Fortschritt mit Gottesglauben?

Der Philosoph Leibniz zeigte die Möglichkeit der Koexistenz von Vernunft und Glauben. Seine Überlegungen boten eine Alternative für Europa, der die übrige Welt zur damaligen Zeit wohl gefolgt wäre. Diese historische Möglichkeit wurde mit der Aufklärung verspielt. Das hat Auswirkungen bis in die heutige Politik hinein – weltweit.

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Es ist heute ein Gemeinplatz, „die Aufklärung“ als eine der wichtigsten Grundlagen der europäischen Zivilisation zu sehen; jedenfalls wird sie derzeit wieder ständig angeführt, wenn es darum geht, gegen was auch immer „die Errungenschaften der Aufklärung zu verteidigen“. Zweifellos hat die Emanzipation von hemmenden Bindungen aller Art und der Primat der Vernunft zu grandiosen Ergebnissen geführt. Dabei sollte der Anteil des bereits am Beginn der bürgerlichen Epoche aufkommenden kapitalistischen Wirtschaftens an dieser Entwicklung, der kaum überschätzt werden kann, nicht unterschlagen werden. Allerdings wird die Aufklärung, historisch bedingt, zu undifferenziert in einen unversöhnlichen Gegensatz zu „den Religionen“, speziell dem kirchlich verfassten Christentum, gesetzt, die ihm vernunftwidrig erschienen seien.

 

Auch werden gerne ihre negativen Begleiterscheinungen ausgeblendet, wie sie zum Beispiel schon vom Zeitgenossen der Epoche der Aufklärung, Marquis de Sade, angedeutet wurden. Wer ja sagt zur Französischen Revolution und der Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte, darf nicht leugnen, dass sie mit dem Raub von Eigentum durch massenhafte Enteignung, staatlichem Terror und Bürgerkrieg sowie aggressivem Nationalismus einherging, der sich über anderthalb Jahrhunderte hinweg, von Napoleon Bonaparte ausgehend, in Stufen immer weiter steigerte – einer der größten Bonaparte-Bewunderer war Adolf Hitler.

 

Gegensatz zwischen Christentum und Modernität?

Eine historisch-ausgewogene Sichtweise sieht im Mittelalter nicht etwa, wie die Aufklärer, ein „dunkles Zeitalter“, sondern eines, in dem das Heilige und das Profane noch eine gute Beziehung eingehen konnten. Seit der Reformation wäre, so gesehen, ein Verfall dieser geistigen und geistlichen Kohärenz zu beobachten. Mit dem Verdrängen des Heiligen hat der Mensch, so betrachtet, seinen metaphysischen Halt verloren und sich zunehmend dem Zähl- und Messbaren, also der Technik im weiten Sinne ausgeliefert. Das bedeutet dann keineswegs einen uneingeschränkten Fortschritt, sondern im Gegenteil einen Abstieg in ein – eventuell immerhin sozial behütetes – „Fellachentum“. Heute wird auch von Historikern, die diese überwiegend positive Einschätzung nicht teilen, zugegeben, dass das Mittelalter keineswegs ein statisches Zeitalter gewesen ist, sondern eine Dynamik hatte, die möglicherweise weniger zerstörerisch war als die von der Aufklärung angestoßene. Jedenfalls ist es unzulässig, in teleologischer Weise zum Beispiel die Renaissance aufgrund der faktischen Entwicklung mehr der Moderne als dem Mittelalter zuzuordnen: Zwar ist sie historisch der Vorläufer der Aufklärung, kann aber auch als Stufe in der mittelalterlichen Geschichte gesehen werden; auf jeden Fall hätte aber die Entwicklung auch anders verlaufen können. Geschichtsdeutung ist immer rückwärtsgewandte Prophetie.

