Erst enteignen – dann entmündigen. Frei nach diesem Motto toppen die Grünen in ihrem Wahlprogramm die Steuerpläne der SPD. Erst das noch verfügbare Einkommen der Bürger mit allerlei Steuern und Abgaben immer weiter schmälern, dann in immer mehr Lebensbereichen von der Kita für Kleinstkinder bis zu der Altenverwaltung die Lebensentwürfe staatlich vorgeben und die dazu passenden Rollenmuster regulieren.
Mit und von links übernahmen die Grünen das zentrale Wahlkampfthema „soziale Gerechtigkeit“ von den Sozialdemokraten. Im Rennen um die steuerliche Mehrbelastung derjenigen, die von den Grünen schon mit einem Jahreseinkommen ab 60.000 Euro als besserverdienende „starke Schultern“ ausgeguckt werden, bleibt Peer Steinbrück auf dem Wahlkampfacker nur die Rolle des Hasen zwischen den Igeln. In der Steuerfurche aber rackert sich der SPD-Kanzlerkandidat politisch zu Tode.
Vulkanös eruptierender Klassenkampf
„Was Du nicht willst, dass man Dir tu’, das füg’ dann auch den Ander’n zu“, mag sich Sigmar Gabriel gesagt haben, als er unter der Woche zum Gegenschlag gegen den SPD-Wunschpartner ausholte. Dass die Grünen seit eh und je für ein Tempolimit von 120 km/h auf Bundesautobahnen plädieren, ist ein alter Hut und gehört zu deren Gründungscredo. Niemand holt diese Forderung noch hinter dem Ofen hervor und keinen regt das sonderlich auf.
Wenn aber auch der Vorsitzende der Noch-Volkspartei SPD die wenigen Prozent Autobahnkilometer in Deutschland, die noch nicht tempolimitiert sind, in dieses Korsett pressen will, dann ist ein Stein ins Rollen gekommen, der eine Lawine auslösen kann. Viel Ungemach witternd, bremste Steinbrück deshalb seinen Vorsitzenden brutal aus, damit die altehrwürdige Partei nicht ganz aus der Kurve flog. Dabei mag der Kanzlerkandidat auch an die Beschäftigten der großen deutschen Autohersteller und an deren zumeist der SPDnahestehende Betriebsräte gedacht haben, die genau wissen, wie bedeutsam, aber auch verwundbar die heimische Autoindustrie ist, die gerade mit ihren Premiumkarossen auf dem Weltmarkt noch relativ unangefochten dasteht und gutes Geld verdient.
Erfolgreiches Geschäftsmodell Deutschland
Steinbrück muss die Balance zu halten suchen zwischen dem vulkanös eruptierenden Klassenkampf der Grünen und einer alle relevanten gesellschaftlichen Tendenzen usurpierenden und die SPD-Programmatik kannibalisierenden Politik von Kanzlerin Angela Merkel. Die alte Garde der Grünen aber ist in die Jahre gekommen; Jürgen Trittin (bald 59), Renate Künast (57) und Claudia Roth (bald 58) ringen um ihre letzte Chance, Staat und Gesellschaft entscheidend zu verändern. Dieses Trio sieht sich im Schwitzkasten zwischen dem bald 65-jährigen väterlich-lebensklugen und sich bürgerlich gerierenden grünen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann und der erst 47-jährigen neuen grünen Frontfrau Katrin Göring-Eckardt, die mittelfristig auch mit einer von Merkel geführten und von Peter Altmeier und Ursula von der Leyen geprägten Union koalieren würde.
Das aktuelle Ansinnen des alt-grünen Trios erinnert fatal an den pubertären Versuch der Jusos in den 70er-Jahren, die Belastbarkeit der deutschen Wirtschaft zu testen. Mit kaum zu überbietender Arroganz und erstaunlicher Ignoranz soll die Statik des mitten in der Finanz- und Schuldenkrise noch immer hoch erfolgreichen Geschäftsmodells Deutschland weiter belastet werden, obgleich die in vielen Facetten ähnlich der grünen Programmatik komponierte revolutionäre Strategie des französischen Präsidenten François Hollande soeben vor dem Bankrott steht.
Bevormunden macht Spaß
Wie so oft, wenn Sachargumente nicht vorhanden sind oder greifen, wird Sozialethik durch Gutmenschenmoral ersetzt. Hilflos ruderte Renate Künast mit Muskeln und Mimik, als sie am 7. Mai in der Talkshow „Menschen bei Maischberger“ (ARD) auf die Frage, wie denn die Grünen dazu kämen, den Status eines angeblich wohlhabenden Steuerzahlers bereits bei einem Jahreseinkommen von 60.000 Euro zu fixieren, keine Antwort wusste.
