Eine Hasspredigt

Ist die Predigt von Olaf Latzel eine Hasspredigt? Wohl nur für jemanden, der an gar nichts glaubt.

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Eigentlich wollte ich zur in die breite Öffentlichkeit gezerrte angebliche Hasspredigt des evangelischen Pastors Olaf Latzel gar nichts schreiben, nachdem jetzt aber auch die letzte Kleinstadtpostille auf den Trichter gekommen ist, hier einen gratismutigen Punkt gegen die Religion machen zu können und sich mal so richtig investigativ zu fühlen mit der Einschätzung, Latzel sei ein Hetzprediger, und man habe also mithin endlich das christliche Pendant zu einem Pierre Vogel gefunden, wird es wohl doch Zeit, die Stimme zu erheben. Dabei geht es mir gar nicht um eine Rechtfertigung des Pastors, der aus katholischer Sicht ja nicht gar nicht Vertreter einer Kirche ist (die evangelische Kirche ist eigentlich keine, und er scheint von der katholischen Kirche – gelinde gesagt – auch nicht viel zu halten), sonder generell um die Frage des Umgangs mit anderen Religionen.

Fündig wird man dazu in der Erklärung Nostra Aeatate des II. Vatikanischen Konzils, die sich mit dem “Verhältnis der Kirche zu den nichtchristlichen Religionen” auseiandersetzt. In diesem Dokument wird kein Dogma festgelegt, und es ist auch in einigen Teilen interpretationsfähig – macht aber anderereits das Spannungsfeld deutlich, mit dem man sich bei der Frage des Umgangs mit anderen Religionen befindet. Zunächst mal wird darin festgestellt, dass wir natürlich eine Menschheitsfamilie sind, weil wir letztlich – egal, welcher Religion wir folgen – Geschöpfe des einen Gottes sind (“Alle Völker sind ja eine einzige Gemeinschaft, sie haben denselben Ursprung, da Gott das ganze Menschengeschlecht auf dem gesamten Erdkreis wohnen ließ.”) In diesem Kontext bieten die Religionen Antworten auf die existenziellen Fragen, die sich letztlich jeder Mensch stellt. Religion, so meine persönliche “Übersetzung”, ist letztlich ein Produkt der Suche nach Wahrheit.

Und da wir alle Gottes Geschöpfe sind und uns auf der Suche nach diesen Antworten befinden, sollte es doch verwundern, wenn die unterschiedlichen Religionen so völlig unterschiedlich mit der Frage nach Gott umgehen. Mit anderen Worten: Ähnlichkeiten in den Religionen sind vorprogrammiert! Mit dieser Vorrede sind auch die gerne in diesem Zusammenhang zitierten Kernsätze zu verstehen:

Die katholische Kirche lehnt nichts von alledem ab, was in diesen Religionen wahr und heilig ist. Mit aufrichtigem Ernst betrachtet sie jene Handlungs- und Lebensweisen, jene Vorschriften und Lehren, die zwar in manchem von dem abweichen, was sie selber für wahr hält und lehrt, doch nicht selten einen Strahl jener Wahrheit erkennen lassen, die alle Menschen erleuchtet.

Ob wir als Katholiken also einen Aspekt einer Religion ablehnen, hängt von der Frage ab, ob es mit dem, was wir selber für wahr und heilig halten, übereinstimmt. Positiv gewendet sieht man, dass in den unterschiedlichen Religionen “ein Strahl jener Wahrheit […] die alle Menschen erleuchtet” – letztlich also vom Heiligen Geist – enthalten sein kann. Kann aber nicht muss! Der Satz spricht von “nicht selten”, was natürlich etwas ganz anderes ist als eine Anerkennung der Lehren anderer Religionen. Negativ gewendet also: Andere Religionen müssen sich am Christentum messen lassen und sind nur insofern anzuerkennen, als sie dem gerecht werden.

So ist der oben zitierte Abschnitt nicht ohne den nachfolgenden vollständig zu erfassen:

Unablässig aber verkündet sie [die katholische Kirche] und muß sie verkündigen Christus, der ist “der Weg, die Wahrheit und das Leben” (Joh 14,6), in dem die Menschen die Fülle des religiösen Lebens finden, in dem Gott alles mit sich versöhnt hat.