 

Aufklärer wie Rousseau, Voltaire, d’Alembert, Hume und Gibbon wandten sich tatsächlich gegen religiöse Vorstellungen an sich, ja, man kann sie als Feinde des Christentums bezeichnen. Dass sie persönlich ihr Mut in Zeiten ehrt, die noch unter dem Eindruck der Gewaltexzesse der Religionskriege standen und in denen freies Denken ein Risiko bedeutete, das allerdings geringer war als später in den aufgeklärten säkularen und atheistischen Staaten das Bekenntnis zum Glauben, macht ihre Argumente nicht unbedingt besser. Eine bestimmte Form der Aufklärung setzte sich durch, die Rede von Gott entfernte sich immer mehr vom dogmatischen Gottesbild der christlichen Kirchen und wurde spöttisch, überhaupt ablehnend oder bestenfalls metaphorisch. Zwar war die Philosophie bei Hegel und Kierkegaard und auch späteren Denkern immer noch (auch) Theologie, doch der „Gott der Philosophen“ war definitiv ein anderer als der, an den die Gläubigen glaubten. Die naturwissenschaftlichen Erkenntnisse trugen dazu bei; besonders Darwins Evolutionstheorie erschütterte neben den physikalischen Erkenntnissen zur Kosmogenese den Glauben an den Schöpfergott. Es wurde zuletzt ein scheinbar unversöhnlicher Gegensatz zwischen dem Christentum und modernem Denken konstruiert.

 

Die Vereinbarkeit von Glauben und Vernunft

Gottfried Wilhelm Leibniz war vielleicht der letzte Philosoph, der Gott nicht als Metapher gedacht hat, sondern als evangelischer Christ seine strikt vernünftigen Erkenntnisbestrebungen in der Erkenntnis Gottes münden ließ. Leibniz hielt die christliche Religion nicht nur für mit der Vernunft vereinbar, sondern geradezu für vernünftig. Gott tut nichts ohne logischen Grund, er ist die absolute Vernunft selbst, der höchste Geist (monas monadum). Dass es sich für ihn nicht um einen philosophischen Gott gehandelt hat, zeigen unter anderem seine konkreten Bemühungen um eine Überwindung der Kirchenspaltung und seine Briefe an Jesuiten der Chinamission, in denen er auf rituelle Fragen eingeht. Auch bei Leibniz ist (wie bei den Aufklärern) die Philosophie keine Magd der Theologie mehr, aber es ging ihm nicht um einen Aufstand der Vernunft gegen den Glauben, sondern um die Ermöglichung des Glaubens durch den Nachweis einer Vereinbarkeit mit der Vernunft.

 

Mit Leibniz zeigt sich, dass die geistige Entwicklung Europas auch anders hätte verlaufen können. Er gilt heute als Vorläufer der Aufklärung, womit implizit kritisiert wird, dass ihm noch der Abstand zur Religion gefehlt habe. Genau dies scheint aber eine Schlussfolgerung, die füglich bezweifelt werden kann. Die europäische Aufklärung und mit ihr die dynamische Entwicklung des theoretischen und praktischen Wissens hätten durchaus nicht unter Ausschluss von Religion und Gottesglauben erfolgen müssen. Die ungeheure Breite seiner Betätigungsfelder, von denen nur auf das von Leibniz entdeckte binäre (digitale) Zahlensystem hingewiesen sei, das heute jedem Computer zugrunde liegt, zeigt eindeutig, dass gerade auch der technische Fortschritt, auf den sich die atheistische Moderne so viel einbildet, unter Bewahrung metaphysischer Vorstellungen möglich gewesen wäre. Leider hat Leibniz nur wenig zu Lebzeiten publiziert, sodass seine Wirkung im 18. und 19. Jahrhundert gering war. Der Bruch in der europäischen Moderne wäre ansonsten möglicherweise nicht oder nicht so erfolgt; notwendig jedenfalls ist er nicht gewesen.

 

Universale Harmonie als Einheit der Vielfalt

Der Philosoph und Leibniz-Spezialist Hans Poser fasst zusammen: „Ein zentraler Gedanke von Leibniz war die universale Harmonie als Einheit in der Vielheit. Die Einheit Europas beruhte für ihn vor allem auf der griechisch-römischen Rechtstradition und dem christlichen Glauben, die er beide in besonderem Maße als vernunftbegründet ansah. Die Verschiedenheit hingegen, die es bei gleichzeitigem Austausch bewährten Wissens zu bewahren galt, sah er in den spezifischen Traditionen von Regionen und Nationen als Ausdruck ihrer Geschichte, gespiegelt in den jeweiligen Sprachen und Dialekten.“ Die Harmonie, und das ist ein verbreitetes Missverständnis, bedeutete für Leibniz keineswegs Konfliktfreiheit, doch ermöglicht erst die Disharmonie den Ausgleich, der dann in immer weiterer Vervollkommnung zur Harmonisierung des Verschiedenen führt.

