgesprochene Parole lautet: Bloß nicht zu tief in der Scheiße wühlen. Platzt einem darob endlich der Kragen, speit man Gift und Galle. Darum jetzt noch einmal dieser Nachschlag.

Mein Eindruck: Jede noch so dreiste Bemerkung wird sofort übertroffen, als ginge es darum, einen neuen Weltrekord aufzustellen. Man fragt sich: Sind die alle gedopt? Es geht hier aber nicht um irgendwelche sportlichen Verrenkungen, es geht um Recht und Ordnung. Ob wir das vielleicht bei all dem Gerede langsam aber sicher vergessen sollen? Unsere Gesetze gleichen immer mehr jenen locker vereinbarten Klassenregeln, an die sich von den Rackern keiner ohne Schelte hält. Der unverbindliche Kanon hängt an jeder Wand, wie ein Poster von der Stange, hübsch verziert, mit Edding zugeschmiert. Eines Tages landet das abgewetzte Stück dann im Müll, wo es offenbar hingehört.

Gestern stieß ich beim zappen auf ein kieksiges Moderatoren-Mäuschen, dem die ´Macher´ vorher noch das Prädikat ´Expertin´ in Form eines zu kurz geratenen, blütenreinen Lätzchens um den schlanken Hals gewickelt hatten: Das bremst den infantilen Sabber und erspart der modischen Fransenbluse hässliche Fleckchen. Sie, cool grinsend: “Ein Burka-Verbot beträfe ja ohnehin nur an die hundert Burka-Trägerinnen.“ Die Sache zählt also gar nicht. Wenn es aber tatsächlich so wenige sind, die solcherart hinter einer schwarzen Ganzkörperrobe verschwinden, warum dann eigentlich keine konkrete, keine genaue Zahl? Kann man doch im Zweifel locker nachzählen. Womöglich wird das demnächst noch nachgeholt. Dass die im Grundgesetz verbrieften Freiheitsrechte nicht nach einfachen Mehrheiten verteilt werden versteht sich von selbst, aber wenn die durchgeknallten Minderheiten in diesem Land, denen unsere dauernde Fürsorge gilt, einer bequemen ´Abrundung´ unterworfen werden, dann sind die rechtstaatlichen Prinzipien ohnehin schon auf den kläglichen Rest einer Konkursmasse zusammengeschrumpft, über die recht unbekümmert verfügt wird. Unsere Eliten zeigen wie das geht.

Was sie in heiklen Fragen immer am besten können: lavieren und lamentieren. Und dies mit Nachdruck, auch jetzt wieder, obschon die ´Sache´ denkbar einfach steht, eben weil sie auf selten eindeutige Art und Weise unmissverständlich bleibt. Kompliziert machen es solche, die kneifen. Konkret: Kann es ein Teilrecht auf Freizügigkeit geben? Eine geteilte Bewegungsfreiheit? Freedom light? Ein Teilverbot in Sachen Freiheitsberaubung? Vielleicht verkauft man uns das demnächst auch noch als alternativlos – wir arbeiten schon feste dran. Teilgesetze, Ausnahmeregelungen und Sonderverordnungen: Statt klarer Kante kumuliert der faule Kompromiss. Unsere Grundsätze und Prinzipien, vermeintlich fest und unverrückbar, geraten so unter den Hammer. Um ihre Substanz wird bereits gefeilscht wie auf einem Basar. Bei Gelegenheiten wie diesen erfahren wir, wie weit es schon gekommen ist. Da zieht eine Frau vor das Osnabrücker Verwaltungsgericht, weil man ihr untersagte, mit dem Nikab (Totalverhüllung vom Kopf bis zur Sohle) in der Abendschule zu erscheinen. Soll heißen: Hier ruft jemand den Rechtsstaat an, um das von ihm selbst heilig gesprochene Unrecht rechtskräftig durchzusetzen. Aber das schicke Propaganda-Küken (s.o.) hat uns ja schon darüber belehrt, wie randständig solche Phänomene sind. Sie muss den Fummel ja nicht tragen. Wie auch immer: Ab der hundertsten Klage – vielleicht schon eine Sammelklage – fangen wir endlich doch an, mitzuzählen. Unsere Tage könnten dann auch schon gezählt sein …

Die Burka, so belehrt uns das Innenministerium, passe nicht zu einem weltoffenen Land. Hört sich gut an, soll halt beruhigen, aber das Wesentliche bleibt damit einmal mehr unerwähnt. Wesentlich wäre nämlich der Zusatz, dass dieser abscheuliche Stoffkäfig in Wahrheit verboten ist und bleibt: Wer ihn trägt oder tragen lässt, verstößt damit automatisch gegen eine ganze Reihe geltender Gesetze. Allerorten, nicht einzig im öffentlichen Raum. Vor allem das verfassungsrechtlich geschützte Gleichheitsprinzip ist und bleibt mit dieser Art Zwangsjacke völlig unvereinbar, da gibt es gar nichts zu deuteln. Deutlich sichtbar – sichtbarer geht gar nicht – ist hier der Bestand einer Straftat gegeben, und das nun wirklich unabhängig davon, wie weltoffen sich das Land gibt, in dessen Grenzen ein Grundsatz gilt, um dessen Verteidigung sich all jene herum drücken, denen die Verfassung genau das zur Pflicht macht: sie zu schützen und zu wahren, und ja: immer auch zu verteidigen, wo dies nötig wird. Ruhig auch in gerade mal hundert Fällen, die zu zählen der Mühe nicht wert sein soll. Bislang hat man das Phänomen Vollverschleierung mangels Häufung ignoriert. Jetzt aber, wo die Katze aus dem Sack ist, verständigen sich die Eliten darauf, die rechtliche Grundierung neu zu verhandeln, genauer: einer ´Sonderbehandlung´ zu unterziehen. Darauf verstehen sich die Deutschen, das können sie seit Gröfaz richtig gut. Frau Merkel würde sagen: Wir schaffen das. Wohlgemerkt: Hier geht es nicht um eine Ordnungswidrigkeit. Die rundumversiegelte Muslima ist kein Gebrauchsgegenstand. Es spielt auch keine Rolle, wie sie selbst dazu steht. Wo kämen wir hin, wenn jeder den eigenen Willen über das Gesetz stellt?

