Ein Nationalfeiertag aus der Retorte

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besser gesagt aus des Kanzlers Terminkalender.

Warum wird eigentlich bei uns keine große Party veranstaltet? Eine zentrale Feier vom Staat organisiert. In diesem Jahr traf es Stuttgart. Das war es dann. Für alle anderen ist es ein Tag zum Ausschlafen oder wird mit dem Brückentag für den Kurzurlaub genutzt.

Eine private Party am Nationalfeiertag wie in anderen Ländern gibt es nicht. Ein “Wir feiern heute was”- Gefühl gibt es auch nicht. Es gibt ja eigentlich auch keine deutsche Nation, keine so richtige Gründungsaktion unseres Staates, die uns mit historischem Stolz zu erfüllen vermag. In den heutigen Grenzen ist Deutschland das Endprodukt mehrere Kriege und der (Teil-)überwindung einer gut vierzigjährigen Spaltung. Nun soll hier keinem Revanchismus das Wort geredet werden, redlicherweise muß aber darauf hingewiesen werden, daß der östlichste Teil des vormaligen Deutschen Reiches als Kriegsfolge an Polen abgegeben wurde.

Es gibt die Friesen, die Sachsen, die Preußen, die Westfalen, die Rheinländer, die Schwaben, die Bayern, die Franken, die Pfälzer etc. So eigentlich richtige Deutsche gibt es gar nicht. Allenfalls die Niederländer, die in ihrer Nationalhymne singen: “Wilhelmus van Nassouwe ben ik, van Duitsen bloed,”.

Was also nicht so richtig Nation sein will, mag sich natürlich auch nicht so richtig als Nation feiern. Und irgendwie hat ein zwölf Jahre währendes tausendjähriges Reich uns den Begriff “Nation” gehörig verhagelt. Da ist nicht wirklich viel Substanz für Nationalstolz und bei denen, die ihn haben wirkt er zuweilen aufgesetzt oder gezwungen.

Der gute alte 17. Juni, der an den Aufstand von 1953 in der “DDR” erinnerte, hat sich als Tag der deutschen Einheit leider erledigt. Im Grunde wäre es eine gute Idee gewesen, diesen Tag für die Wiedervereinigung zu wählen, wenn es denn gelungen wäre in ganz Deutschland ein Bewußtsein dafür zu entwickeln, daß der 17. Juni 1953 und der 9. November 1989 doch in einem tiefen inneren Zusammenhang stehen. Die Wiedervereinigung erreicht haben nämlich die Menschen in Mecklenburg- Vorpommern, Brandenburg, Berlin, Sachsen, Sachen- Anhalt und Thüringen. Es ist das Verdienst von Helmut Kohl, den Mantel der Ge(s)chichte gespürt und ergriffen zu haben. Es ist auch sein Terminkalender, der das historisch substanzlose Datum 3.10. kreiert hat.

Der eigentliche Tag des Gedenkens wäre im Grunde der 9. November, doch es spukt in den Köpfen der Menschen, daß das irgendwie gar nicht geht. Warum eigentlich?

Möglicherweise muß man das mal ganz anderes denken.

Der 9. November ist für Deutschland ein Tag des Gedenkens zahlreicher Ereignisse:

9. November 1848 – standrechtliche Hinrichtung von Robert Blum (Anfang vom Ende der Revolution)

9. November 1918 – Novemberrevolution in Berlin

9. November 1923 – Hitler-Ludendorff-Putsch in München:

9. November 1938 – Beginn der Novemberpogrome

9. November 1989 – Mauerfall

Auf eine Fülle von tragischen Ereignissen folgt ein Knaller, ein Befreiungsschlag, ein Grund zu großer Freude.

Eine Nation, die so eigentlich nicht Nation sein will, ist ja keine Schande an sich. Eine Nation zu sein, ist kein so besonderer Wert an sich. Wenn wir also als Nation schon so anders sind, warum also kein nationaler Gedenktag, der eben auch etwas anders ist.

Ein Gedenktag, an dem weniger laut gefeiert wird, als es in anderen Ländern üblich ist.

Ein Tag des Gedenkens, der die dunkle Seite unseres Nation-werdens nicht ausblendet, wäre aus meiner Sicht eine so schlechte Idee nicht.

Wir müssen keinen Nationalfeiertag wie den Independence Day oder den Sturm auf die Bastille haben. Einen Bundesbrief (Schweiz) haben wir auch nicht. Eine so richtig glorreiche Geschichte haben wir in den letzten Jahrhunderten auch nicht aufzuweisen und trotzdem spielen wir heute mit im großen Konzert der Staaten – insbesondere in Europa. Wir können mit einem gewissen Stolz auf das schauen, was aus den dunklen Kapiteln unserer Geschichte heute geworden ist. Das mehr und vielleicht tragfähiger als Nationalstolz aus der Retorte.

Warum sollten wir, wenn wir nun schon so eine eigene und eigenartige Geschichte mit so viel Licht und Schatten haben, nicht auch unsere eigene Weise haben, ihrer zu gedenken, indem wir einen Nationalgedenktag statt eines Nationalfeiertages haben?

Bin ich jetzt eine Spaßbremse?

Beitrag erschien zuerst auf: blog.peter-winnemoeller.de 

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: FDominicus

Nun die Freude hält sich bei mir in Grenzen weil ich mir nicht sicher bin ob die DDR wirklich untergegangen ist. Vieles was zu DDR Zeiten galt, ( den Sozialismus in seinem Lauf..) scheint immer noch da zu sein. Tenor heute. "Den Euro in seinem Lauf" ... hält garantiert die BRD nicht auf oder so.

Irgendjemand hat doch hier auch gepostet was unsere "Politiker" von der Einheit dachten, "gefährlich, Spinner" u. ä.

Ich habe allerdings auch gehört, daß es gestern in Stuttgart sehr schön gewesen sein soll. Wahrscheinlich wäre es noch schöner gewesen wenn die Politiker dort nicht Reden geschwungen hätten.

Gravatar: Klimax

Vielleicht ahnen die Deutschen doch irgendwie, daß die Wiedervereinigung mit der Einführung des Euro erkauft wurde. Das ist ihnen kein Grund zu feiern, schon gar nicht am 3. Oktober.

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