 

Leibniz hätte den Gedanken der Gleichheit nie zur Perversion einer Vereinheitlichung geführt: Keinesfalls dürften die Teile eines Ganzen gleich sein. Den heute in Brüssel von vielen vertretenen Gedanken der Vereinigten Staaten von Europa, einem Einheitsbrei durcheinandergewürfelter Völkerschaften aus Ländern der ganzen Welt, der durch eine seelenlose Bürokratie und immer mehr Reglementierung zusammengehalten wird, mögen linke staatsgläubige Internationalisten, die sich in der Tradition der Aufklärung wähnen, als kleinsten gemeinsamen Nenner attraktiv finden, sicher ist, dass Leibniz ihn abgelehnt hätte, weil er vernunftwidrig ist. Die Harmonie Europas bedarf der Verschiedenheit, nämlich des Miteinanders unterschiedlicher Nationalstaaten. Vielleicht sollte nicht nur bei der Frage der Vereinbarkeit von Glaube und Vernunft, sondern auch in dieser Hinsicht politisch wieder bei Leibniz angeknüpft werden.

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: ropow

@Adorján Kovács

Was für ein schöner, aufgeklärter Kommentar - na sehen Sie, es geht doch…

Gravatar: kassandro

Zeigen können Philosophen nichts, sie können nur darüber schwafeln und das tun sie mit monströsen Anspruch. Leibniz hat sich als einer der beiden Begründer der Differential- und Integralrechnung die Unsterblichkeit wohl verdient. Sein philosophisches Geschwätz sollten wir allerdings vergessen.

Gravatar: Adorján Kovács

@ropow
Meine Empathie gilt den schon lange Verstorbenen wie den heute Lebenden. Das Leiden war immer gleich. Helfen vermag ich aber nur den Lebenden.
Man kann sich die Zeit, in der man lebt, nicht aussuchen. Es ist sinnlos, zu fragen, ob die Weltmeistermannschaft von 1954 so gut war wie die von 2014 oder ob sie auch 2014 hätte gewinnen können - natürlich nicht, aber in ihrer Zeit war sie eben gut genug, das Turnier zu gewinnen. Nichts anderes wollte ich sagen, wenn ich davor warne, sich über andere Zeiten zu erheben. Den Fortschritt in der Medizin will ich nicht leugnen und freue mich diesbezüglich über die Gnade meiner späten Geburt, aber ob man nun mit K.-O. Apel von „Letztbegründung“ redet oder mit Leibniz von Gott, so hat sich an den „Tricks“ wenig geändert. Übrigens waren weder Kant noch Hegel Ausbünde des Atheismus.

Gravatar: ropow

@Adorján Kovács

Die mittelalterlichen religiös motivierten (ebenso wie die neuzeitigen) Herrschaftsstrukturen empfinde ich vor allem für die dadurch Benachteiligten als „unangenehm“, aber diese Form der Empathie ist wohl nur für Menschen ohne Religionshintergrund angebracht. Und dass es damals, bei einem Zehntel der Bevölkerung und bei einem Tausendstel der Effektivität heutiger Tötungstechniken auch weniger Ermordete gegeben hat als heute, macht mir das Mittelalter auch nicht gerade sympathischer.

Den Trick, einen herbeigewünschten moralisch perfekten Gott von seiner Verantwortung durch zu entlasten, dass auch er Naturgesetzen unterworfen ist und seine von ihm geschaffenen Vernunftwesen bedauerlicherweise eigene Wege gehen, kann man sicher „elegant“ finden, da stimme ich Ihnen zu.

