Eine Stadt im Klimaschutzwahn

Für manche Leser des neuen Referentenentwurfs des Berliner Klimaschutzgesetzes dürfte die als Apokalypse an die Wand gemalte Klimakatastrophe das geringere Übel sein, hat er doch auf dem Schreibtisch vor sich einen Gesetzentwurf liegen, dessen Lektüre Assoziationen mit eher finsteren Zeiten der deutschen Geschichte hervorruft.

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Mit planwirtschaftlicher Akribie strotzt der Referentenentwurf nur so von Verboten und starren Handlungsanweisungen. Trotz anderslautenden Beteuerungen wird nicht ein Gedanke an die Relation von Kosten-Wirksamkeit der vorgeschlagenen Maßnahmen verschwendet. Hier nur einige Beispiele, die den Regulierungsdrang der Berliner Landesregierung besonders illustrieren, bei weitem aber nicht erschöpfend sind:

So ist etwa der Neuanschluss von elektrischen Heizgeräten zur Erzeugung von Raumwärme und Warmwasser nur unter strengen Auflagen erlaubt. Es stellt sich die Frage, ob den Urhebern dieses Gesetzentwurfes entgangen ist, dass Deutschland bereits seit einiger Zeit am Emissionshandel der EU teilnimmt. Dieser stellt nicht nur sicher, dass die Kohlendioxidemissionen des größten Teils des produzierenden Gewerbes, darunter auch der Energiewirtschaft, innerhalb einer politisch gesetzten Bandbreite bleiben und damit bereits reguliert sind, sondern auch, dass die zusätzlichen Verbote im Referentenentwurf komplett nutzlos und lediglich teuer sind. Jede Tonne Kohlendioxid, die Berliner aufgrund der Verbote nun weniger emittieren, darf jetzt jemand anderes in die Luft blasen, der das Recht dafür am Zertifikatemarkt erwirbt.  Da die Berliner Energiediktatur die Emissionsrechte verbilligt, wird sich auch jemand finden, der dann den Strom produziert, den im Zweifel wieder andere Berliner für das Kaltstellen der „Kühlen Molle“ verbrauchen. Diejenigen, die eine Elektroheizung im Wohnungsbereich aus rein wirtschaftlichen Gesichtspunkten für die vernünftigste Lösung hielten, haben das Nachsehen und müssen per Zwang die Energieverschwendung ihrer Mitbürger subventionieren. Auch so sieht Umverteilung, zumeist von unten nach oben, dank Klimaschutzpolitik aus.

Kleinklimaanlagen im Wohnungs- und Bürobereich sollen gleich ganz verboten werden, obwohl alle Welt weiß, dass sie ein sehr wirksames Mittel sind, sich gegen die gesundheitlichen Folgen extremer Hitze zu schützen. Und dass bereits heute und nicht erst nach dem Prinzip Hoffnung, dem die Schöpfer des Berliner Klimaschutzgesetzes offenbar nachhängen, wenn sie glauben, diese Maßnahme würde auch nur einen heißen Sommer in der Zukunft vermeiden helfen. Tut sie nicht, wie wir ja bereits im vorherigen Abschnitt erfahren konnten. Unter sommerlicher Hitze leidende alte und schwache Menschen, die sich gegen dieses Verbot nicht wehren können, haben also ebenso wenig davon, wie zukünftige Generationen, in deren Namen hier gespart werden soll.

Fernwärme darf nur verwendet werden, wenn sie aus Anlagen zur Kraft-Wärme-Kopplung gespeist werden und auch dann nur, wenn diese nicht den Brennstoff Kohle verfeuern. Auch hier wird kein Gedanke daran verschwendet, dass Anlagen zur Fernwärmeversorgung in den überwiegenden Fällen allein aufgrund ihrer Größe in den Geltungsbereich des Emissionshandels fallen und damit bereits fest in ein Klimaschutzregime eingebunden sind. Hier noch mehr Restriktionen einzubauen, bringt keine weitere Emissionsminderung, sondern lediglich höhere Kosten. Im Zweifel weichen die Nutzer sogar auf Anlagen aus, die nicht dem Emissionshandel unterliegen, was dann zu höheren Emissionen führt, die anderenorts nicht durch Vermeidung kompensiert werden.