Das macht eines deutlich: Für einen Katholiken gilt so etwas wie der “Primat seiner Religion”. Was dem katholischen Glauben widerspricht, was Christus widerspricht, kann nicht wahr sein! Wenn also die Muslime Christus als Propheten sehen, es aber ablehnen, ihn als Sohn Gottes, Teil der Dreifaltigkeit zu sehen, den Gedanken der Dreifaltigkeit ablehnen, dann liegen sie schlicht falsch, lehnen im Grunde Gott ab – einschränkend muss man sagen: weil sie es nicht besser wissen!

Umgekehrt muss man aber als aufgeklärter Mensch diese Sichtweise auch jeder anderen Religion zugestehen. Wenn also ein Moslem meinen Glauben an Jesus, den Sohn Gottes ablehnt, ist das nicht weniger als das Vertreten seiner Religion. Um mal konfessionsübergreifend zu zitieren: Da steht der Moslem, und kann auch nicht anders! Es stehen sich also zwei Gläubige gegenüber, die – wenn sie wirklich glauben – davon überzeugt sind, dass der andere falsch liegt. Als gläubiger Mensch kann man das gar nicht anders machen, es sei denn, man ist sich der eigenen Position gar nicht sicher, selber noch auf der Suche.

Die Frage ist dann nurmehr, wie man mit diesem potenziellen Konflikt umgeht, wie trete ich demjenigen gegenüber, der fest von der Wahrheit seiner Religion überzeugt ist, von der ich sicher bin, dass sie höchstens einen “Strahl der Wahrheit” erkennen lässt, die alle Menschen erleuchtet? Auch dazu Nostra Aetate:

Deshalb mahnt [die katholische Kirche] ihre Söhne, daß sie mit Klugheit und Liebe, durch Gespräch und Zusammenarbeit mit den Bekennern anderer Religionen sowie durch ihr Zeugnis des christlichen Glaubens und Lebens jene geistlichen und sittlichen Güter und auch die sozial-kulturellen Werte, die sich bei ihnen finden, anerkennen, wahren und fördern.

Hier unterscheiden sich die Einstellungen der Religionen durchaus, jedenfalls dann, wenn man Forderungen einiger Religionen ernst nimmt, die eine Verbreitung des Glaubens auch mit Gewalt vorsehen. Aber auch hier: Am Liebesgebot Jesu kommen wir als Christen nicht vorbei, es ist Teil der Wahrheit. Man kann es also nicht anderen Religionen gleich tun, die möglicherweise – vielleicht nur in der jeweiligen Auslegung – Gewalt tolerieren oder sogar fordern. Das setzt uns als Christen in eine etwas – ich möchte sagen – missliche Lage: Wir wissen um den falschen Weg, den manche Menschen einschlagen, haben aber als Argument neben der Schrift nur Liebe, Klugheit um Umgang miteinander, Gespräch und das Zeugnis des christlichen Glaubens und Lebens. Wer partout nicht von seinem falschen Weg ablassen will … den begleiten unser Gebet und unser Mitleid, er muss auch nicht mit wie auch immer gearteter Gewalt rechnen. Es ist aber vollkommen klar, dass er falsch liegt.

Die Religionen unterscheiden sich also möglicherweise in der Art des Umgangs mit Andersgläubigen, nicht aber in der Einschätzung des Wahrheitsgehalts anderer Religionen. Letzteres kann auch gar nicht anders sein, auch wenn es dem Mainstreamwunsch nach einem Piep-piep-piep-wir-haben-uns-alle-lieb-Religions-Allerlei widerspricht. Insofern ist auch die Predigt von Pastor Latzel, auch wenn er antikatholische Töne anschlägt, nachvollziehbar und in keiner Weise eine Hasspredigt. Was gerne als Zitat unterschlagen wird, ist folgender Satz:

Das heißt nicht – das sag ich auch in aller Klarheit –, dass wir nicht den Muslimen in Liebe und Nähe begegnen zu haben. Das ist ganz wichtig. Gott unterscheidet zwischen der Sünde und dem Sünder. Sünde und Sünder sind unterschieden. Das absolute Nein zur Sünde, aber das Ja zum Sünder. Wir haben den Menschen muslimischen Glaubens in Liebe und Barmherzigkeit zu begegnen! Und wenn die verfolgt werden, dann haben wir uns vor sie zu stellen. Das ist unsere Aufgabe als Christen. Um da nicht missverstanden zu werden. Das ist unsere Aufgabe, denen wirklich in Nächstenliebe zu begegnen.