Auch Ihre Assoziationskette ist nicht unelegant, damit argumentieren Sie immerhin noch einleuchtender, als wären Sie mit Argumenten der Dialektik der Aufklärung von der Befreiung der Menschen aus ihrer Unmündigkeit (Kant) und der Verwirklichung geistiger und humanistischer Ideale durch den gesellschaftlichen Fortschritt (Hegel) mühsam bis zum jegliches Individuum negierenden nationalsozialistischen mystisch-völkischen Herdendenken mit Führerkult - oder gar bis nach Auschwitz gehumpelt:

„So glaube ich heute im Sinne des allmächtigen Schöpfers zu handeln: Indem ich mich des Juden erwehre, kämpfe ich für das Werk des Herrn.“ - Adolf Hitler, „Mein Kampf“

Na, das trieft doch gerade vor Aufklärung…

Gravatar: Adorján Kovács

Zunächst Dank an alle Kommentatoren. Man sieht, dass Leibniz doch immer noch irritiert.
@ropow
Sie wissen selbst, dass Sie jetzt sophistisch reden, wenn Sie ein so wichtiges Problem wie die Rechtfertigung des Bösen gegen die Freiheit des Menschen ausspielen, die Leibniz elegant gewahrt hat - es hat also keineswegs „das Laster den Weg durch die Pforte der Aufklärung“ nehmen müssen. Meine Beispiele waren auch nicht nur assoziativ, das wissen Sie genau, und so viele Ermordete, wie seit der Aufklärung vor allem auch liberale Demokratien auf dem Gewissen haben, hat kein Krieg im Mittelalter je gefordert. Wenn Sie das Mittelalter und seine Ihnen so unangenehmen Herrschaftsstrukturen anführen, dann dürfen Sie die heutigen weltweiten Herrschaftsstrukturen in durchaus aufgeklärten Staaten, unter denen Millionen Menschen leiden, nicht ausblenden - bitte gehen Sie nicht von den goldenen paar Jährchen zwischen 1950 und 1990 in Mitteleuropa aus.

Gravatar: Werner N.

Werter Herr Prof. Kovács, nachdem Ihre Ausführungen zur `Aufklärung` (07.04.16) von Foristen und mir heftig kritisiert wurden, muss man jetzt korrekterweise sagen, dass obiger Artikel das Thema zutreffend und gut behandelt. Richtig ist insbesondere der Hinweis, dass die `Moderne` mit Leibniz einen anderen Verlauf genommen hätte. Er war Pluralist, Individualist und Pantheist. Augenscheinlich hat die Verbindung von Glaube und Vernunft seinem wissenschaftlichen Erkenntnisvermögen nicht geschadet, wie es übrigens auch bei anderen bedeutenden Forschern und Erfindern der Fall war. Damit fällt ein Hauptargument der Aufklärer. Bekanntlich folgten diese aber Descartes und seinem mechanistischen Uhrmacherdenken. Mit ihm ignorierten sie, dass das "sum" nicht nur aus "cogito" besteht. Eine weitere, nicht mehr haltbare Utopie u.A.

Nach meiner Meinung müsste man vor Allem bei den Versionen zeitgenössischer Aufklärer ansetzen, um die "katastrophale Moderne" (H.–J. Heinrichs, 1980) oder das "Elend des Physikalismus" (Prof. U. Meixner, 2011) zu überwinden. Das wären die von Kant, Hegel, Marx und Nietzsche. Alle hätten zumindest mehr oder weniger Korrekturen nötig. Ohne die Folgen zu bedenken, übernahm man überwiegend die gewalttätigste und am stärksten reduktive Variante – die von Karl Marx. Intellektuelle konnten der Droge EIN-fachheit nicht widerstehen, merkten nicht, dass dies auch ihren hochgelobten Verstand dezimierte. Ferner führt(e) es zur UNI-formen ("alternativlosen") »EIN-heit in der EIN-heit«, die schließlich in EIN-fältigkeit landet. In obigem Artikel wurde richtig bemerkt, dass der künftige Weg in die Gegenrichtung zur »Einheit in der VIEL-heit« führt und das nicht aus Jux und Tollerei. Für die Praxis fehlen noch ausgereifte Theorien und Methoden. Selbst die von Claude Lévi–Strauss 1962 empfohlene „bricolage“ war trotz einiger richtiger Ansätze nicht sehr hilfreich.

