Energie: Milliardenteures Abenteuer mit „Grünem Wasserstoff“ *

Deutschland und die EU wollen Unsummen in die Produktion von „grünem Wasserstoff“ nach Afrika transferieren – trotz politischer Instabilität.

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Am 20. November trafen sich in Berlin 13 afrikanische Staatschefs mit europäischen Politikern und führenden Wirtschaftsvertretern zur fünften Wirtschaftskonferenz „Compact With Africa“. In diesem Jahr stand die angestrebte Kooperation von europäischen und afrikanischen Partnern beim Ausbau der sogenannten nachhaltigen Energien im Fokus, wobei die Notwendigkeit von privaten Investitionen in Europas Nachbarkontinent besonders hervorgehoben wurde.

Der 2017 von Deutschland initiierten Konferenz haben sich unter anderem Marokko, Tunesien, Senegal und Ägypten angeschlossen. Angola, Sambia, Nigeria und Kenia nahmen als Gäste teil. Ungeachtet der hohen Risiken und Kosten bekannten sich alle Teilnehmer in seltener Einmütigkeit zum gemeinsamen Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft auf dem Weg in eine „klimaneutrale Zukunft“.

Bundeskanzler Scholz sagte Milliarden-Investitionen Deutschlands zu. Deutschland werde „grünen Wasserstoff in großen Mengen“ aus afrikanischen Ländern abnehmen. Damit böten sich für diese Länder große Chancen. Deutschland benötigt Afrika als Partner zur Erfüllung der von der Bundesregierung abgesteckten ehrgeizigen Klimaziele. Bei der zukünftigen Energieversorgung soll der über See importierte grüne Wasserstoff als tragende Säule fungieren. „Klimafreundlicher Wasserstoff“ werde die Klimabilanz von Industrie und Verkehr erheblich verbessern, verkündet die Nationale Wasserstoffstrategie 2020, und wörtlich: „Deutschland wird zur Wasserstoff-Wirtschaft.“

Ökologisch äußerst fragwürdig

Nach Angaben aus Robert Habecks Wirtschaftsministerium soll ungefähr ein Drittel des benötigten Wasserstoffs in Deutschland erzeugt und 50 bis 70 Prozent des Bedarfs durch Importe aus dem Ausland gedeckt werden. Das klingt nach einer „Win-win“-Situation. Doch im Vergleich mit grauem Wasserstoff aus Erdgas ist grüner Wasserstoff etwa dreimal teurer und könnte nur durch Differenzverträge oder ein Erneuerbares-Energien-Gesetz für Wasserstoff finanzierbar sein.

„Essentiell sind wettbewerbsfähige und verlässliche nationale Rahmenbedingungen sowie makroökonomische Stabilität“ stellte Scholz fest. Damit sprach er die mit den teuren afrikanischen Wasserstoffprojekten verbundenen Risiken im Bereich Rechtssicherheit und politischer Stabilität an. Diese sind allerdings enorm. Seit 2020 gab es in Afrika neun Militärputsche, in Mali und Burkina Faso sogar je zwei. Ungeachtet des ungewissen Ausgangs der angestoßenen Wasserstoffprojekte spricht man gleichwohl öffentlich nur über die Chancen der Energietransformation für neue Jobs und eine sicherere, bezahlbare Stromerzeugung in Afrika.

Selbst in vielen Ländern Afrikas mit gewählten Staatschefs gibt es nach wie vor superreiche Familienclans und Vetternwirtschaft. Und auch diesen Ländern sei das „antidemokratische Arsenal“ ausgebaut worden, wie die „Zeit“ im August 2022 berichtete. Genannt werden Internetblockaden, fadenscheinige Gerichtsprozesse gegen Oppositionelle, Polizeigewalt „und Schlimmeres“. Der globalen Windbranche kommen diese Strukturen zupass. Windparks mit 600 und mehr Windrädern, um Strom für den „grünen“ Wasserstoff bereitzustellen, haben katastrophale ökologische Schäden zur Folge und können nicht ohne Menschenrechtsverletzungen entstehen. In Europa sind sie nicht durchsetzbar.

Von Unruhen erschüttert

Kenia, eines der wirtschaftlich stärksten und modernsten Länder Afrikas, liegt laut einem Bericht der „taz“ auf der Liste der von Korruption betroffenen Länder Afrikas im Mittelfeld. Lange wurde Kenia von korrupten Familienoligarchien beherrscht. Nach einer Analyse der Friedrich-Ebert-Stiftung handelt es sich um ein Symptom des ethnischen Klientelismus. Gut ein Jahr nach der Wahl von Präsident William Ruto im August 2022 wird das Land weiterhin von massiven Unruhen erschüttert. Steigende Preise, Arbeitslosigkeit und Enttäuschung über Ruto, der sich selbst als „Hustler“ bezeichnete (eine Mischung aus Überlebenskünstler und Schlitzohr), treiben vor allem junge Leute auf die Straße.

