Exerzitien beim Papst

Jorge Mario Bergoglios „Offener Geist und gläubiges Herz: Biblische Betrachtungen eines Seelsorgers“

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Nach der Wahl unseres neuen Papstes hatte ich drei Bücher zur Lektüre: „Mein Leben, mein Weg. El Jesuita: Die Gespräche mit Jorge Mario Bergoglio“, der Interviewband mit dem neuen Papst, natürlich noch in seiner Rolle als Erzbischof von Buenos Aires, ein Portrait- und Bildband zu seiner Wahl (Papst Franziskus: Wer er ist, wie er denkt, was ihn erwartet), schön zu lesen und auch anzuschauen, und die hier zu besprechenden „Biblischen Betrachtungen eines Seelsorgers". Während Interview und Portrait recht einfach und rasch durchzulesen sind und interessant waren vor allem nach der überraschenden Wahl Jorge Bergoglios zum Papst, um sich ein Bild zu machen, wer dieser Kardinal aus Argentinien eigentlich ist (Erinnert sich noch jemand, dass man ihm damals seitens der Medien eine Nähe zur argentinischen Militärjunta vorgeworfen hat? Wie sich die Zeiten ändern!), war dieses Betrachtungsbuch deutlich „sperriger“. Denn es ist genau das, ein Betrachtungsbuch. Es enthält Impulse des ehemaligen Kardinals, die dieser vor Priestern, offenbar zumindest in Teilen bei Exerzitien, gehalten hat.

Das ist – naturgemäß – keine leichte Kost. Es wundert nicht, nachdem wir Papst Franziskus nun eine Weile haben kennenlernen dürfen, dass es sich bei den Betrachtungen nicht um theologische Elaborate handelt, sondern um Texte, die in dem Bemühen verfasst sind, dem Leser, oder den Zuhörern, Christus näherzubringen. Wer also das Buch auf dem Nachttisch liegen haben sollte, der muss sich darüber im Klaren sein, dass man die Texte, die einzelnen Kapitel nicht einfach „durchlesen“ kann. Man muss sie betrachten, verinnerlichen, „durchbeten“. So hat die Lektüre bei mir fast ein halbes Jahr gebraucht und ich habe sie – was ich anderen Lesern auch empfehlen würde – zu meinen kleinen „Exerzitien im Alltag“ gemacht. Dazu eignen sich auch die an den Abschnittsenden aufgeführten Texte „Zur vertiefenden Betrachtung im Gebet“, die entweder noch mal kleine Impulse zu dem vorhergehenden Abschnitt oder auch Schriftstellen der Bibel enthalten, auf die in diesem Abschnitt Bezug genommen wurde. Den Tag mit der Lektüre der Texte abzuschließen, das rundet ein Leben aus dem Glauben ab und so konnte ich das Buch in vollen Zügen genießen.

Wie es bei Betrachtungen so geht – dem einen gefällt ein bestimmter Stil, der anderen nichts sagt. Insofern kann ich dieses Buch nur denjenigen empfehlen, die die Art von Papst Franziskus zu schätzen wissen. Das soll keine Bewertung sein, aber es ist in der Tat ein stilistischer Unterschied, ob man Schriften von Bergolgio/Franziskus oder von Ratzinger/Benedikt XVI. liest. Das hat auch mich eine Zeit des Einstiegs gekostet, der sich aber gelohnt hat: hat man den (schwarz/weiss-gezeichnet) wissenschaftlichen Stil von Ratzinger/Benedikt zu schätzen gelernt, dann muss man sich auf den seelsorgerisch-betrachtenden Stil von Bergoglio/Franziskus erst mal einschwingen.

Innerhalb des Bandes gibt es da auch Unterschiede, sodass ich mit manchen Abschnitten mehr anfangen konnte als mit anderen: Der erste Teil „Die Gespräche Jesu“ ist kraftvoll geschrieben. Man findet dort viel von dem wieder, was Papst Franziskus auch in seinen Katechesen anspricht: die Realität der Freude wie die des Kampfes, die Realität Gottes wie die des Bösen, die Realität der Hoffnung wie die Versuchung zur Hoffnungslosigkeit. Die Kapitel „Kreuz und Sendung“, „Kreuz, Kampf und der Sinn des Lebens“, „Sünde“ und „Sünde und Hoffnungslosigkeit“ habe ich mehrfach gelesen und immer wieder neue Aspekte entdeckt.

Ob es an mir oder einen anderen Stil vor den Zuhörern der Betrachtungen liegt, der zweite Teil „Das Offenbarwerden des Herrn“ hat sich mir weniger erschlossen, dafür umso mehr der dritte Teil über „Die Sendschreiben an die sieben Gemeinden“. Wer wie ich seine Schwierigkeiten mit der Offenbarung des Johannes hat, der wird hier für diese Schreiben fündig, wie man sie auf das eigene Leben anwenden kann. Bergoglio erläutert, was die sieben Gemeinden jeweils ausmacht, was aber auch die Kritik Gottes an ihnen ist – was in der Regel zusammenhängt. Großartig geschrieben, ein Abschnitt, der sich auch zur intensiven Gewissenserforschung eignet.