Soviel lässt sich sagen: Der stattfindende Paradigmenwechsel verlangt ein ganzheitliche(re)s Bewusstsein und –oh Schreck– dazu gehören neben den kausal folgernden, materiell–evolutionären noch transzendentale „Erkenntnis“–Fähigkeiten, was die Aktivierung der durch Materialismus und Positivismus brach gelegten Gehirnpartien erfordert. Voraussetzung dafür wäre eine richtige "Gottes"–Vorstellung und –Praxis. Bislang hapert es bei Aufgeklärten und Religiösen noch daran, dass sie eine `personifizierte` und `nichtpersonifizierte` "Gottes"–Vorstellung nicht zu unterscheiden vermögen. Die Kirche verhinderte die Einsicht, dass „Gott“ keine Person ist, die Geist hat, sondern GEIST ist. Ebenso unlogisch und unwissenschaftlich verhalten sich Aufgeklärte, wenn sie nur eine „ewige und ursächliche Materie“ behaupten, einen „ewigen und ursächlichen Geist“ ausklammern wollen. Daraus folgt: die monistische, materielle Sicht der Dinge und des Menschen als Sache müsste wieder zu einer dualistischen zurückkehren und dann zu einer ganzheitlichen triplexen Perspektive kommen; trivial gesagt: Für Intellektuelle heißt das, wieder von 1–3 zählen zu lernen (im übertragenen Sinne). Dieser Weg ist nicht EIN-fach und das „Oberstübchen“ benötigt dafür bessere Synapsen und Transmitter, mehr IQ und EQ. Davon sind wir jedoch noch weit entfernt.

Gravatar: Gernot Radtke

„Aufklärung“ ist leider kein Gut, weder ein individuelles noch ein gemeinschaftliches, das, einmal erkämpft oder gelungen, von da an nicht mehr zu verspielen ist. Man schaue nur auf die schrittweise sich vollziehende Umwandlung Deutschlands in einen autoritär gegen Recht und Verfassung seiner Bürger erzwungenen Tugendstaat, dem ein ehemals ‚aufgeklärter‘ Journalismus fast überall zustimmt. Nie hat es in den Medien so viele ‚aufgeklärte‘ Leute gegeben, die ihrer De-facto-Entmündigung aus freien Stücken so hirnverloren zugestimmt haben, wie man das für Deutschland voller Traurigkeit feststellen muß. Ausgerechnet die selbsternannten Gralshüter, Erben und Speerspitzen aller Aufklärung, Befreiung, Emanzipation, Klassenlosigkeit und des damit verbundenen Glücks der Menschheit, das nihilistisch gewordene schwarze Opportunisten- und das utopiebesoffene rotgrüne Chianti-Milieu mit seinen Islamflüsterern, besorgen unserem Gemeinwesen eine zivilisatorische Regression, von der es sich, wenn überhaupt, lange nicht und zuvor nur über einen auch pekuniären Totalbankrott erholen wird. Folgen alle bekannt.
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Aufklärung ist ein Gut, das sich zwar institutionell mehr oder weniger gut verankern läßt, aber eine Garantie, daß sie in einer Gesellschaft auch erblüht, ist damit noch nicht gegeben. Im Gegenteil: Wird sie vom Teufel, dem Diabolos/Verwirrer/Zersetzer geritten, fängt sie sogar an, sich gegen sich selbst zu richten; Freiheit genutzt, um Freiheit zu zerstören, was eine große und virtuos beherrschte ‚Kunst‘ des linken Weltgeistes (Mainstreams) ist. Wie kann sie das? Sie kann es, und sie macht es.
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Der große Philosoph Immanuel Kant hat auf den (ethisch) subjektiven, nur durch das Subjekt selbst leistbaren und also an jedem einzelnen selber liegenden Anteil aller ‚Aufklärung‘ hingewiesen: „Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Selbstverschuldet ist diese Unmündigkeit, wenn die Ursache derselben nicht am Mangel des Verstandes, sondern der Entschließung und des Mutes liegt, sich seiner ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Sapere aude! Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen! ist also der Wahlspruch der Aufklärung."
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Leider (?) sind weder Mut noch Verstand noch Gewissen von außen anerziehbare Größen. Bestenfalls als Dispositionen. Möglich sind sie nur durch Selbsterziehung, Disziplin, Wahrheitsliebe, Unbestechlichkeit, Einsatz – alles Eigenschaften, von denen der Zeitgeist die Menschen überall dort entfremdet (hat), wo er einen großen Gesellschaftsmechanismus konstruieren will, in dem dies alles aufgehoben sei und gleichsam wie von selbst geschehe. Was daraus wird und wurde: selbstherrlich nachjustierender Gesinnungszwang eines Pöbel- und Blockwart-Intellektualismus, der kaum einen schlichten Satz richtig zu Ende formulieren kann und – eigenartiges Phänomen der Frauenemanzipation – heute vor allem von politischen Kampfhennen betrieben wird.
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Verehrter Herr Prof. Kovacs: Sie haben wieder einmal einen sehr bedachten und anregenden Beitrag zu einem der würdigsten Themen menschlicher Selbstvergewisserung geschrieben. Ein wenig Senf hinzugebend, nicht zum ersten Mal den Königsbergischen, hoffe ich, Ihnen ein annehmbarer Leser gewesen zu sein.

