Fernsehhändler feiern Weihnachten im Mai

Gestern hatte ich wieder so einen Windows-XP-Moment. Das Ganze fing eigentlich ganz harmlos an. Vor vier Wochen mit einer Werbesendung der Kabelnetzesbetreiberin. Die wanderte ungelesen in den Papierkorb.

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Die Zweite legte sie mir mit der Bemerkung auf den Schreibtisch: “Du, die haben schon wieder geschrieben. Ich glaube, da geht es um neue Sender.”

Diesen Faltprospekt habe ich dann doch durchgelesen. Und bin dabei auf folgenden Satz gestossen, der mich aufschreckte:

Ab 20. Mai 2014 erhalten Sie das neue Senderangebot von Quickline, welches Ihnen noch mehr TV-Sender in HD-Qualität bietet. Ist ein Sender in einer HD-Version verfügbar, wird zukünftig auf die Standard-Digital-Version verzichtet.

Dieser zweite Satz nun ist der XP-Satz, denn er bedeutet, dass wir ab Ende Mai mit unseren Geräten nur noch Telebasel empfangen können. Seither bin nicht nur ich, sondern auch andere sind sauer.

Man könne für 100 Franken einen Umwandler kaufen, teilen sie noch mit. Aber ehrlich, ich beherrsche das Spiel mit zwei Fernbedienungen nicht, wie ich aus vielen Hotelaufenthalten weiss.

Klar, unsere beiden Fernsehgeräte sind inzwischen neun Jahre alt. Doch die funktionieren noch immer bestens und liefern selbst Schrott in einwandfreier Bild- und Tonqualität.

Nun gut, die beiden Geräte haben seinerzeit auch ein kleines Vermögen gekostet. (Ich wollte gar nicht daran erinnert werden, doch sie musste umsverworgen die Rechnung hervorholen. Mein Gott.)

Kurzum.

Gestern haben wir zwei neue Geräte gekauft. Im Dorf. Man soll ja das ansässige Gewerbe unterstützen. Ein teures für die Fernsehecke und ein ziemlich günstiges für die Küche.

Der Mann im Fernsehgeschäft der gehobenen Klasse war sehr freundlich, gewiss doch.

Was mich jedoch irritierte, war dessen händereibende Freude, als er uns die neuen Geräte vorführte. Es schien ihm völlig egal zu, ob wir uns für ein teures oder eher ein eher billiges Modell entscheiden würden.

Denn der Mann war sich absolut sicher: DIE KAUFEN.

Weil uns gar nichts anderes übrig bleibt. Als sie den Vertrag unterschrieb, wurde mir klar: Fernsehhändler feiern dieses Jahr Weihnachten im Mai.

Übrigens: Beim einen kann man jetzt die laufende Sendung stoppen und zum Kühlschrank oder sonstwo hingehen. Wenn man zurück ist, schaut man dort weiter, wo man gestoppt hat, obwohl die beim Sender keine Pause eingelegt haben.

Wahnsinn.

Blöderweise haben die für die neuen Geräte inzwischen Lieferfristen von bis zu drei Wochen.

Beitrag erschien auch auf: arlesheimreloaded.ch

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Dr. Gerd Brosowski

Dieser Wahnsinn hat Methode, und er ist nicht auf Fernsehgeräte beschränkt, sondern er erstreckt sich auf alle sogenannten langlebigen Verbrauchsgüter. Diese werden zu kurzlebigen gemacht, wobei der Fantasie der Macher keine Grenzen gesetzt sind. Mal werden, wie im vorliegenden Fall, die Angebote so umgemodelt, dass das Empfangsgerät unbrauchbar wird, mal konstruiert man, wie im Fall von Waschmaschinen oder Kühlschränken, den vorzeitigen Verschleiß in die Maschine hinein, mal macht man die nach einiger Zeit fälligen Reparaturen so teuer, dass dem Besitzer ein Neukauf sinnvoller erscheinen muss, mal lassen sich Reparaturen gar nicht ausführen, weil wichtige Teile nicht zugänglich sind u.s.w..
Mir sagte dieser Tage ein Handwerksmeister, unter angehenden Ingenieuren gelte es als ausgemacht, dass vorzeitiger Verschleiß möglichst schon bei der Konstruktion vorzusehen sei.
Hier ist eine Revolution der Denkungsart im Gange, wenn sie nicht schon längst vollzogen ist: Hatte über die Jahrhunderte hinweg die Ehre des Handwerkers und Ingenieurs darin bestanden, ein möglichst gutes Produkt herzustellen, so geht es heute darum, das Produkt äußerlich gefällig, aber anfällig zu machen. Ehedem war der Kunde ein Partner, mit dem man ein ehrliches Geschäft abschließen wollte, heute soll er hinters Licht geführt und ausgebeutet werden.
Wie wäre es, wenn die EU sich der Sache ernsthaft annähme? Bis zum Überdruss hört man heute die Politiker über Nachhaltigkeit und Ressourcenschonung reden, wie wäre es, wenn sie sich ernsthaft darum kümmern würden?

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