Wenn das ganze Buch eines der Betrachtung und des Gebetes ist, dann ist es der vierte Teil „Unser leibhaftiges Beten“ in besonderer Weise. Auch anhand biblischer Gestalten werden unterschiedliche Formen des Gebets, auch Versuchungen zu nicht gottgemäßem Gebet, beschrieben. Für die Anwendung auf das eigene Leben braucht es hier sicher eine gewisse Abstraktion, die sich aber leicht einstellt, wenn man sich in die Situation von Abraham, König David, Mose, Hiob etc. hineinversetzt, wobei das Buch hierzu auch Unterstützungsarbeit leistet. Bislang habe ich diesen Teil erst einmal gelesen, das Buch bleibt aber auf meinem Nachttisch, um ihn auch in Zukunft zur Betrachtung heranzuziehen.

In anderen Rezensionen habe ich meinen Text mit ausgiebigen Zitaten angereichert. In diesem Fall möchte ich das nicht tun, da die teilweise sehr prägnanten Formulierungen aus dem Zusammenhang gerissen missverstanden werden können; sie eignen sich in der Regel nicht als Einzelaussagen zu einer Charakterisierung des Papstes und seiner Spiritualität. Daher werde ich an dieser Stelle nur die Empfehlung von José Mariá Arancedo, Erzbischof von Santa Fe de la Vera Cruz, der das Geleitwort zum Buch verfasst hat, zitieren:

Ich glaube, dass das Buch, das Sie in Händen halten […] die Frucht vieler Überlegungen und Gebete ist und deshalb mit Muße gelesen werden sollte. Wenn wir etwas Wichtiges erreichen wollen, müssen wir uns vor allen Dingen Zeit nehmen. Wir sind es gewohnt, rasch zu lesen, um uns zu informieren, doch der Anspruch dieses Buches ist ein anderer. Ich danke Jorge Mario Bergoglio dafür, dass er sich entschlossen hat, diese unterschiedlichen Schriften zu einer Einheit zusammenzufassen, um uns zu helfen und zu bereichern – mit einem Weg, der nie an Aktualität verliert.

Wer sich also - schnell, schnell - ein paar kraftvolle Aussagen des Papstes zusammensuchen möchte, wer sich in Kürze ein Bild dieses Jorge Mario Bergoglio machen möchte, vielleicht auch um sich ein Urteil über ihn, seine Spiritualität, seine Theologie, möglicherweise sogar sein Pontifikat zu bilden, der wird sicher fündig … verpasst aber das Wesentliche. Wer sich auf Exerzitien mit dem Papst einlassen möchte, dessen Erfahrungen als Seelsorger für sich nutzbar machen und sein eigenes Glaubensleben vertiefen möchte, der wird sich die Zeit und die Muße gönnen und hohen Nutzen aus diesem Buch ziehen.

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Rüdiger Paulaner

Hier die Quelle zum Schwur. Lesenswertt!!!

http://www.offenbarung.de/papsttum-schwur-der-jesuiten.php

Ich ........................................ (Name des zukünftigen Mitglieds der Jesuiten), werde jetzt, erklären und schwören, daß ...
Weiter verspreche ich, daß ich keine eigene Meinung oder eigenen Willen haben will oder irgendeinen geistigen Vorbehalt, was auch immer, selbst als eine Leiche oder ein Kadaver, sondern bereitwillig jedem einzelnen Befehl gehorche, den ich von meinem Obersten in der Armee des Papstes und Jesus Christus empfangen mag. ...
Außerdem verspreche ich, daß ich, wenn sich Gelegenheit bietet, unbarmherzig den Krieg erkläre und geheim oder offen gegen alle Ketzer, Protestanten und Liberale vorgehe, wie es mir zu tun befohlen ist, um sie mit Stumpf und Stiel auszurotten und sie von der Erdoberfläche verschwinden zu lassen; ...

Gravatar: Peter Erbst

Typisch Un-Freie Welt. Kommt mal eine wahre Kritik gegen die Kirche, schon wird zensiert, wie z.B. dieser Beitrag, der vor 3 Tagen übermittelt, nicht aber weitergeleitet wurde.
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Das ist mir neu, dass "Freiewelt" Reklame für einen (den) Papst macht. Dazu noch einen Jesuiten!!!
Die Abkürzung am Namensende "SJ" heißt bekanntlich im Volk schon immer, und das doch wohl aus gutem Grund, Satans Jünger!!
Man google einmal: Schwur der Jesuiten. Grauenvoll!!

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