Gravatar: ropow

Jaja, es ist schon ein Jammer, da war das Heilige und das Profane im Mittelalter über die von Gott installierte Grund- und Leibherrschaft des Adels, der Dynastien und der Kirche doch so eine gute Beziehung eingegangen - und dann befreien sich Menschen einfach durch „Raub und Enteignung“ von diesen gottgegebenen Eigentums- und Verfügungsbefugnissen. Das musste ja von der Französischen Revolution über Napoleon irgendwann zu Adolf Hitler führen - die Aufklärung als Voraussetzung für den Nationalsozialismus - und schuldig einfach per Assoziation.

Dass Sie die bis heute existierenden „negativen Begleiterscheinungen“ der Aufklärung beklagen, ist inkonsequent. Als Anhänger von Gottfried Wilhelm Leibniz wissen Sie natürlich, dass diese letztlich doch notwendig sind, auch wenn Sie persönlich die „Schönheit und Ordnung des Ganzen“ nicht erkennen können: Da das Laster nun durch diese Pforte der Aufklärung eingetreten ist, musste die göttliche Weisheit notwendigerweise all die nachfolgenden Übel erwählen, weil nur das den besten Zusammenklang ergab - denn schließlich konnte Gott auch nur „die beste aller Welten“ erschaffen. Besser ging eben nicht. Nach Leibniz ist nämlich nicht nur der Mensch dem Zähl- und Messbaren, also der Technik, „ausgeliefert“, auch Gott kann nicht gegen Naturgesetze agieren (Theodizee).

Mit Leibniz wäre die geistige Entwicklung Europas sicher anders verlaufen. Man hätte zwar auch etwas Naturwissenschaft betreiben dürfen, aber die meiste Zeit hätte man wohl damit verplempert, wie beim Theodizee-Problem die durch eigenes Wunschdenken geschaffenen Probleme zu wälzen. Leibniz ist ja auch nur dadurch zum Vorläufer der Aufklärung geworden, weil er das Primat der Naturgesetze einführte, um dem „allwissenden, allmächtigen und moralisch perfekten Gott“ die Verantwortung für die Übel dieser Welt abzunehmen - als Ausrede, sozusagen - von wegen „Koexistenz von Vernunft und Glauben.“

Erst die Aufklärung hat endlich den Umweg über konkurrierende Religionen gestrichen und sich gleich auf die ohnehin primären und eindeutigen Naturgesetze konzentriert, um alles Notwendige aufzunehmen, von der aus dem Zähl- und Messbaren entwickelten Technik bis hin zur Ethik, die uns die Evolution mit mehr Geduld lehrt, als alle Götter und ihre Angestellten zusammen jemals aufbringen könnten oder wollten.

Gravatar: Hans-Peter Klein

Es wird Zeit heraus zu stellen, dass maßgebliche Ikonen der Aufklärung keine Materialisten, keine Atheisten waren.

Wie auch, ist es doch gerade der Glaube an das Ganze, an die Einheit im Unendlichen, welches die Menschen schon seit jeher inspiriert hat, die nur begrenzt analysierbare Realität zu transzendieren und dadurch zu fortschreitender Bewusstwerdung im Diesseits befähigt.