Da Präsident Ruto einen Fahrplan zur „klimaneutralen Herstellung“ von grünem Wasserstoff für sein Land angekündigt hat, wurde Kenia auf dem dreitägigen Klimagipfel in Nairobi vom 4. bis 6. September von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen für seinen Ehrgeiz auf dem „Weg zur Klimaneutralität“ gelobt.

Wie jüngst in Berlin lag der Fokus in Nairobi auf einer Strategie zur sogenannten klimaneutralen Herstellung von Wasserstoff auf dem afrikanischen Kontinent. Noch ist die globale Finanzierung dieser „Klimaschutzprojekte“ ungeklärt. Von der Leyen kündigte an, die kenianische „grüne“ Wasserstoffstrategie im Rahmen des 300 Milliarden Euro schweren Investitionsplans „Global Gateway“ der EU für „wertebasierte, hochwertige und transparente Infrastrukturpartnerschaften“ mit fast zwölf Millionen Euro zu fördern.

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)*  Anmerkung der EIKE-Redaktion :

Dieser Aufsatz ist zuerst erschienen in der Preußischen Allgemeinen Zeitung;  1. Dezember 2023, S.7 ; EIKE dankt der PAZ-Redaktion sowie der Autorin  Dagmar Jestrzemski für die Gestattung der ungekürzten Übernahme, wie schon bei früheren Artikeln :   https://www.preussische-allgemeine.de/ ; Hervorhebungen im Text: EIKE-Redaktion.

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Wolfgang Pöschl

Kenia ist nicht der optimale Ort für solche Projekte. Die Wüste von Namibia, der Südwesten von Ägypten, der Süden von Lybien oder der Westen des Sudan wären da schon geeigneter, wobei nicht alle dieser Länder dem Programm 2017 angehören. In diesen Gebieten läge die Globalstrahlung bei ca. 2.400 KWh/m^2/Jahr. Das entspräche einer Jahresdurchschnittsleistung 274 W/m^2 der eingestrahlten Energie. Für die Stromerzeugung erreichen Solarzellen einen Wirkungsgrad von 22 %. Damit ließe sich also eine jahresdurchschnittliche Leistung von 60 Watt/m^2 bei der Stromerzeugung erreichen. Diese Leistung würde im Durchschnitt jede Sekunde über das ganze Jahr geliefert. Wenn die Elektrolyse einen Wirkungsgrad von 80 % hat, dann gehen davon 48,2 Watt/m^2 in die Enthalpie von Wasserstoff. Dieser muss aber dann verflüssigt werden, um ihn per Schiff nach Deutschland zu transportieren. Dafür werden ca. 30 % der Energie benötigt. Es bleiben dann noch 34 Watt/m^2 übrig. Wenn man z.B. diesen Wasserstoff dann in Deutschland über eine moderne Gasturbine mit 60 % Wirkungsgrad rückverstromt, dann erhält man noch 20 Watt/m^2 an Strom. Mann kann mit dem Wasserstoff natürlich auch Stahl oder Zement herstellen oder die Haushalte heizen etc. Die Wirkungsgrade sind dabei aber nicht so gut, wie beim Einsatz von Kohle oder Kohlenwasserstoffen. Der Gesamtprimärenergieverbrauch in Deutschland liegt heute bei 3.400 TWh/Jahr in einer Kohlenstoffwirtschaft. Bei einer Wasserstoffwirtschaft wäre er sicherlich etwas höher aber bleiben wir mal konservativ und nehmen die 3.400 TWh/Jahr. Das entspricht einer Jahresdurchschnittsleistung von 388 GW. Wenn wir die nun durch die obigen 20 Watt dividieren, dann finden wir, dass wir in Afrika eine Fläche von rd. 19.164 km^2 - also 19-Tausend Quadratkilometer - an Freiflächen-PV-Anlagen aufbauen müssten. Ist das bezahlbar? Nehmen wir einmal den Preis von 100,- €/m^2 für ein Solarpanel. Dann würde bei heutigen Preisen alleine das Material rd. 2 Billionen Euro kosten. Wenn man die Arbeitskosten, die Kosten für die Wartung, die Kosten für das Verflüssigen und die Kosten für den Transport noch hinzunimmt, dann läge man wahrscheinlich eher beim Doppelten. Wenn man all diese Kosten (also 4 Billionen €) über 20 Jahre amortisiert - denn die Solarzellen haben eine begrenzte Lebensdauer -, was würde dann wohl die KWh Strom bei uns kosten? Ist das bezahlbar? Oder treibt uns das in Armut? Zu meiner eigenen Überraschung kommen 6 Cent/KWh heraus.

