Durchbruch bei der Fusion?

Lockheed Martin hat angekündigt, bis 2020 einen Prototypen eines Fusionsreaktors zu entwickeln. Sollte dies gelingen, wäre die Energiewende obsolet.

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Obwohl für eine Bewertung mitentscheidend, werden zwei Aspekte im Zusammenhang mit der Energiewende nur selten diskutiert. Auf der einen Seite steht die prinzipielle Unfähigkeit der Politik, langfristig robuste Pläne zu gestalten. Dies ist weniger in der Länge von Legislaturperioden oder auch in mangelnder Sachkunde begründet, als in der Dynamik des technischen Fortschritts. Die Energiewende beispielsweise erzwingt den Zustand der Gegenwart als immerwährende Stasis anzusehen, den zu ändern es stetiger und massiver regulatorischer Eingriffe bedarf. Das Potential durch das Marktgeschehen selbst induzierter technischer Durchbrüche ist, da nicht planbar, zu ignorieren. Auf der anderen Seite steht die Idee, durch eine themenspezifische Ausweitung der institutionalisierten Forschung genau die Innovationen, die den Plan stützen, erzeugen und andere mit gegenteiliger Wirkung vermeiden zu können. Das Beharren auf diesem Konzept erstaunt angesichts des Mangels an bisherigen Erfolgen. Wie im Gegenteil marktorientierte Unternehmer immer den primär auf Erkenntnisgewinn ausgerichteten Hochschulwissenschaftlern davoneilen, zeigte der Wettlauf von Craig Venter mit dem Human Genome Projekt in eindrucksvoller Weise.

An genau diese Geschichte fühlte ich mich erinnert, als vor zwei Tagen eine aktuelle Pressemitteilung des amerikanischen Rüstungskonzerns Lockheed-Martin auf meinem Bildschirm erschien:

PALMDALE, Calif., Oct. 15, 2014 – The Lockheed Martin [NYSE: LMT] Skunk Works® team is working on a new compact fusion reactor (CFR) that can be developed and deployed in as little as ten years. Currently, there are several patents pending that cover their approach.

While fusion itself is not new, the Skunk Works has built on more than 60 years of fusion research and investment to develop an approach that offers a significant reduction in size compared to mainstream efforts.

“Our compact fusion concept combines several alternative magnetic confinement approaches, taking the best parts of each, and offers a 90 percent size reduction over previous concepts,” said Tom McGuire, compact fusion lead for the Skunk Works’ Revolutionary Technology Programs. “The smaller size will allow us to design, build and test the CFR in less than a year.”

After completing several of these design-build-test cycles, the team anticipates being able to produce a prototype in five years. As they gain confidence and progress technically with each experiment, they will also be searching for partners to help further the technology.

Es ist eben nicht der Tokamak aus Cadarache (ITER) und auch nicht der Stellarator aus Greifswald. Zum Ziel führt auch nicht der Ansatz der Wissenschaft, sich mit nicht weniger als einer bereits perfekten Lösung zu begnügen. Sondern die Frage eines hoch- und spitzentechnologieorientierten Unternehmens nach einem möglichst schnellen Markteintritt. Und weil man dort Flugzeuge entwickelt, war eben eine Energiequelle gefragt, die nicht größer und nicht schwerer als ein herkömmliches Triebwerk ist und es ohne Einbußen bei Manövrierfähigkeit und Geschwindigkeit gestattet, zu geringeren Kosten für längere Zeiträume in der Luft zu bleiben. Die Dimensionen geben das Design vor und dieses definiert den technischen Lösungsweg. Natürlich kann anhand der spärlichen Informationen (Aviation Week berichtet hier und hier, Spiegel Online hier) dessen Validität nicht überprüft werden. Ich hatte auch schon im Jahr 2012 von diesem Vorhaben erstmals Kenntnis erlangt und es damals nicht wirklich ernst genommen. Aber das nun eine börsennotierte, große Firma in dieser Form an die Öffentlichkeit geht, weckt Hoffnungen auf Seriosität und Erfolgsaussichten.

Sollte das System im Jahr 2020 tatsächlich als Prototyp erfolgreich demonstriert werden, stünde einer schnellen Marktreife nicht mehr viel im Wege. Die Energiewende wäre obsolet. Wie überhaupt fast alles, was man im Moment in Bezug auf Energie diskutiert. Vielleicht stellen wir dann fest, nur über die beste Takelage gestritten zu haben, während das Dampfschiff schon die ersten Probefahrten durchführt. Innovationen entstehen nicht als Optimierung des Bestehenden zur Lösung erfundener Probleme. Sondern als etwas bislang Unbekanntes zur Eröffnung neuer Möglichkeiten.