Eben: Fortschritt durch Gottesglauben.
MfG, HPK

Gravatar: Thomas Friedrich

Wurden inzwischen ernstzunehmende Argmente für die Existenz eines Gottes gefunden? Als ich mich zuletzt mit Philosophie beschäftigt habe, war da noch nix. Und da war das Christentum auch schon 2000 Jahre alt ;)

Gravatar: fegalo

Gefällt mir sehr gut, Ihr Text! (Wie so oft)

Logisch gesehen gibt es durchaus die Möglichkeit der Vereinbarung von Glauben und rationaler wissenschaftlicher Weltsicht. Nur setzt dies ein Reflexionsniveau voraus, das nur selten gegeben ist. Die vorherrschende weltanschauliche Alternative zum christlichen Glauben in unseren Regionen ist der Materialismus, welcher letzten Endes nihilistisch ist. Aber er entfaltet derzeit noch eine enorme Dynamik kraft seines Versprechens, immer weitere Teile der Welt unter die menschliche Herrschaft zu zwingen. Erst wenn dieser Glaube erlischt oder an die Grenzen stößt – und ich glaube, dass wir kurz vor dieser Grenzerfahrung stehen, wie die ewig scheiternden Zukunftsprojekte Genetik, Hirnforschung, künstliche Intelligenz - Bewusstsein - Leben und dergleichen andeuten – wird diese Dynamik abnehmen und damit die wesentliche Antriebsfeder kapitalistischen Wirtschaftens verschwinden.

Dass es zu einem weltanschaulichen Zusammenbruch des Materialismus kommt, halte ich für gewiss. Dass das Christentum in dem Zusammenhang wieder zu neuer Blüte erwacht, für eher unwahrscheinlich. Der christliche Glaube ist formuliert in antiken vorderasiatischen Denk- und Symboltraditionen, welche für die Moderne fast unübersetzbar geworden sind.

Gravatar: Johannes Klinkmüller

Lieber Herr Kovács,

schön, solche Gedanken zu lesen. Sie erinnern mich an ein wunderbares, leider nicht mehr aufgelegtes Buch des amerikanischen Geschichtsprofessors Morris Berman mit dem Titel "Die Wiederverzauberung der Welt". Darin versucht er Brücken zu schlagen zu jener Zeit, als der Mensch noch eine Einheit mit der Welt wahrnahm und ihr mit Respekt begegnete.

Die Technokratisierung des Wissens hat uns jenes Sinns beraubt, an dessen Stelle eine falsch verstandene Vernunft getreten ist, wobei ich noch nicht einmal pervertierte Auswüchse einbeziehe, wenn eine solche Vernunft sich selbst ernannt habende Physiker und Philosophen in Beschlag genommen hat.

Gedanken und Einstellungen von Leuten wie Leibniz, Kepler und anderen sind deshalb so wertvoll, weil sie uns abgleichen lassen, ob wir uns nicht bei allem Fortschritt in entscheidenden Punkten vom dem wirklich Wichtigen entfernt haben.

Danke jedenfalls in diesem Zusammenhang für Ihren Beitrag. Ich finde, es tut einfach gut, ihn zu lesen.

Gravatar: Sigmar

Bei den „Humanisten“ (hpd) habe ich die AfD noch gegen den Vorwurf verteidigt, die Speerspitze christlicher Fundamentalisten zu sein. Die unzähligen gottvollen Artikel in der AfD-nahen „Freien Welt“ verunsichern mich nun aber. Nach Einstein (3.1.1954) ist „Gott“ ein „Produkt menschlicher Schwächen“, die Bibel „eine Sammlung ehrwürdiger aber reichlich primitiver Legenden“. Ein lebenslang gottfrei denkender Mensch kann den daraus folgenden Phantastereien nur mit äußerstem Unbehagen begegnen. Ich würde mir wünschen, daß die letzten Christen ihre Riten nur noch folkloristisch betreiben, wie Schützenvereine das Schießen – um die alten Gebäude zu erhalten und die schöne Musik stilvoll zu zelebrieren. Moslems aber sollte man gar nicht erst nach Europa hereinlassen.

Gravatar: Freigeist

Glaube und Vernunft schließen sich aus was die bisher von Menschen erschwindelten Religionen betrifft. Gefährlich würde es werden, würde jemand eine raffinierte neue erfinden und würde ihm Glaube geschenkt werden. Vielleicht erfindet mal eine Frau eine Religion, würde mich sehr amüsieren. Also Frauen, auf die Plätze, fertig, los!! Da fällt mir doch die Karin ein?

Gravatar: Crono

Danke Herr Kovács.

Gravatar: Joachim Datko

Es gibt keinen Gott, es gibt keine Götter!

Joachim Datko - Physiker, Philosoph

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