Egon Krenz las und wir mussten draussen bleiben

Veröffentlicht:
von

 

 

Wieder einmal gab es in der Ladengalerie der linksextremen Jungen Welt eine Buchvorstellung. Der Kurzzeitstaats-, und Parteichef der DDR  Egon Krenz verbreitete seine Sicht auf den Herbst 1989.

Ein spannendes Thema, bei dem wir gern zugehört und auch mitdiskutiert hätten.

Aber dazu sollte es nicht kommen. Karten bestellen über das Internet war unmöglich. Die Veranstaltung sei ausverkauft, hieß es schon Wochen zuvor.

Am Abend selbst gab es dann doch noch den einen oder anderen freien Stuhl und jede Menge Platz, um mehr Stühle hinzustellen.

Eine Journalistin von der Märkischen Oderzeitung machte die Probe aufs Exempel:

Sie kam als Spontanbesucherin und wurde nach erfolgter Gesichtskontrolle reingelassen. Die Sperre galt also nur für uns.

Also positionierten wir uns vor der Ladengalerie mit unseren Plakaten. Das erregte Aufsehen. Autofahrer bleiben stoppten, um die Aufschriften zu studieren, manche hupten.

Passanten bleiben stehen, mache stellten Fragen. Wir hatten Frauen dabei, die  in der DDR als Jugendliche in Heimen und in Jugendwerkhöfen gewesen waren.

Viele der Passanten hatten noch nie etwas von den Zuständen dort gehört. Dunkelhaft bis zu 14 Tagen für Minderjährige, sexuelle Gewalt, Schläge , Essensentzug.

Wir betrieben draußen lebendigen Geschichtsunterricht.

Die Polizei hatte bei der Genehmigung unserer Demo darauf hingewiesen, dass wir ein Megaphon  benutzen dürften.

Den Vorschlag haben wir gern aufgegriffen und Egon Krenz unüberhörbar aufgefordert, sich unseren Fragen zu stellen. Natürlich ohne Erfolg.

 

Er harrte nach der Veranstaltung so lange im Gebäude aus, bis der Letzte von uns aufgegeben hatte.

Journalisten, die drinnen gewesen waren, erzählten uns, dass Krenz die übliche Litanei abgespult hätte: alle waren am Herbst 89 schuld, alle hatten versagt, nur er nicht.

Man hätte sich, so das Resümee, den  Vortrag sparen können.

Am Schluss wollte uns ein Vertreter der Jungen Welt anzeigen. Wir hätten mit unseren Plakaten die Besucher der Veranstaltung grob beleidigt und belästigt.

Da musste ich lachen. Fast wörtlich war das Teil der Begründung, als ich 1988 wegen „Rowdytums“ angeklagt wurde, weil ich versucht hatte, mit einem eigenen Plakat eine SED- Demonstration zu bereichern mit dem Satz: Jeder Bürger der DDR hat das Recht, seine Meinung frei und öffentlich zu äußern( Artikel 27 der Verfassung der DDR).

Der JW- Mann musste erkennen, dass sich die Zeiten geändert haben. Die Polizei nahm sein Anzeige nicht an.

Für die Inhalte der Blogs und Kolumnen sind die jeweiligen Blogger verantwortlich. Die Beiträge der Blogger und Gastautoren geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion oder des Herausgebers wieder.

Ihnen hat der Artikel gefallen? Bitte
unterstützen Sie mit einer Spende unsere
unabhängige Berichterstattung.

Abonnieren Sie jetzt hier unseren Newsletter: Newsletter

Kommentare zum Artikel

Bitte beachten Sie beim Verfassen eines Kommentars die Regeln höflicher Kommunikation.

Gravatar: lachender

Diese Aktion erinnert mich an Frau Rebecca Harms auf dem Flughafen in Russland.
Ich will doch bloß STÄNKERN und WERBUNG machen für mein eigenes Buch.

Gravatar: Tim Peter

Ich wohne direkt neben der jungen welt. Beim vorbeigehen gestern Abend las ich den Banner "keine Steuergelder für Linksextremisten". Ich habe das nicht ganz verstanden. Die DDR war auf der demokratischrn Ebene ein erzwungener und rechtsextremer Gesellschaftssouverän. Genau wie der heutige Neoliberalismus. Man sollte die DDR als rechtes System kritisieren und nicht den Fehler machen dieses mit linken Zielen zu verwechseln.

Schreiben Sie einen Kommentar


(erforderlich)

Zum Anfang