Die teuren Folgen der Verwandtenehen

Etwa jede vierte türkischstämmige Frau in Deutschland ist mit einem Verwandten verheiratet. Das hat einen erheblichen Anstieg an Erbkrankheiten zur Folge, der die deutsche Krankenversorgung teuer zu stehen kommt. Aber bei der Erforschung des Problems erklären sich nicht nur die Gender-Lehrstühle für nicht zuständig.

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In Erörterung der ethischen Vertretbarkeit der Selektion von Embryonen schrieb ich vor einiger Zeit über Umut-Talha, Kind türkischer Eltern in Frankreich, das nur geboren wurde, um seinen an der Erbkrankheit β-Thalassämie erkrankten Geschwistern Blut zu spenden. Ob die Eltern dieser Kinder miteinander verwandt waren, ist nicht bekannt; bekannt hingegen ist, dass bei blutsverwandten Eltern (Cousinenheirat) das Risiko, Kinder mit angeborenen Krankheiten zu bekommen, doppelt so hoch ist wie bei nicht verwandten Eltern.

Das Problem der Verwandtenehe ist kein spezifisch türkisches, aber aufgrund der weit überwiegenden Zahl von Türken unter den Migranten in Deutschland muss der Fokus der Aufmerksamkeit hierzulande doch auf diese Gruppe gelenkt werden. Warum? Schon in meiner Zeit an einer großen Universitätsklinik mit viel Kontakt zur kinderärztlichen Intensivstation war bei der Betrachtung der Belegung dieser Station unverkennbar, dass dort türkischstämmige Kinder über den statistischen Anteil an der Gesamtgeburtenzahl hinaus anzutreffen waren, mit Stoffwechsel- und anderen Krankheiten, die nach der teuren Initialbehandlung oft eine teure lebenslange Therapie benötigen würden. Gespräche mit den behandelnden Kinderärzten, warum das so sei, offenbarten neben der empirischen Feststellung, dass diese Fälle zugenommen hätten, sogleich auch die Ursache, die also bekannt war: die türkische Verwandtenehe.

Unter den behandelnden Ärzten bekannt heißt nicht unbedingt auch in der Politik bekannt. Es gibt Dinge, über die man in Deutschland nicht gern spricht. Besonders wenn es sich um Migranten handelt. Natürlich gibt es keine sogenannten gesicherten Zahlen, denn wie Antje Schmelcher in der FAS vom 5. Juni schreibt, ist in keinem europäischen Land die Hochzeit zwischen Vettern und Kusinen strafbar, demnach auch keine Statistik geführt wird. Dennoch gibt es Näherungen, die es erlauben, mit aussagekräftigem Material zu argumentieren. Eine Studie der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung über Familienplanung und Migration im Lebenslauf von Frauen, vorgestellt im Oktober 2010 in Berlin, ergab die im Intro genannte Zahl. Ein Bericht des Robert-Koch-Instituts, wonach 20% eines pädiatrischen Stoffwechselzentrums in Düsseldorf 2004 von Kindern türkischer und kurdischer Herkunft gestellt wurden, weist in dieselbe Richtung, die meiner isolierten Erfahrung entspricht.

Diese Tatsachen haben natürlich etwas mit mangelnder Integration zu tun. Die Vermutung, dass in Deutschland lebende Türken und Türkinnen unter den zig Millionen potentiellen deutschen Heiratspartnern keinen Geeigneten und keine Geeignete finden, sondern glauben, zum Beispiel aus dem Heimatort unbedingt einen Verwandten oder eine Verwandte nach Deutschland einfliegen lassen müssen, um überhaupt heiraten zu können, dürfte richtig sein. Man kann nur hoffen, dass sich das mit der Zeit bessert, aber die Erfahrungen mit der zweiten und dritten Generationen von Einwanderern sind nicht immer ermutigend.

Ein klares Verbot von Cousinenehen für alle wäre eine drastische, aber vielleicht auch inhumane Möglichkeit. Von Verboten sollte auch darum nicht die Rede sein, weil das in unerträglicher Schnüffelei enden würde. Aber eine Aufklärungspflicht sollte bei den ständigen halbherzigen Versuchen, im Gesundheitswesen zu sparen, das Mindeste sein, eventuell auch eine genetische Untersuchung nach dem ersten kranken Kind. Durchstreift man das Internet, fällt auf, dass Berichte zu diesem Thema seit den 90er Jahren in Großbritannien und seit Anfang des 21. Jahrhunderts in Deutschland regelmäßig aufkommen, aber nichts geschieht. Es geht doch überhaupt nicht um ein isoliertes Herausheben von Minderheiten (Migranten); sondern um ein Einbetten auch dieser Gruppen in ein übergeordnetes Gesamtkonzept zur Sanierung des Gesundheitswesens. Es darf hierbei keine Tabus geben.