Das, so finde ich, ist eine gute Grundlage für einen interreligiösen Austausch. Das Toleranzgedusel, das doch eigentlich nichts anderes ist als Relativismus, der nicht in der Lage ist anzuerkennen, dass es so etwas wie Wahrheit überhaupt gibt, hilft uns im Umgang mit der Suche nach der Wahrheit überhaupt nicht weiter. Wenn also weltliche Medien und Institutionen die Ablehnung einer anderen Religion als Hasspredigt verunglimpfen, dann mischen sie sich unaufgefordert und bar jeder Kompetenz in ein Thema ein, das sie gar nichts angeht. Wenn solche Bewertungen auch aus der katholischen und evangelischen Kirche tönen, muss man konstatieren, dass da ganz offensichtlich einige ihre Religion bereits aufgegeben haben. Man kann Pastor Latzel vorwerfen, generell in seinem Glauben falsch zu liegen, ihm aber eine Hasspredigt zu unterstellen ist unredlich und lediglich ein Zeugnis mangelnder eigener Überzeugung.

Beitrag erschien auch auf: papsttreuerblog.de

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Martin Möller

Leider ist "Nostra aetate" kein kirchilches Dokument, sondern ein irrelevantes Geschreibsel einer modernistischen Synode.

Gravatar: Ingvar

Sie kennen sich als Atheist im Alten Testament so gut aus, dass Sie dessen Autor "Frauenfeindichkeit" und die "Befürwortung des Sklavenhandels" unterstellen? Nennen Sie doch bitte Textstellen (im Kontext) und die historischen Zusammenhänge. Eventuell geht Ihnen dann ein Licht auf.

Ach übrigens zur ganzen Leier: "Man kann Gott nicht beweisen..." Eine Frage an die Runde der Atheisten und Gottesleugner hier im Forum: Kann man die Existenz von Liebe "beweisen"? Nein, kann man nicht! Aber man kann ihre Auswirkungen selber in seinem Leben erfahren, wenn man sich für sie öffnet. Über Liebe sie zu theoretisieren nützt gar nichts. Gibt es sie denn dann? Daran dürften auch Sie keinen Zweifel haben, oder? Gott ist durch Jesus Christus ganz persönlich erfahrbar, wenn man sich IHM öffnet (und dafür muss man KEIN Kirchenmitglied sein oder erst werden!!!). ER ist aber auch Gentleman genug vor der Tür zu bleiben, wenn man ihn nicht einlässt. Das ist und bleibt die persönliche Entscheidung jedes Einzelnen, auch die der Atheisten.

Gravatar: Marti

Mann muss sich klarmachen: Latzel hat zu einem christlichen Publikum gesprochen, nämlich zu Gottesdienstbesuchern, und nicht auf einem Kongress für interreligiöse Begegnung, wo Katholiken, Muslime, Buddhisten und andere anwesend sind. Daher finde ich seine Wortwahl durchaus passend für sein Publikum.

Gravatar: Klaus Lindquist

Die alte Leier von der "Nicht-Beweisbarkeit des Atheismus" wird dadurch nicht stichhaltiger, dass man sie dauernd wiederholt.
Atheismus ist keine Religion, sondern die Abwesenheit einer solchen. Das ist nicht das gleiche.
Im Atheismus gibt es keine "heiligen" Riten und keine Verehrung eines angeblich existierenden übernatürlichen Wesens. Ergo: keine Religion, sondern die Abwesenheit einer solchen.

Die einigermaßen vernünftigen Atheisten behaupten auch nicht, dass es keinen Gott gibt. Das wäre eine Aussage, die man beweisen müsste, allerdings kann man eine negative Existenzaussage grundsätzlich nicht beweisen. Man kann rein theoretisch nicht beweisen, dass es keinen Weihnachtsmann gibt oder dass Thor und Odin nicht existieren. Dies ist allerdings kein Beweis und auch noch nicht ein mal ein Indiz dafür, dass Weihnachtsmann, Thor und Odin tatsächlich existieren.

Die vernünftigen Atheisten weigern sich, die Behauptung zu akzeptieren, dass es einen Gott gibt, bis das Gegenteil bewiesen ist. Ein Jahrtausende altes kultisches zusammengestoppeltes selbstreferenzielles Buch zählt dabei unter vernünftigen Menschen nicht als Beweis für seine eigene Wahrheit.

Wer den Unterschied zwischen "ich akzeptiere die Behauptung a nicht" und "ich behaupte das Gegenteil von a" nicht versteht, möge noch einmal sein Logik-1x1 überprüfen.