Gravatar: Carola

Ich hab mich über den grünen Wasserstoff schlau gelesen und denke, da kann man gleich bei Atomkraft bleiben.

Abgesehen davon: Die Afrikaner waren schon immer korrupt und haben ihr eigenes Land versklavt, das ist nichts neues. Seit den 80'er Jahren pumpen die Europäer Milliarden Gelder nach Afrika, dass in unzähligen Kanälen versickert und die Menschen, die Hilfe wirklich bräuchten, kriegen nichts und haben nichts davon.

Ich war im Öffentlichen Dienst tätig und später in der freien Wirtschaft hatte ich auch etliche Berührungspunkte zu diesem Thema. Es ändert sich in 40 Jahren gar nichts.

Gravatar: Werner Hill

Abgesehen von politischen Risiken in Afrika wurden hier schon soviele glaubhafte technische und wirtschaftliche Argumente gegen solche Abenteuer mit grünem Wasserstoff veröffentlicht, daß man bezweifeln darf, daß EU und Deutschland soetwas WOLLEN.

Nicht nur Verschwörungstheoretiker könnten da Verdacht schöpfen, daß auch da die Klimamafia ihre geld- und machtgierigen Hände im Spiel hat.

Gravatar: Ekkehardt Fritz Beyer

... „Deutschland und die EU wollen Unsummen in die Produktion von „grünem Wasserstoff“ nach Afrika transferieren – trotz politischer Instabilität.“ ...

Wie aber kommt diese politische Instabilität in Afrika und der Hang der allermeisten dieser Staaten zu Russland auch m. E. in erster Linie zustande?

Weil sie sich sicher sind: »Russland wird Afrika nicht plündern«!
https://www.jungewelt.de/artikel/462475.moskaus-afrikastrategie-russland-wird-afrika-nicht-pl%C3%BCndern.html

Wen wunderts da noch, dass die allermeisten Staaten dieses Kontinents ´natürlich` ihren "eigenen Groll gegen die von den Westmächten dominierte Weltordnung“ aufbauten, nun ´entsprechend` hegen
https://www.afrika-sued.org/ausgaben/heft-4-2020/was-hat-russland-afrika-zu-bieten-/
und nicht nur die göttlich-deutsch Abgehobenen nun versuchen, ebenfalls die Tür in Richtung Afrika zu öffnen, welche auch ihnen wegen des dort ausgeübten Unrechts verschlossen wurde???

Ja mei: „Die Front gegen Russland ist weniger stark, als man meint“!!!
https://magazin.nzz.ch/nzz-am-sonntag/international/die-front-gegen-russland-ist-weniger-stark-als-man-meint-ld.1677763?reduced=true

Gravatar: Elmar Oberdörffer

Grüner Wasserstoff ist wirtschaftlicher Irrsinn. Wer sich darüber ausgiebig informieren möchte, kann dies anhand der auf Anderweltonline erschienenen Aufsätze des Ingenieurs Wilfried Schuler tun, hier die Links:

https://www.anderweltonline.com/klartext/klartext-20222/der-wasserstoff-aus-der-wueste-technisches-wissen-anstelle-von-wunderglauben/

https://www.anderweltonline.com/klartext/klartext-20231/gruener-wasserstoff-ist-eine-schimaere/

https://www.anderweltonline.com/klartext/klartext-20231/der-transport-von-wasserstoff-aus-australien-ist-moeglich-aber/

https://www.anderweltonline.com/klartext/klartext-20231/greenwashing-down-under-aus-braun-wird-gruen-eine-geschichte-aus-australien/

https://www.anderweltonline.com/klartext/klartext-20231/das-geschenk-des-gottes-ammon-aus-der-oase-siwa/

https://www.anderweltonline.com/klartext/klartext-20232/gruener-wasserstoff-und-gruenes-ammoniak-im-verbund-der-paso-doble-in-den-abgrund/

https://www.anderweltonline.com/klartext/klartext-20232/todesanzeige-unser-gruener-wasserstoff/

Die Aufsätze sind allgemeinverständlich, keine Fachkenntnisse erforderlich. Ich wünsche viel Vergnügen beim Lesen.

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