Eine Soziologin, Yasemin Yadigaroglu, versucht seit einigen Jahren, sich dieses Themas anzunehmen. Sie erfährt den erwarteten Gegenwind aus der einschlägig bekannten Ecke (Drohungen von Eltern und von muslimischen Gemeinden). Die Politik erstickt an der ihr eigenen Korrektheit, aus der es anscheinend kein Entkommen mehr gibt: Einen Vortrag auf einer Veranstaltung der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung durfte sie nicht "Verwandten-Ehe" nennen, sondern musste ihn zu "Eheschließung unter Migranten" umtaufen. Was aber die verrotteten geistigen Strukturen in Deutschland am besten zeigt, ist die Ablehnung ihres Vorhabens, über die Verwandten-Ehe zu promovieren: Frau Yadigaroglu findet keinen Doktorvater und keine Doktormutter. Auch die Gender-Lehrstühle, die ja zur Zeit hierzulande aus dem Boden spriessen, haben das Thema mit dem falschen Argument abgelehnt, es gäbe dazu keine Zahlen.

Links:

Verwandt, verlobt, verheiratet!

Die Cousine als Ehefrau - behinderte Kinder aus Verwandtenehen 

Üble Folgen arabischer Verwandtenehen 

Antje Schmelcher: Darüber spricht (und forscht) man nicht. FAS vom 5. Juni 2011, Nr.22, Politik S.9

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Adorján F. Kovács

@tk
Sie haben recht. In der Gegend der kleinen Stadt, in der ich aufwuchs, gab es ein Dorf, dessen Einwohner alle Ulshöfer hiessen. Das hat sich gewandelt. Das Problem ist, wie ich schon schrieb, kein türkisches. Es ist aber sicherlich ein soziologisches (Tradition!), und ich wollte darauf hinweisen, dass wir unzeitgemäße, ja schädliche Sitten, die wir hierzulande überwunden haben, nicht tolerieren bzw. negligieren sollten.

Gravatar: Rudi Gems

Die Statistiken sprechen bei Geburten, zwischen seit mehreren Generationen nicht verwandten Paaren, von einem genetischen Risiko, von ca. 10%. Bei Verwandten 2. Grades, von ca. 15%, und bei Verwandten 1. Grades, von 40% bis 60%. (Es gibt übrigens auch Chancen bei Inzucht. Das nutzt man z.B. bei Haustieren.)

Dabei, ist es aber auch entscheidend, wie lange schon, in wie vielen Generationen, immer wieder im 1. oder 2. Grad, Kinder erzeugt werden. Nur die Tatsachen, das man 3 oder mehr Generationen, nicht mehr miteinander "gekreuzt" worden ist, sagt noch gar nichts über die Beschaffenheit des Erbgutes aus.

So war der Brauch der Eskimos, Gästen die Ehefrau, zur Verfügung zu stellen, durchaus mit dem Problem zu sehen, das Eskimos, eben zu lange, untereinander Kinder bekommen haben. Auch bei den Amischen, soll es ähnlich sein. Und auch in Europa, ist sowas in abgelegenen Dörfern, früher auch vorgekommen.

Bei vielen Türken, wird es so ähnlich sein. Das Problem, ist eben nicht, das Verwandtenehen, vorkommen, sondern die dauerhafte, über Generationen andauernde Erzeugung von Kindern Verwandter 2. Grades, sind das Problem.

Natürlich muss man hier das Problem der Zwangsheirat ansprechen. Paare, haben einen natürlichen Trieb, genetisch sich möglichst weit, in der Partnerwahl zu orientieren. Deshalb, waren Seefahrer, in vergangenen Jahrhunderten, auch so beliebt. Noch heute, kann man beobachten, wie Menschen, mit ortsüblich fremden Genen, einen besonderen Reiz auf "Einheimische" ausüben.

Es wäre also tatsächlich eine Lösungsmöglichkeit, wenn man von türkischer Seite, sein Verhalten mal überprüfen würde, und jungen Menschen, es mal öfter, erlauben würde, sich seinen Partner selber zu suchen. Hier ließe sich mal ein Problem, durch mehr Freiheit lösen. Jedenfalls besser, als es alle Verbote, bewerkstelligen könnten. Im übrigen, gibt es keine wirksamere Methode, zu integrieren, als wenn man den Heiratsmarkt freigibt.

Grüße, Rudi Gems

Gravatar: Freigeist

Bei einer Erhebung kam heraus, dass in einem bestimmten Bezirk von 100 Blutern 70 aus Verwandtenehen kommen. Mehr darf ich nicht sagen.

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