Keiner der oben genannten Diktatoren begründet seine unmenschlichen Handlungen übrigens mit Atheismus (und humanistische Gründe werden es kaum sein), wohingegen die Kirche sehr wohl ihre Ausgrenzung von anderen eben genau mit den religiösen Lehren begründet., und zwar sowohl die christlichen Kirchen wie auch der Islam. Ein Blick ins Alte Testament (das manche Christen ja (samt der 10 Gebote?) am liebsten komplett abschaffen würden, dann aber auch irgendwie wieder nicht) offenbart auch, dass genau diese Ausgrenzung, diese Gewalt gegen Andersdenkende und unter anderem noch z.B. gegen Frauen oder Sklaven dort ausdrücklich befürwortet wird.

Gravatar: D.Eppendorfer

Seit wann muss der, der nichts hat, beweisen, dass er nichts hat
und der, der behauptet, etwas zu besitzen, keinerlei Beweis dafür vorlegen?

Gravatar: Ben Wilmes

Totalitär und faschistoid sind allerdings auch Glaubenssysteme, die vorgeben, gar keine zu sein.
Es gibt zwar durchaus humanistische Spielarten des Atheismus, aber immer dann, wenn dieser Staatsdoktrin wurde, wie etwa bei Stalin, Mao, Pol Pot oder den gesammelten Kims in Nordkorea, dann zeigte er nicht das Gesicht von Aufklärung, Vernunft und Wissenschaft.
Mittlerweile gebärden sich manche Atheisten schlimmer als religiöse Fanatiker.
Weder die Wissenschaft noch die Philosophie können mit noch so verzweifelten Anstrengungen die Nichtexistenz Gottes beweisen.
Es ist sogar eher so, dass viele Naturwissenschaftler, je tiefer sie in die Geheimnisse der Materie eindringen, je staunender und demütiger die Existenz Gottes für sehr wahrscheinlich halten.
Salopp formuliert:
Mir gehen die Selbstgerechtigkeit und der Hochmut mancher Hardcoreatheisten auf den Geist. Ob es Gott gibt oder nicht ist nicht beweisbar. Daher ist auch der Atheismus ein Glaube, da er ja nicht wissen kann.
Und Christentum und Islam in einen Topf zu werfen zeugen von erschreckender Unkenntnis.
Dem Kommentar von Herrn Kovacs schliesse ich mich an.
Das war sauber und wohltuend klar argumentiert.
Und allen Atheisten empfehle ich dringend die Lektüre von Blaise Pascal.
Ganz schön alt, aber eine Wohltat für Hirn und Herz.

Gravatar: Tomasso

Danke, Herr Honekamp, für einen weiteren wohltuend christlichen Artikel! Besonders aufgefallen ist mir der Satz:

"Wenn solche Bewertungen auch aus der katholischen und evangelischen Kirche tönen, muss man konstatieren, dass da ganz offensichtlich einige ihre Religion bereits aufgegeben haben."

Das Gefühl habe ich bei der EKD schon länger, und auch manche Freikirchen sind zumindest kurz davor. Da kann man vor vielen Katholiken und auch vor vielen Moslems Achtung bekommen, die zwar in vielen Dingen falsch liegen, aber ehrlich und ernsthaft ihren Glauben leben.

Gravatar: Adorján Kovács

@D. Eppendorfer
Christentum kennt die Unterscheidung von Schöpfungs- und Erlösungsordnung, von Naturrecht und Religion. Es gibt also Rechte, die unabhängig vom Christentum alle Menschen haben. Diesen Unterschied kennt der Islam nicht. Daher will der Islam die gesamte Gesellschaft mit seinem Denken durchdringen (gleichschalten), weil seiner Auffassung nach alle Schöpfung, alles Recht schon islamisch ist. DAS ist totalitär und, wenn Sie so wollen, faschistoid. Ein Christ hingegen betont den alleinigen Wahrheitsanspruch nur im Hinblick auf die Voraussetzung zur Erlösung ("niemand kommt zum Vater ausser durch mich"). Das kann nicht totalitär sein und schon gar nicht faschistoid.

Gravatar: D.Eppendorfer

Generell muss ich als Nichtgläubiger sagen, dass mir jede Religion mit einem Absolutheits-Anspruch suspekt bis faschistoid erscheint. Wer seinen Gott - wie er auch heißen mag - und somit sich selber über alle anderen erhöht, kann kein Demokrat oder Humanist sein.

Legitim erscheint mir darum eine verbale Warnung vor Gefahren durch andere - aus radikal-ideologischen rot-grünen Motiven - massiv einwandernde Glaubenssysteme, die das menschliche Alltagsleben so extrem rigide kontrollieren wollen, dass es mit unserer freiheitlichen Kultur nicht kompatibel ist.

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