Beitrag erschien auch auf: science-skeptical.de

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Mayday

Wissenwertes zu diesem Projekt
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Wer es noch nicht getan hat, guckt euch das Video an: https://www.youtube.com/watch?v=UlYClniDFkM

Charles Chase von Skunk Works hat bereits am 7.Feb. bei google Solve for X die Ankündigung gemacht, ist also nicht ganz neu. http://www.fusenet.eu/node/400

Thomas McGuire hat am MIT an diesem Konzpet gearbeitet und führt jetzt bei Lockheed das rel. kleine Team. Es gibt über die frühere Arbeit von McGuire Publikationen http://ssl.mit.edu/research/Fusion.html

Das Journal "Aviation Week" durfte den Reaktor in Augenschein nehmen und es gibt ein Interview mit McGuire.
http://aviationweek.com/technology/skunk-works-reveals-compact-fusion-reactor-details

In Bezug nehmen auf diesen Artikel von Aviation Week: Konstruktiver, eher kritischer Bericht zum LM-Reaktor. Lesenswert! http://www.scilogs.de/formbar/lockheed-martin-durchbruch-in-der-fusionsforschung

Vorläufiges FAZIT
Es lohnt auf jeden Fall das weiter zu verfolgen, wobei die "Prognosen" von McGuire als zu positiv herau stellen könnten. Es gibt derzeit einfach noch zu wenige Informationen. Immerhin versprach McGuire dass nächstes Jahr Publikationen in Zeitschriften wie z.B. Nature folgen werden.

Gravatar: Karl Letis

Die Fähigkeit, gute und sichere Kernkraftwerke zu bauen (wie der Konvoi der KWU) wird verloren gehen, wie die Fähigkeit verloren gegangen ist, gute Geigen zu bauen, wie in Cremona zu Zeiten Strativaris oder der Guaneris.

Gravatar: Gerd Müller

Wenn tatsächlich 2020 der Durchbruch erfolgen sollte, bin ich davon überzeugt daß es keine schnelle Markteinführung geben wird.
Genau diejenigen, die heute die Standardenergieerzeugung wie z.B. Kohle oder Kernenergie verteufeln, werden dann auch dagegen anschreien und an den Haaren herbeigezogene hanebüchene Argumente gegen diese kalte Kernfusion vorbringen.

Würden sie zustimmen, hätte die Angst- und Panikmache welche sich in Milliardenumsätzen von allem möglichen „alternativen“ offenbart, keinen Nährboden mehr und würde wegbrechen.

Hier geht es nur um Geld und sonst um nichts und dabei wird man auch nicht vor neuen sauberen und sicheren Technologien nicht halt machen, weder Politik noch Industrie !

Gravatar: Sören Hader

"Sollte das System im Jahr 2020 tatsächlich als Prototyp erfolgreich demonstriert werden, stünde einer schnellen Marktreife nicht mehr viel im Wege."

Mit der Erwartung wäre ich vorsichtig. Ein funktionierender Prototyp bedeutet leider nicht ein schneller Weg zur Marktreife. Wenn Innovationen sich in der Praxis so leicht umsetzen ließen, wäre das echt toll. Aber meine Erfahrung und die anderer Menschen in der Arbeitswelt ist da eher eine andere. An einem Prototyp-Anlage kann man noch nicht erkennen, für welche Kosten man zukünftig den Strom produzieren kann. Es muss sich auch zeigen, unter welchen Bedingungen solche Anlagen vernünftig betrieben werden können. Einfach aus der Erfahrung der Kernenergie und später Photovoltaik und Windenergie muss man eher mit einigen Jahrzehnten rechnen, ehe man technisch und ökonomisch so weit gereift ist, ehe man einige Prozente hat. Nur als Vergleich, von den 50er Jahren mit den ersten Prototypen hatte man 40 Jahre später knapp 20% Kernkraft weltweit in der Stromproduktion erreicht. Heute ist man bis auf 11% runtergesackt.

Als Konsument kann man bei solchen Zeitungsmeldungen letztlich nur abwarten, und das einige Jahre, ehe sich überhaupt etwas abzeichnet. Ich wäre da eher verhalten optimistisch. Es gab schon genügend Meldungen, wo man ganz bescheiden das Ende aller Energieprobleme verkündete. Etwas mehr Skeptizismus gegenüber solchen Meldungen kann sicher nicht schaden. ;)

Gravatar: Heinz Schomburg

Ich weiß nicht, in welchem Fachgebiet Hr. Weller promoviert hat, sicher aber nicht in Atomphysik. Dies wird genauso ein Rohrkrepierer - und sehr kurzzeitiger Aufreger- wie die bisherigen Meldungen über angebliche kalte Fusion (1992) oder vermeintlich erfolgreiche Experimente., die Wirkungsgrade größer eins postulieren. (d.h. mehr Energie Output als Input) Biete Hrn. Weller eine Wette (Kiste Rotwein etc.) an. falls über dieses PR Projekt in einem Jahr noch geredet wird.
H.S.

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