Mit der geplanten ´Doppel-Lösung´ wird ein deutliches Signal ausgesendet. Jenen, an die es gerichtet ist, geben wir zu verstehen: Unsereins rückt vom zäh errungenen rechtstaatlichen Bestand schon einmal ein klein wenig ab, das wird für den Anfang reichen und das erleichtet dann auch jedes weitere ´Nachrücken´. Übung macht den Meister. Soll heißen: Wir kommen euch, die ihr eigentlich außer Landes oder ins Gefängnis gehört, schon mal ein wenig entgegen und wir hoffen inständig, dass ihr uns das nicht vergesst. Wir werden so zu Mittätern. Wie gerne wird dieser Tage abgewiegelt: Es gäbe doch wirklich wichtigeres als das. Wer so spricht verharmlost böse Dinge, entzieht sich also ihrem Anspruch, der ihn später doch noch einholen wird. Das ängstliche Ausweichen bereitet die Art des Entzuges vor: Ohne Kater ist er nicht zu haben.

Jedem also das seine. In den entsprechenden Formulierungen heißt das einmal: Wir lehnen die Burka ab – zwecks Beruhigung der einen. Die andern besänftigt man mit einem Teilverbötchen. Diesen andern aber, die zu keinerlei Kompromissen überhaupt bereit sind, die Burka beweist es, empfiehlt man sich auf diese Weise als ´lame duck´. Die lahme Ente schnattert sich derzeit um Kopf und Kragen. Ihr werden am Ende auch noch die letzten Federn gerupft, bevor sie endgültig in der Pfanne verschwindet.

Armes Deutschland.

Geschrieben von Shanto Trdic, 22.08.16

Zuerst erschienen auf numeri249.wordpress.com/2016/08/22/freiheit-fuer-alle-nachschlag/

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: FDominicus

Herr Ceval, das eine folgt nicht aus dem Anderen. Es geht explizit nicht um die Etablierung eines Burkagebotes, was genauso illiberal wäre wie ein Verbot. Die Burka ist nicht das Problem. Das Problem ist, daß Gesetze nur noch sehr selektiv gelten und sich Staatsdiener nicht mehr daran zu halten haben.

Gravatar: Ron Ceval

@ Bruder Dominicus: die Welt ist zu komplex um sie mit simplen Kausalketten erklären zu können. Was Herr Trdc ausführlich darlegt, ist die Veränderung unserer Gesellschaft durch ein agressives Breitmachen islamischer Vorstellungen und Traditionen, mit dem offensichtlichen Ziel unsere derzeitigen Werte zu relativieren und schließlich durch die Vorschriften des Koran endgültig zu ersetzen, und zwar verbindlich, unter Androhung unappetitlicher Strafen für ALLE, auch für mildgestimmte Relativierer anderer Religionszugehörigkeit und besonders für bekennende Atheisten.

Gravatar: FDominicus

"Vor allem das verfassungsrechtlich geschützte Gleichheitsprinzip ist und bleibt mit dieser Art Zwangsjacke völlig unvereinbar, da gibt es gar nichts zu deuteln. "

Nein stimmt es nicht. Nur ein Verbot wäre es wenn es speziell auf Frauen zutrifft.

Es ist auch fraglich auf Gesetze zu verweisen, die es zwar gibt, die es aber gar nicht geben sollte. Ihnen schadet die keine Burka und kein Turban.

Und es wäre einfach wenn wir und an Dinge wie Hausrecht etc. hielten. Die Schule unterrichtet keine Schülerin mit Verschleierung gut hat die Schule halt so entschieden. Wenn sich jede Schule weigert, können wir auch gleich den Schulzwang abschaffen. Und dazu mindestens 90 % aller derzeitigen Gesetze.

Es ist nicht liberal etwas vorzuschreiben oder zu verbieten was niemandem schadet und ob Ihnen die Burka gefällt oder nicht ist Ihr Problem.

Es gibt weder ein Grund für ein Verbot noch Gebot und daher braucht es auch keines Gesetzes.

Und außerdem ist es erbärmlich auf ein Kleidungsstück abzufahren wenn nicht einmal die wichtigsten Staatsaufgaben erfüllt werden. Es ist keine Staatsaufgabe Kleiderordnungen aufzustellen. Das kann jeder Betriebt für sich lösen.

Erklären Sie mir das Problem wenn man in eine Ausschreibung scheibt - wir wollen keine Frau in Burka und einen Mann mit Turban stellen wir auch nicht an. Wo genau ist da ein Problem?

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