Auch an anderen Stellen ist der Übergang vom vermeintlichen Klimaschutz zur verdeckten Klientelpolitik deutlich sichtbar. Da ist etwa von einer Ausdehnung des Anschluss- und Benutzungsgebots aus klimapolitischen Gründen die Rede, nicht nur die wirtschaftliche Freiheit der Immobilienwirtschaft wird enorm eingeschränkt, sondern auch der Wettbewerb um die kostengünstigste Form der Energieversorgung erheblich behindert. Unklar bleibt, wie hierdurch der Klimaschutz verbessert werden soll. Außerdem sollen in "Wärmeversorgungsplänen" die Anforderungen an Abscheidung und Einlagerung von Kohlendioxid festgeschrieben werden, bevor das technische und wirtschaftliche Potential dieser Vermeidungstechnik überhaupt durch einen Markttest bestimmt worden ist.

Wie zu erwarten, sollen Gebäudeeigentümer bei der Deckung des Wärmeenergiebedarfs der Gebäude anteilig erneuerbare Energieträger einsetzen oder andere Klimaschutzmaßnahmen ergreifen. Auch hier stellt sich niemand die Frage, ob es sich dabei um eine kostenminimale Art und Weise der Emissionsvermeidung handelt. Während wirtschaftlich sinnvolle Nutzungen der Solarwärme oder Anwendungen von Wärmeschutzmaßnahmen durchaus denkbar sind, dann aber nicht per Gesetz befohlen werden müssen, kann man davon ausgehen, dass darüber hinaus gehende Zwangsmaßnahmen unwirtschaftlich sind und zu Vermeidungskosten führen, die weit über dem liegen, was etwa der Emissionshandel der Energiewirtschaft derzeit abnötigt. Kostet hier die Vermeidung einer Tonne Kohlendioxid etwa 20 Euro, so können sich die Kosten für Zwangsmaßnahmen im Bereich der Solarthermie sehr leicht bis auf 75 Euro, bei der Bioenergie auf Werte zwischen 215 und 585 Euro, bei der Geothermie auf bis zu 540 Euro und bei unwirtschaftlicher Wärmedämmung bis weit über 300 Euro belaufen (Vgl. Hans-Werner Sinn, Das grüne Paradoxon, 2008, S. 165). Dass die im Referentenentwurf ausdrücklich erwähnte Biomasse als Energieträger nur in Ausnahmefällen tatsächlich dem Klimaschutz zuträglich ist, dafür in vielen Anwendungen aber sogar klimaschädlich wirkt und das Artensterben forciert, davon wissen Berlins amtliche Energieexperten offenbar auch noch nichts.

Ein besonderes Beispiel eklatanten Regulierungsmissbrauchs findet sich schließlich in den Ausführungen zum Wirtschaftlichkeitsmaßstab im § 26, wo bei der Wirtschaftlichkeitsberechnung der Maßnahmen wortwörtlich „eine Kapitalverzinsung nicht zu berücksichtigen“ ist. Offenbar ist den Verantwortlichen das populäre Bankenbashing in Folge der Finanzkrise soweit in Fleisch und Blut übergegangen, dass sie ihren Bürger nun sogar per Gesetz ganz ungeniert die Verletzung einer der wichtigsten Regeln des Wirtschaftslebens vorschreiben wollen: Wirtschafte so, dass der Ertrag deines Handelns mindestens so hoch ist wie der Ertrag anderer, gleich riskanter Alternativen. Kapitalkosten lassen sich nicht per Dekret wegdefinieren, wie die Investoren spätestens merken werden, wenn sie für bauliche Maßnahmen bei ihrer Bank einen Kredit nachfragen. Auch Klimaschutzmaßnahmen müssen den entgangenen Ertrag alternativer Verwendungen ihres Ressourcenaufwandes decken. Wer seinen Bürgern also die Verzinsung ihres Kapitals verbietet, verwehrt ihnen auch die Möglichkeit, ihr Kapital nachhaltig anzulegen und macht damit das politische Kurzfristdenken zum Maßstab der privaten wirtschaftlichen Entscheidungen aller Bürger. Noch offensichtlicher kann der Aufruf zur Ressourcenverschwendung nicht sein.

