Freibrief für das Intervenieren (durch die Genossen)

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Das Verfahren gegen eine massiv einseitige ORF-Berichterstattung ist beim Verwaltungsgerichtshof endgültig verloren gegangen. Trotzdem vielen Dank an die fast 600 Unterstützer, die sich gemeinsam mit mir gegen die Verwandlung des von allen Bürgern zwangsfinanzierten ORF zu einem reinen Parteienfunk zu wehren versucht haben. Es gibt ja doch noch Zivilcourage. Aber im konkreten Verfahren waren die Chancen zu jenem Zeitpunkt endgültig dahin, als im Verwaltungsgerichtshof der Präsident selbst den Vorsitz im urteilenden Senat übernommen hat. Ist dieser Präsident doch seit Jahrzehnten dafür bekannt, fast immer stramm an der Seite der SPÖ zu stehen. Warum sollte er eine solche Verhaltensweise knapp vor dem Pensionsdatum ändern?

Die Entscheidung des VwGH kann wohl nur als endgültige Entsorgung des im Gesetz für den ORF eigentlich ausdrücklich festgehaltenen Objektivitätsgebots verstanden werden und als Freibrief für die straflose und künftig absolut hemmungslose Intervention der Genossen im Gebührensender.

Kurz noch einmal die wichtigsten Fakten der Geschichte: In einer ZiB-Sendung hatte eine Redakteurin journalistisch völlig korrekt berichtet, dass Arbeiterkammer und Landwirtschaftskammer Parteien finanzieren. Das stimmt zumindest in der vom Staat bei seiner Steuereintreibung selbst immer praktizierten wirtschaftlichen Betrachtungsweise total.

Der Bericht enthielt aber streng formal eine kleine Ungenauigkeit: Die Finanzierung erfolgt nicht direkt über die Kammerorganisation, sondern über die parteipolitischen Fraktionen in den Kammern. Diese erhalten das üppige Geld dafür sehr wohl direkt von der Kammer. Und zwar genau zu dem Zweck der Parteienfinanzierung, auch wenn es natürlich nirgendwo festgeschrieben ist. Aber rein formal ist es eben nicht „die Kammer“, sondern es sind ihre Fraktionen, die ja alles bestimmen, was in einer Kammer geschieht. Ein toller Unterschied.

Das kommt einem in etwa so vor, wenn man schreibt, der Nationalrat habe etwas beschlossen. Und dabei waren es ja nur SPÖ und ÖVP (beispielsweise).

Wie auch immer. Das war ja nur als Vorgeschichte wichtig in Erinnerung gerufen zu werden. Denn erstaunlicherweise hat diese kleine Ungenauigkeit zu einer „Richtigstellung“ in einer weiteren ZiB geführt. Eine solche müsste der ORF hunderte Male im Jahr aus viel gravierenderen Anlässen machen und macht sie nicht. Diese Richtigstellung war dann aber wirklich endgültig ein Skandal. Und zwar gleich in zweifacher Hinsicht. Erstens wurde behauptet, dass die Kammern die Parteien nicht finanzieren; aber gleichzeitig wurde die entscheidende und bei objektivem Journalismus unverzichtbare Tatsache verschwiegen, dass es statt der Kammern halt die Fraktionen sind, welche die Parteisubventionen abwickeln.

Und zweitens wurde die Richtigstellung nur in Hinblick auf die Arbeiterkammer, nicht die Landwirtschaftskammer gemeldet. Der ORF hat im Verfahren selber zugegeben, dass die AK interveniert habe, die Landwirtschaftskammer eben nicht. Damit ist im Endergebnis die – sich korrekt verhaltende – Landwirtschaftskammer bestraft worden, die intervenierende Arbeiterkammer hingegen belohnt.

Der VwGH-Präsident aber schreibt: „die Verpflichtung, im Rahmen dieser einzelnen Sendung sämtliche potentiell Betroffenen (insbesondere alle Vertreter von Interessenvereinigungen und Kammern) zu Wort kommen zu lassen, um dem Objektivitätsgebot zu entsprechen, bestand hingegen nicht“.

Eine ziemlich provozierende Argumentation: Denn weder die von mir eingebrachte Beschwerde noch sonst jemand hatte verlangt, dass „alle“ und „sämtliche“ Interessenvertretungen zu Wort kommen hätten müssen. Das ist mit Verlaub eine rein polemische Unterstellung eines Gerichts. Verlangt war nur worden, dass man objektiverweise alle zwei Institutionen nennen hätte müssen, die auch schon Tags davor genannt worden sind. Oder dass man eben auf diese eigentlich überflüssige Richtigstellung der ersten Meldung verzichten hätte sollen.

Tatsache ist jedenfalls, dass bei beiden Kammern ja der gleiche kleine formale Umweg bei der Parteienfinanzierung über die (üppig versorgten und jeweils klare Parteifreunde habenden) Fraktionen gegangen wird.

Aber es hat halt nur der Genosse aus der AK beim Genossen im ORF angerufen. Und der VwGH findet da alles in Ordnung. Er fügt aber gleich hinzu, dass der ORF nicht verpflichtet wäre, jeden Anrufer zu beachten. Offenbar dann nicht, denkt sich der Leser des Spruchs, wenn der Anrufer halt kein Genosse ist.

Die Behauptung, dass auch bei manchen Richtern Anrufe von Genossen erfolgversprechender sind als andere, weise ich natürlich mit aller vom Gesetz verlangten Schärfe zurück.

Weiterlesen auf: anderas-unterberger.at

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