Die Wolke. Pausewang reloaded

Eine Schiffsdieselwolke hat am Wochenende in Hamburg zu Aufregung geführt. Zum Reihern ist dabei vor allem, dass die in Hamburg zwischenzeitlich mal regierende CDU, bei der letzten Wahl brutal auf die Hälfte eingedampft, sich nicht entblödete, zusammen mit den Grünen bei dieser durchsichtigen Betroffenheitsshow mitzusingen.

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Fast sah es danach aus, islamistischen Terrorbrigaden sei ein Giftgasanschlag auf die Hansestadt geglückt. Ende letzter Woche liefen in Hamburg die Notruftelefone heiß. Eine große Rauchwolke hatte sich an einem warmen Spätsommerabend über einige hafennahe Quartiere gelegt. Aufgeregte Anwohner meldeten Ruß auf ihren Fensterscheiben und Gartenmöbeln. Wirte von Lokalitäten an der Elbe beklagten, manche in der Außengastronomie servierte Speisen und Getränke seien durch Rußpartikel ungenießbar geworden. In einem Krankenhaus schlugen Feuermelder an. Und beim „Hamburger Abendblatt“ war was los! Dann Großeinsatz von Polizei und Feuerwehr mit tatütata, das ganze Programm. Was war geschehen?

Verursacher war das Containerfrachtschiff „Yang Ming Utmost“ einer taiwanesischen Reederei, welches die schwarze Wolke beim Verlassen des Hafens aus seinen Schornsteinen geblasen hatte. Was, wie die Umweltfreunde vom Nabu sofort witterten, an der Verbrennung von billigem Schweröl (Schwefelgehalt bis zu 3,5 Prozent) gelegen habe. Erlaubt ist das nur auf hoher See - davor darf der verheizte Treibstoff nur einen Schwefelgehalt von maximal einem Prozent besitzen. Die Hamburger Hafenpolizei widersprach dieser Version. Sie vermutet einen technischen Defekt. Die Wolke verflog. Tote oder Verletzte wurden nicht aufgefunden. An der Elbe ging das Futtern, Bechern und Flanieren am langen Einheitswochenende weiter, nachdem hier und dort ein paar Putzlappen zum Einsatz gekommen waren. Die zuständigen Behörden gaben kund, so ein Fall sei sehr selten und speziell in Hamburg seit vielen Jahren nicht vorgekommen. Aufregung abgeblasen? So einfach geht das natürlich nicht.

Flugs hatten sich die oppositionellen Grünen des Themas mittels einer Kleinen Anfrage im Hamburger Senat bemächtigt („Giftiger Gruß aus der Hafenküche“). Der mit ihnen verbandelte Nabu sprach gar von einer „kriminellen“ Aktion und beschwor die üblichen Krebsfolgen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Asthma- und verwandte Malaisen herauf, welche die Schwerölverbrennung begünstige. Die Grünen monierten zudem, man hätte den bereits ausgelaufenen Containerriesen stoppen müssen, um alles genau zu klären. Was einiges über die schifffahrtsmäßige Kompetenz der Grünen verrät. Kriminell oder absolut fahrlässig, jedenfalls komplett hirnrissig wäre es nämlich gewesen, einen fahrenden Containerriesen mitten in der Elbe zu stoppen, um an Bord langwierigen Investigationen nachzugehen, die eben so gut in aller Ruhe bei nächsten Halt des Schiffes im Rotterdam durchgeführt werden konnten. Was dann auch geschah. Über Strafen für die Reederei und mögliche Entschädigungen für Rußopfer wird man bald lesen.

Die politischen Hintergründe des Gezeters sind für Nicht-Hamburger uninteressant. Nur so viel: Es geht dabei im Kern um eine seit langem geplante Vertiefung der Elbe, die den Hamburger Hafen international konkurrenzfähig halten soll. Die in Hamburg alleinregierende SPD ist dafür, die Grünen natürlich dagegen – alles, was dieselt, rußt und sonst noch Dreck macht, soll aus der Hafenmetropole möglichst verschwinden. Auch die vielen Kreuzfahrtdampfer, die Hamburgs Touristenboom nicht unwesentlich befördern, sind den Grünen ein Dorn im Auge. Woher das Geld kommt, mit dem sich Hamburg seine ausgedehnten Sozialprogramme leisten kann? Die jeder genießt, der sich als politischer Flüchtling bezeichnet, die jeden alimentiert, der sich als Künstler in mietfreien Innenstadtquartieren verwirklichen möchte? Einem echten Grünen ist das schnurz. Das Geld druckt die Bank, und Frachter könnten doch auch mit Solarkraft fahren, oder?

Zum Reihern, auch ohne Schiffsdieselwolke, ist allerdings dies: Die in Hamburg zwischenzeitlich mal regierende CDU, bei der letzten Wahl brutal auf die Hälfte eingedampft, entblödete sich nicht, zusammen mit den Grünen bei dieser durchsichtigen Betroffenheitsshow mitzusingen.

Alles wegen einer Wolke, die kam, stank und verschwand.

Auf älteren Gemälden, die man zum Beispiel in der Hamburger Kunsthalle besichtigen kann, ist der Hafen abgebildet, immer der ökonomische Motor der Stadt. Es rauchte da reichlich, aus Fabrikschloten und Schiffsschornsteinen. Die Botschaft der Bilder war keine kritische, im Gegenteil. Der Schornstein muss rauchen, hieß das, und es war durchaus affirmativ gemeint.

Der Hafen ist noch heute Hamburgs großer Bringer. Zum Glück ist es mit dem Rauch und Ruß immer weniger geworden. Obwohl die Schiffe weiter ein- und auslaufen, viel größere Schiffe sogar. Ich habe zehn Jahre im Hamburger Großneumarktviertel gewohnt, nicht sehr weit vom Hafen. Mein weißer Peugeot war in den frühen Siebzigern nach drei Tagen reif für eine Wäsche – alles voller Ruß. Heute kann man sein Auto dort zehn Tage abstellen, ohne dass es zu Mr. Wash muss. Außer, man parkt unter Linden.

Die Hamburger sind ein seltsamer Stamm. Aber auch nicht anders als andere deutsche Stämme. Alle wollen, dass der Schornstein raucht. Aber bitte nur sinnbildlich! Wenn mal was kommt, und sei es die kleinste, etwas stinkende Wolke, schreien sie, als befänden sie sich in Bhopal. 1984, man erinnert sich.

Zuerst erschienen auf achgut.com

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Andreas Schneider

"Alles wegen einer Wolke, die kam, stank und verschwand."

Ist es nun despektierlich, wenn ich die "Wolke" durch die "Grünen" ersetze? Bis auf's "Verschwinden" passt es ja... ;-)

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