Familienpolitik: Ein interventionistisches Perpetuum mobile?

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Vielerorts vermeldeten Bürokraten in den vergangenen Wochen Erfolge in Sachen staatlicher Kinderbetreuung. Dem Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz könnten sie in vielen Kommunen ausreichend Räumlichkeiten und Personal entgegen halten. Die Interventionsspirale schien also etwas ins Stocken zu geraten. Die Planer, Gestalter und Steuergeldumverteiler plagte beinahe schon so etwas wie Langeweile, bis am gestrigen Sonntag endlich wieder neue Klempnerarbeit lockte. Denn laut einer aktuellen Studie des Forschungsinstituts Prognos erscheinen staatliche Investitionen in die Kinderbetreuung weitaus effizienter als das Ehegattensplitting oder die beitragsfreie Mitversicherung von Kindern bei Krankenkassen, um die Geburtenrate zu steigern. Das Bundesfamilienminsterium hatte die Studie in Auftrag gegeben.

Eröffnet sich hier gar ein interventionistisches Perpetuum mobile? Die staatliche Kinderbetreuung steigert die Geburtenrate? Und die steigende Geburtenrate ruft anschließend nach mehr Betreuungsplätzen?

Die „Bild am Sonntag“ zitierte gestern aus der Prognos-Studie: „Das Ehegattensplitting hat kaum Einfluss auf die Realisierung vorhandener Kinderwünsche. Es führt lediglich zu einem Anstieg der Geburtenrate um den Faktor 0,01. Dem stehen Kosten von 20,53 Milliarden Euro im Jahr 2013 gegenüber.“ Eine weitaus preisgünstigere Erhöhung der Geburtenrate ließe sich durch eine Erhöhung der Ausgaben für die staatlich organisierte Kinderbetreuung erreichen. Die Geburtenrate könnte dabei um 0,18 Kinder pro Frau erhöht werden. Das Kindergeld erhöhe die Geburtenrate um 0,14, das Elterngeld um 0,11.

Konsequent fordern die Prognos-Wissenschaftler, Geldleistungen wie das Kindergeld in die Kinderbetreuung umzuschichten, das Ehegattensplitting und die kostenlose Familienmitversicherung zu reduzieren. Ihre Auftraggeber aus dem Bundesfamilienministerium wollen sich erst im Laufe des Februars zu Wort melden. Laut „Bild am Sonntag“ liegt ihnen der Bericht jedoch schon seit November 2013 vor.

Die Prognos-Studie bestätigt auch das Urteil der Sozialwissenschaftlerin und Juniorprofessorin Dr. Michaela Kreyenfeld. In einer Studie für das Max-Planck-Institut für demographische Forschung verglich sie gemeinsam mit Sebastian Klüsener und Karel Neels die Auswirkungen familienpolitischer Maßnahmen auf die Geburtenrate in Belgien und Deutschland. Im Dezember 2013 kamen die drei Forscher zu dem Schluss, dass nicht eine deutsche „Kultur der wenigen Kinder“ sondern vielmehr „Defizite in der Familienpolitik“ zu der vergleichsweise niedrigen Geburtenrate östlich des Rheins beitrügen. „Das belgische Betreuungssystem scheint potentielle Eltern in der Entscheidung für ein Kind zu unterstützen, weil es die Vereinbarkeit von Familie und Beruf erleichtert“, wurden sie damals in der Pressemitteilung des Instituts zitiert. Und weiter: „Aus anderen Studien wissen wir, dass Kinderbetreuungsangebote gerade für gut ausgebildete Mütter wichtig sind. Unsere Ergebnisse passen in dieses Bild.“

Michaela Kreyenfeld wird den politischen Strippenziehern sicherlich keine Unbekannte sein. Sie sitzt als Vertreterin der Sozialwissenschaften im „Rat für Sozial- und WirtschaftsDaten“, der im Jahr 2004 vom Bundesministerium für Bildung und Forschung eingerichtet wurde, um „die Forschungsdateninfrastruktur für die empirische Forschung nachhaltig zu verbessern und somit zu ihrer internationalen Wettbewerbsfähigkeit beizutragen.“ An der Hertie School of Governance – im Staatsratsgebäude der früheren DDR im Herzen Berlins beheimatet – unterrichtet die Juniorprofessorin die Politiker und Bürokraten von morgen im „guten Regieren“. Im Kuratorium der Hochschule sitzt neben zahlreichen Polit-Veteranen, von Wolfgang Clement über Kurt Biedenkopf bis Norbert Röttgen, auch die britische Professorin Mary Kaldor. Kaldor leitet auch das Centre for the Study of Global Governance an der London School of Economics and Political Science, die bekanntlich von Mitgliedern der sozialistischen Fabian-Gesellschaft gegründet sowie finanziert wurde und deren Vertreter sich auch heute für die staatliche Kinderbetreuung und eine (globale) Politik der Familienplanung engagieren.

Vermutlich werden sich Frau Kreyenfelds Report sowie die Prognos-Studie in den kommenden Wochen und Monaten über großes politisches Interesse freuen dürfen. Nach drei langen Monaten wird in wenigen Tagen auch letztere veröffentlicht. Vermutlich wurde sie bis heute bewusst zurückgehalten. Denn während den Koalitionsverhandlungen im Herbst des vergangenen Jahres hätte sie kaum ihre volle familienpolitische Wirkung entfalten können. Nun bekleidet mit Manuela Schwesig eine überzeugte Kita-Kämpferin die Führungsposition im Bundesfamilienministerium. Ihr Arbeitsfeld ist bestellt. Es ist angerichtet. Vater Staat nimmt seinen Kampf um die Kinder, gegen die Familien wieder auf. Die Prognos-Studie war sein Startsignal.

Beitrag erschien zuerst auf: ef-magazin.de

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