Es wird zunehmend Libori in diesen Tagen …

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Am Samstag ist es endlich wieder so weit. Libori, so sagt man in Paderborn, ist, wenn sich Bratwurstduft mit Weihrauch mischt. Der Tusch ist Pflichtprogramm, Pottmarkt und Kirmes sind obligat. Eine ganze Stadt ist für eine Woche im Ausnahmezustand. 1,4 Mio Besucher zählt das Volksfest, das zu den größten und ältesten in Deutschland gehört.

Wer von außerhalb nach Paderborn zieht, tut sich vielleicht ein wenig schwer mit diesem Kirchenvolksfest. Sei es weil man die Kirche nicht mag, sei es, weil man Volksfesten nichts abgewinnen kann oder weil man die Kombi schräg findet. Nicht viel anders ging es mir bei meinem ersten Besuch auf Libori und der Feststellung, wie viele Besucher unmittelbar nach dem Tusch den Dom verlassen. Doch erst nach dem Tusch wird die Vesper gesungen, mit der das große Fest doch eigentlich erst beginnt. Das fand ich schräg.

Der Heilige Liborius war im 4./5. Jahrhundert Bischof der Diözese Le Mans im heutigen Frankreich. Er war ein  Zeitgenosse und Freund des Hl. Martin von Tours. Schon früh wird er als Heiliger verehrt. Im 9. Jahrhundert kommen seine Reliquien nach Paderborn und Bischof Liborius wird Patron des noch jungen Bistums. Als Katholiken glauben wir, daß die Heiligen ebenso wie wir hier auf der Erde zur Kirche Gottes dazu gehören. Das hört mit dem Tod nicht auf. Der Heilige Liborius also hatte nun das Bistum Paderborn an der Backe und die Paderborner Liborius. Die Verehrung des Heiligen verbreitete sich von Paderborn aus in alle Welt. Sogar Rom hat eine Liboriuspfarrei. Der Heilige wird als Fürsprecher besonders bei Steinleiden um Fürsprache angerufen, deshalb wird er oft mit drei Steinen abgebildet. (So auch auf dem diesjährigen Gebetsbild und Programmheft zum Liborifest: Ein Fenster der Pfarrkirche St. Joseph in Westphalia im US- Bundesstaat Missouri.)

Um das Fest zu verstehen, das mir zunächst – gelinde gesagt – erheblich auf den Keks ging, mußte ich erst einmal den Heiligen Liborius kennen lernen. Nun kann man mit Heiligen nach deren irdischem Ableben leider nicht mehr an die Bierbude gehen und bei einem kühlen Gestensaft sich miteinander vertraut machen. (Als Franzose würde er das Bier vermutlich eh verschmähen … ) Da muß man schon auf das Wirken schauen. Bei allem, was vom Heiligen Liborius bekannt ist, hat mich der “Liebesbund ewiger Bruderschaft” zwischen Paderborn und Le Mans am tiefsten beeindruckt. Man könnte den Hl. Liborius als den Stifter der ersten Städtepartnerschaft in Europa ansehen. Ein Brückenbauer Europas ist er. Dieser Bund hat vom 9. Jh. bis in die Gegenwart überdauert und wird hoffentlich bis zur Wiederkunft des Herrn niemals brechen. Schweren Herzens überließen die Gläubigen von Le Mans die Reliquien ihres Heiligen der jungen Kirche in Paderborn. Dennoch schloß man miteinander diesen Liebesbund ewiger Bruderschaft. Bis heute, so auch zu diesem Liborifest kommt der Bischof von Le Mans nach Paderborn und wie in jedem Jahr, wird auch in diesem Jahr am Montag wieder ein Pontifikalamt mit den französischen Gästen von Bischof Yves Le Saux zelebriert.

Ein  solcher Bund, Revolutionen, Nationalismen, Kriege und Erbfeindschaften überlebt hat, kann einen doch nur tief beeindrucken. Ein Heiliger der einen solchen Bund bewirkt, der solche Freundschaft stiftet, der solche Brücken baut, der lohnt einen zweiten Blick. Auf diesem Wege ist bei mir eine Zuneigung und Verehrung für den Heiligen gewachsen und ich habe ihm schon so manches Anliegen zur Fürbitte vorgetragen, wenn ich in der Krypta des Paderborner Doms war, wo seine Reliquien das Jahr über unter dem Altar ruhen.

Auch die jungen Katholiken im Erzbistum Paderborn entdecken ihren Patron wieder neu. So gibt es seit 2009 (?) eine neues Liborilied, das beim diesjährigen Internationalen Nightfever Weekend in Paderborn der Renner überhaupt war.

Der Hl. Liborius verbindet die Generationen, er verbindet die Völker und die, die Gott nicht kennen (wollen) zieht er ein kleines bißchen näher an die Kirche seines und unseres Herrn. Denn eines ist gewiß: Kein Besucher des Liborifestes kommt so ganz an der Kirche vorbei. Selbst mitten im Kirmestrubel steht eine kleine Kapelle, die dem Heiligen geweiht ist. So ist auch sein Fest, auf dem sich wirklich Weihrauch mit Bratwurstduft mischt, ein Fest, das Brücken baut.

Und so kann ich Libori feiern, so kann ich das verstehen. Die Freude der Paderborner am Liborifest jedenfalls hat mich auf diesem Weg auch gepackt. Es kann losgehen …

Hl. Liborius, bitte für uns (auch um einen fröhlichen und friedlichen Verlauf der Festwoche in Paderborn).

Beitrag erschien zuerst auf: blog.peter-winnemoeller.de

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Gravatar: Raymond Walden

Es gibt auch Bürger in Paderborn, die nicht liborius-trunken sind:

Da, wo ich wohne

Da, wo ich wohne, mag mich niemand hören, denn ich sage Ungewöhnliches, Unverständliches, Ungehöriges, Beängstigendes zum Lobe der Freiheit.

Da, wo ich wohne, ist die Landschaft vielfältig schön: Sanfte Hügel, flache Weiten, steiniger Boden, Heidesand, Quellen, stille Wälder, bestellte Felder. Unendlich weiter Blick nach Westen, der zumeist gemäßigtes Klima schickt.

Da, wo ich wohne, ist altes Kulturland, heute mit angenehmer Infrastruktur. Man wohnt hier gut, so mancher Zugereiste blieb.
Hier verbrachte ich die längste Zeit meines Lebens, etablierte familiäres Glück, Freundschaften, auch das Leid klopfte an.

Da, wo ich wohne, färbt das Konservative die Provinz und regiert mit gediegener Spießigkeit, allenfalls mit christlicher Heiterkeit.

Da, wo ich wohne, bleibe ich immer ein Zugereister, denn mein Heimatbegriff ist kosmopolitisch und von keiner Gottheit beweihräuchert. – Ein Weltbild, das in keinen Dom und keine Schützenuniform passt.

Da, wo ich wohne, dröhnen die Glocken täglich, auch aus der Zeitung, auf einer der letzten Seiten klingeln die Nummern von „Kontakten“.

Da, wo ich wohne, feiert die Scheinheiligkeit Heiligen-Kirmes in verfilzten Joppen und geflochtenen Seilschaften. Angezapft ist – der Verstand!

Da, wo ich wohne, werde ich bleiben, um in vieler Hinsicht zu reisen, zu lernen und davon zu berichten.

Wo ich denn nun wohne? – Vielleicht in Ihrer Nachbarschaft!

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