Die Alt-Grünen scheinen besessen von der Idee, dass der Staat, und zwar konkret ein alt-grün umorientierter Staat, mehr Sinnstiftung im Leben seiner Bürger organisieren müsse. Am besten, indem zunächst einmal das Einkommen und Kapital der Bürger, das für die Lebensgestaltung verwandt und für die Altersversorgung zurückgelegt oder für eine Vermögensbildung angehäuft wird, mit einer Erhöhung des Spitzensteuersatzes und einer Vermögensabgabe zu großen Teilen einkassiert wird. Wenn man Jürgen Trittins Auftritte beobachtet, drängt sich zudem der Verdacht auf, dass Bevormunden auch richtig Spaß machen kann.
Marode Straßen und Brücken überall
Doch Besserwissertum und Antikapitalismus sind dem Trio schon so zu Kopf gestiegen, dass die neben Kanzlerin Merkel zweite starke Frau im Kabinett und in der Union, Arbeitsministerin Ursula von der Leyen, in „Bild am Sonntag“ (12. Mai) kategorisch beschied, die Grünen hätten mit ihren „aberwitzigen“ Steuererhöhungsplänen, die „bereits die Mittelschicht bis zum Facharbeiter“ träfen, die „Tür für Schwarz-Grün knallhart zugemacht“.
Dabei muss die Union allerdings aufpassen, nicht bei einem ureigenen Thema vorgeführt zu werden. Genüsslich grinsend begründet ausgerechnet Jürgen Trittin die geplanten Steuererhöhungen mit dem Argument, marode Straßen und Brücken überall im Lande wieder verkehrstauglich machen und die Infrastruktur sanieren zu wollen. Als ausgewiesener Verfechter von Straßen- und Brückenbau für den Individual- und Schwerlastverkehr aber war der Altlinke bislang nicht in Erscheinung getreten.
Als alter Fuchs roch Wolfgang Schäuble den Braten und startete eine Entlastungsoffensive. Der Bundesfinanzminister klaute vor wenigen Tagen den Grünen flugs das Thema der steuerlichen Gleichstellung der Homoehe. Auch in Erwartung eines entsprechenden Urteils des Bundesverfassungsgerichts machte Schäuble entgegen einem Beschluss des CDU-Bundesparteitags vom Dezember 2012 die Tür für eine baldige gesetzliche Änderung im Sinne von Grünen und SPD auf.
Wohlstand und Stabilität sichern
Kanzlerin Merkel aber schweigt und genießt. Die Abteilung Attacke überlässt sie ihren starken Angreifern von der Leyen, Schäuble und Altmeier. Im Hintergrund agiert Thomas de Maizière, der nach verunglückten Äußerungen über angeblich wehleidige Soldaten wieder Tritt gefasst hat.
Noch, so das Kalkül, ist das Wahlvolk zumindest enttäuscht, wenn nicht entrüstet über die per Selbstanzeige kundgetane Steuerhinterziehung des als recht wohlhabend angesehenen Fußball- und Sozialmanagers Uli Hoeneß; noch herrscht auch Empörung über astronomische Gehälter, Boni und Abfindungen bei Banken und Großunternehmen. Auch wollen die Menschen, dass, nach aller Enttäuschung über die Unfähigkeit von Wirtschaft und Finanzinstituten, Schieflagen aus eigener Kraft zu korrigieren, der Staat sich weiter als Retter und „Megaversicherung“ bewährt und mit hinreichenden Mitteln ausgestattet ist, um Wohlstand und Stabilität zu sichern.
Doch zugleich goutieren die Leute, dass eine sich zurückhaltend und bescheiden inszenierende Kanzlerin mit Ruhe und Ausdauer ganz unaufgeregt die Geschicke des Landes in einem unruhigen Europa und einer zuweilen bedrohlich wirkenden Welt lenkt. Merkel macht als wahre Preußin und Verwalterin der Bürgerinteressen in Konkurrenz zu dem alt-grünen Trio und dem blässlich bleibenden Steinbrück die authentischere Figur.
Weiterentwicklung der sozialen Marktwirtschaft
Ob Merkel, Schäuble und von der Leyen nicht auch von der Seuche einer überbordenden Staatsgläubigkeit befallen werden, wird sich auch daran erweisen, wie mit den noch nie in diesem Ausmaß von einem Staatswesen in Deutschland vereinnahmten Rekordsteuereinnahmen umgegangen wird.
