Die SPD hat sich von ihren Ursprüngen weit entfernt

Ein Kommentar zu dem SPD-Grundsatz: „Wer die menschliche Gesellschaft will, muss die männliche überwinden.“

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In dem SPD-Grundsatzprogramm steht es: „Wer die menschliche Gesellschaft will, muss die männliche überwinden.“ Den Satz kann man folgendermaßen verstehen: Wir leben in einer männlichen Gesellschaft. Wir müssen diese männliche Gesellschaft überwinden, um eine menschliche Gesellschaft, also eine Gesellschaft für beide Geschlechter aufzubauen. Der Satz kann aber auch so verstanden werden: Wir leben in einer männlichen Gesellschaft. Diese Gesellschaft ist keine menschliche Gesellschaft, also keine humane, sondern eine inhumane Gesellschaft. Wir müssen sie zugunsten einer humanen Gesellschaft überwinden.

Doch leben wir in einer männlichen Gesellschaft? Dass die meisten Vorstandsmitglieder der DAX-Unternehmen Männer sind, macht unsere Gesellschaft noch lange nicht zu einer männlichen. Die Millionen von Männern aus der Unterschicht haben nämlich nichts davon, dass ihre Geschlechtsgenossen in den Vorstandsetagen sitzen.

Interessanterweise waren Männer aus der Unterschicht, die Arbeiter, früher die Hauptklientel der SPD. Für Karl Marx, einen der Väter auch der sozialdemokratischen Bewegung, waren im 19. Jahrhundert die Arbeiter – und dabei dachte er in erster Linie an männliche Arbeiter – diejenigen, die am meisten ausgebeutet, unterdrückt und von ihrer Arbeit entfremdet wurden.

Daran hat sich bis heute nichts geändert. Argumentieren wir in der Terminologie der Linken, also in den Termini von Ausbeutung und Unterdrückung, so können wir behaupten: Männer aus der Unterschicht werden heute immer noch am meisten ausgebeutet und unterdrückt. Zu diesen Männern gehören zum Beispiel Bergarbeiter, Bauarbeiter, Stahlarbeiter, Kanalreiniger, Mitarbeiter der städtischen Müllabfuhr und Dachdecker. Die Arbeiten, die diese Männer verrichten, werden als „harte Jobs“ oder abschätzig als „Drecksjobs“ bezeichnet. Es sind auch die gefährlichsten Jobs. 94 Prozent aller während der Arbeit ums Leben gekommenen Menschen sind Männer.

Doch für die heutige SPD sind es nicht mehr die Männer aus der Unterschicht oder allgemeiner Menschen aus der Unterschicht, also Männer und Frauen aus der Unterschicht, die am meisten ausgebeutet und unterdrückt werden, sondern Frauen, also ALLE Frauen beziehungsweise Frauen qua Zugehörigkeit zu ihrem Geschlecht. Das bedeutet, dass Frauen aus der Mittel- oder Oberschicht als Frauen mehr ausgebeutet und unterdrückt werden als Männer aus der Unterschicht.

Der Diskurs der SPD über Ausbeutung und Unterdrückung hat sich im Laufe der letzten Jahrzehnte grundlegend verändert. Es hat eine Verschiebung stattgefunden. Eine klassen- beziehungsweise schichtenspezifische Betrachtung wurde durch eine geschlechtsspezifische, auf Frauen als Unterdrückte ausgerichtete Betrachtung ersetzt. Der programmatische Satz der SPD „Wer die menschliche Gesellschaft will, muss die männliche überwinden“ ist dafür der beste Beweis.

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Demokrat

lieber SPD als FDP

Nieder mit dem Liberalismus!

Gravatar: OliverHartmann

So lange die SPD einen solchen männerverachtenden Satz in ihrem Programm trägt ist sie für ALLE Männer nicht wählbar!

Gravatar: Linkswurst

Herr Ulfig liegt mit seinem Kommentar wirklich Goldrichtig!

Es ist wirklich traurig,dass die linkeste im Bundestag vertretene Partei mitlerweile die FDP ist!

Gravatar: T. Schmidt

"Die Millionen von Männern aus der Unterschicht haben nämlich nichts davon, dass ihre Geschlechtsgenossen in den Vorstandsetagen sitzen."

Schön, dass diese Darstellung hier einnal so betont und beschrieben wird.

Bedenklich finde ich, dass kürzlich die Abgeordnete Kerstin Griese wieder in den Bundestag eingerückt ist (Quelle : aus ihrer Homepage) :

"Durch die Ernennung von Angelica Schwall-Düren zur NRW-Europaministerin rückt Griese nun ins Parlament nach. Seit Ende letzten Jahres gehört Kerstin Griese dem Bundesvorstand der Diakonie an und wird die dort übernommenen Aufgaben weiterhin wahrnehmen."

Meines Erachtens war ihre Arbeit als Vorsitzende des Familienausschusses sehr partikularbetrachtend und ich sah diese Konstellation kritisch.

Auch war die Bereitschaft, sich mit modernen Ergebnissen aus der Präferenzenforschung sachlich auseinanderzusetzen oder mit dem Positionspapier des BDA m.E. eher begrenzt.

Weiterhin sehe ich auch als bedenklich, denn Herren in den oberen Etagen das Ruder unkontrolliert zu überlassen wie auch die Selbstverpflichtungserklärungen wie z.B. Frauenquoten. M.E. dienen diese Erklärungen diesen Männern lediglich dazu, sich bloß nicht reinreden zu lassen und doktern in den unteren Hierarchiebenen, und bleiben selbst geschützt. Aus diesem Grunde bin ich für eine Quote in Vorständen UND Aufsichtsräten, um hier ein paar Nadelstiche und ein paar neue Akzente zu setzen.

Ich habe schon öfters erlebt, wie Leute stressbedingt einen Nervenzusammenbruch bekamen und an der Situation nichts geändert wurde.

Hier sehe ich dringend Handlungsbedarf, und zwar top-down, nicht umgekehrt.

Gravatar: Meier

Mir Ihrem Kommentar, Herr Dr. Ulfig, zum SPD Grundsatz: "Wer die menschliche Gesellschaft will, muss die männliche überwinden", decken Sie dankenswerterweise eine aktuelle, Sinnkrise auf.

Ein prominenter Sozialdemokrat, der nun veröffentlichte, "unterworfene, schwarz verhüllte, auf ihr Geschlecht reduzierte weibliche Menschen, die in männlichem Privatbesitz stehen, passten nicht in sein Demokratieverständnis", der hat damit seine etablierte politische Klasse erschüttert und erzürnt.

Sich quasi "revolutionär" gegen die Unterdrückung oder Ausbeutung unterworfener Menschen zu stellen, Bürgerfreiheiten anzumahnen und rationale, humanistische Ideale einzufordern, erzürnt ganz offensichtlich die besorgten bisherigen Machthaber.

Ausbeuter und Unterdrücker haben wohl ein feines Gespür für die Gefährdung ihres priveligierten Standes.

Gravatar: Elmar Oberdörffer

Sie haben ja vollkommen recht, Herr Ulfig. Aber was Sie da kritisieren, ist Ideologie. Ideologie hat sich noch nie an den tatsächlich gegebenen Verhältnissen orientiert, sondern an Wunschvorstellungen und Phantastereien. Ideologen lassen sich durch noch so gute Argumente nicht von Ihren Wahnvorstellungen abbringen. Man kann nur versuchen, die Bürger aufzuklären, damit die Ideologen ihre Gefolgschaft verlieren.

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