Hieran verdeutlicht sich das Dilemma kommunaler Klimaschutzanstrengungen besonders deutlich. Der Klimawandel und seine vermeintlichen anthropogenen Ursachen sind ein globales Problem, bei dem egal ist, wo die Klimagasemissionen entstehen, aber auch, wo sie vermieden werden. Unsere menschliche Vernunft legt uns jedoch nahe, die Versuche einer Emissionsvermeidung zu möglichst geringen Kosten zu realisieren. Dafür sind jedoch Maßnahmen nötig, die für Unternehmen und Bürger weltweit die gleichen Signale setzen. Verbote an einem Ort, aber keinerlei Regulierung anderswo, werden im Zweifel lediglich zur Verschiebung der Emissionen führen, den Menschen zusätzliche Kosten auferlegen und ihre individuelle Freiheit unnötig einschränken.

Ein einheitlicher Preis für Treibhausgasemissionen mit derselben Klimawirkung würde diese Aufgabe dagegen lösen und das umweltpolitische Verursacherprinzip ähnlich einer echten Marktlösung durchsetzen. Dem Einwand, dies wäre Zukunftsmusik, die aufgrund mangelnder internationaler Kooperation zwar theoretisch sauber, aber unrealistisch sei und deswegen durch pragmatische Maßnahmen vor Ort ersetzt werden müsse, ist nicht nur entgegenzuhalten, dass der Klimawandel sich nicht durch reine Symbolpolitik aufhalten lässt. Ronald Coase hat uns vor Jahrzehnten bereits die Antwort gegeben, als er schrieb, dass es für alle das Beste wäre, wenn derjenige das Recht auf Umweltverschmutzung erhalten würde, für den die Vermeidung die größte wirtschaftliche Last bedeutet (Ronald Coase, The Problem of Social Cost, Journal of Law and Economics, 1960). Dann wäre es erst an denjenigen sich der Lösung des Problems zu nähern, die mit den geringeren Kosten konfrontiert wären. Kooperative Lösungen würden dann leichter in die Gänge kommen. Übertragen auf den anthropogenen Klimawandel und seine hohen Kosten, nicht nur der Vermeidung, sondern auch der Koordination der dazu notwendigen Aktivitäten, bedeutet dies, dass es wohl die vernünftigere Alternative wäre, sich viel stärker auf kostengünstige Anpassungsmaßnahmen an die Wirkungen des Klimawandels zu konzentrieren. Eine Vielzahl von Untersuchungen weist darauf hin, dass der finanzielle Aufwand für eine internationale Klimaschutzstrategie mit geringem Wirkungspotential, den Finanzbedarf von Anpassungsmaßnahmen zur Beseitigung von Hunger, Krankheiten und akutem Wassermangel im Rahmen einer effektiven Entwicklungspolitik deutlich übersteigen würde (Indur Goklany, Adressing Climate Change in the Context of Other Problems – A Plea for Realism over Ideology, LI-Occasional Paper 78, 2009). Die Konzentration auf Anpassungsmaßnahmen vor Ort hätte zudem den Vorteil, dass sie unmittelbar wirken, egal ob der Klimawandel oder eine andere Ursache das Problem verursacht haben. Darüber hinaus lassen sie der Kommune echten Handlungsspielraum und erschöpfen sich nicht in dieser Art von Pseudogeschäftigkeit, die mit dem Referentenentwurf zum Klimaschutzgesetz losgetreten werden soll. Das eigentliche Ziel, „auf wirtschaftlich und sozial vertretbare Weise zum Klimaschutz beizutragen“ und „mögliche negative Folgen der Klimaänderung zu erkennen und einzudämmen“, wird auf eklatante Weise verfehlt. Stattdessen liegt ein Lehrstück an politischer Ignoranz und diktatorischem Staatsverständnis vor mir auf dem Schreibtisch.

Dieser Text ist in etwas abgeänderter Form bereits im Logbuch der Libertären Plattform und als IUF-Kommentar erschienen.

 

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