Für Union und FDP kann es auch ein Lackmustest sein, ob sie noch einmal die geistig-konzeptionelle Kraft für eine grundlegende Steuerreform und einen neuen Anlauf für eine breite Vermögensbildung aufbringen. Vielleicht kann das aber auch nur in einer großen Koalition mit einem Vizekanzler Gabriel gelingen. Für einen funktionierenden Sozialstaat, für die Weiterentwicklung der sozialen Marktwirtschaft und für die eigenverantwortliche Lebensgestaltung mündiger Bürger sind dies entscheidende Fragen.
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Beitrag erschien zuerst auf: theeuropean.de
Kommentare zum Artikel
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Die größte Entmündigung, die Steinbrück vornehmen will ist die Abschaffung des Grundgesetzes, die auch von zahlreichen anderen Politikern des Bundestages angestrebt wird. Denn immer wenn die Politiker sagen, wir brauchen eine Änderung des Grundgesetzes, zu der es eine Volksabstimmung geben muss, lügen die! Der Bundestag kann das ganze Grundgesetz ändern, nur die Inhalte der Artikel 1 und 20 sind unantastbar. Diese können nur angegriffen werden durch eine Volksabstimmung über eine neue Verfassung. Auch wenn man diese neue Verfassung wieder Grundgesetz nennt, darf man das nicht Verfassungsänderung nennen, weil das alte Grundgesetz mit so einer Abstimmung seine Gültigkeit verliert. Hier mein Hintergrundbericht, den ich wie alle meine Beiträge zur Weiterverbreitung freigebe: http://viertuerme.blogspot.de/2013/05/mehr-demolratie-ev-die-saat-geht-auf.html
Verstehe den ewigen Kotau sämtlicher Parteien (außer der FDP) vor den Grünen nicht. Die Grünen glauben, ihre Ideen werden von einer breiten Mehrheit der Bevölkerung mitgetragen. Das stimmt aber nicht. Die Grünen verdanken ihren Erfolg nur der immer größeren Partei der Nichtwähler. Und Nichtwähler gibt es nur deshalb so viele, weil immer Grün herauskommt, egal was man wählt (außer FDP).
Die Grünen bauschen alles zum regulierungsbedürftigen Problem auf, was keines ist (Tempo auf Autobahnen, Zigaretten, Vorhandensein von Radwegen, Art der Energieversorgung, Schulangebot, Fleischessen in der Bundestagskantine) und kümmern sich um tatsächlich vorhandene Probleme (funktionierende Wirtschaft, funktionierende Energieversorgung zu bezahlbaren Preisen für alle, bezahlbare Essensversorgung für alle) überhaupt nicht. Das liegt daran, dass bei den meisten Grünen das Geld irgendwie vom Himmel fällt (viele Staatsdiener ohne wirtschaftliche Probleme daheim). So glauben sie, alle Geldprobleme des Staates durch Steuererhöhungen lösen zu können. Ah, mit 60.000 EUR ist man wohlhabend? Dann gehört man als Leiharbeiter wohl schon zur besser verdienenden Mittelschicht und als Hartz-IV-Empfänger ganz sicher zu den Normalverdienern. Na Hauptsache, wir kaufen alle teuren Ökostrom, Bio-Obst, Fahrräder für 6.000 EUR und rauchen nicht. Diese Menschen leben in einem solchen Wolkenkuckucksheim, dass man sie mal eine Weile als Praktikanten in der freien Wirtschaft arbeiten lassen sollte, damit sie erleben, wie schwer es in Deutschland für die meisten Menschen ist, richtiges Geld zu verdienen.
@Frau Weber
Ich würde Ihren letzten Satz gern durch ein Wort etwas umformulieren:
"Die Grünen finde ich eklig. Deren Bonzen würden selbst nie so leben, wie sie es von dem von ihnen vereinnahmten Pöbel fordern
Da wird von "Weiterentwicklung der sozialen Marktwirtschaft" geschrieben. Ist der politischen Klasse eigentlich schon aufgefallen, dass man nur "weiterentwickeln" kann, was es auch tatsächlich gibt. Das ist seit Jahren die erste öffentliche Erwähnung des Begriffes "soziale Marktwirtschaft", die ich zur Kenntnis nehme. Für mich ist es eigentlich nur eine Frage der Zeit, bis der Art. 20 Abs. 1 GG komplett (und leise) getilgt wird. Per EEG sind wir doch längst in der ruinösen Planwirtschaft angekommen.
Die Grünen finde ich eklig. Deren Bonzen würden selbst nie so leben, wie sie es von dem von ihnen unterdrückten Pöbel fordern.