Die Definition der Familie und das Fällen von Bäumen – Ein paar Überlegungen

Familie als Vater, Mutter, Kinder oder als Ort, an dem man füreinander Verantwortung übernimmt? Gibt es heute nicht wichtigere Fragen?

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Wenn im Oktober die Synode im Vatikan zum Thema Familie fortgesetzt wird, schauen eine Menge Katholiken gebannt nach Rom. Auch viele Journalisten werden das tun, manche aus innerer Verbundenheit mit dem Thema, nicht wenige aber vermutlich auch, weil angeblich Feuer unterm Dach der Kirche ist – Querelen, Streitigkeiten in der Kirche, das sind eben auch Nachrichten, Einigkeit ist es nur, wenn es gegen den Mainstream geht.

Und der Rest der Welt wird sich mit Blick auf Flüchtlingsproblematik oder die noch lange nicht ausgestandene Eurokrise fragen, ob es denn wirklich nichts Wichtigeres gibt, als sich ausgerechnet jetzt mit der Frage auseinanderzusetzen, was eine Familie ist, wie die Kirche Familien stärken kann und ob die Kirche ihre Lehre zum Thema Ehe, Familie und Sexualität möglicherweise ändern wird. Dem kann man einerseits entgegenhalten, dass die Welt kein monothematisches Gebilde ist, in dem immer nur ein Thema an der Reihe sein kann, so dringlich es auch sein mag. Andererseits kann man sich aber auch auf den Standpunkt stellen, dass es gerade jetzt wichtig ist, sich über kulturelle Grundlagen klar zu werden, die mitunter zu verschwimmen drohen.

Denn egal wie man zu der Frage der Aufnahme von Flüchtlingen steht, eines erscheint sicher: Wenn seitens der Politik angekündigt wird, dass es in diesem Jahr zwischen 800.000 und einer Million zusätzlicher Flüchtlinge sein werden, dann kann man davon ausgehen, dass hier eher tiefgestapelt wird. Wenn politische Experten – auf welcher Basis auch immer – meinen, Deutschland vertrüge pro Jahr rund 500.000 zusätzliche Flüchtlinge, die dauerhaft in diesem Land bleiben, dann hat das Auswirkungen auf unsere Kultur.

Und damit meine ich nicht nur die Frage, ob bei uns ankommende Muslime oder Mitglieder anderer Religionen eine andere Vorstellung davon haben, was Familie bedeutet (in Einzelaspekten mag diese Vorstellung der christlichen nahekommen, in anderen weit davon entfernt sein). Es wird auch darum gehen, dass solche Migrationsbewegungen unsere Sozialsysteme überlasten können, die demographische Struktur auf bislang noch nicht absehbare Weise beeinflussen werden und man sich in Summe auf ein Mehr an Selbstverantwortung statt staatlichen Einflusses wird einstellen müssen. Letzteres ist erst mal nicht schlecht, wurde den deutschen Familien in den vergangenen Jahrzehnten aber konsequent aberzogen: Für normale Bedarfssituationen ist der Staat zuständig, die Familie zieht nur in Ausnahmefällen – eine krasse Umkehrung früherer Verhältnisse.

In diesem Sinne haben gerade Liberale die Ehe und die Familie immer als die kleinste soziale Einheit (nach dem Individuum) gesehen und geschätzt. Man mag auch dort abweichen in Familiendefinitionen, aber eines sollte für einen Liberalen immer klar sein: Die Familie garantiert die Unabhängigkeit von staatlichem Einfluss, ist DIE Institution der Freiheit von der Gängelung und Steuerung durch den Staat. Kein Wunder also, dass Sozialisten zu allen Zeiten versucht haben, die Familie durch ein staatliches Versorgungssystem überflüssig zu machen und durch Propaganda zu diskreditieren. Sozialismus – egal wie fundamentalistisch oder „sozialdemokratisch“, egal auch mit welch positiven Intentionen angegangen – steht immer im Gegensatz zur eigenständigen Familie!

Man sieht also: Familie war immer ein wichtiges Thema, und sie wird es umso mehr, je unruhiger die Zeiten sind. Aber ist es da nicht sinnvoll, jede „soziale Einheit“ zu fördern, die gegenseitig Verantwortung übernimmt? Ist es da so entscheidend, ob diese Einheit der katholischen Vorstellung einer Familien entspricht?

Die katholische Kirche selbst stellt dieser sehr horizontalen, weltlichen Sicht der Dinge auch eine Vertikale gegenüber: Was ist die Vorstellung Gottes von der Familie, wie hat sich Gott eine Familie gedacht? An den Beschreibungen in der Bibel und den kirchlichen Lehraussagen kommt man da als Katholik so schnell nicht vorbei: Die Menschen als Mann und Frau geschaffen, die Ehe als unauflösliches Sakrament, ausgerichtet nicht nur auf eine ewige Liebe zwischen den Eheleuten sondern auf Kinder, die von Vater und Mutter großgezogen werden, gestützt im Sakrament durch die notwendigen Gnaden Gottes. Aus weltlicher Sicht erscheint das vielleicht als idealisiertes Bild von Familie (um nicht den Begriff „konservativ“ zu verwenden), aber eben auch genau eines, das die oben beschriebenen Herausforderungen zu meistern in der Lage ist.

Anders gesagt kann man sich weltlich dazu entscheiden, alles Mögliche Familie zu nennen: die „klassische“ Konstruktion wie oben beschrieben, eine homosexuelle Beziehung, die aber nicht auf Kinder ausgerichtet sein kann, gleichgeschlechtliche Paare mit Kindern, denen aber ein Geschlecht als Ansprechpartner und Rollenmodell fehlen wird, Geschiedene und wiederverheiratete Geschiedene, die aber genau die lebenslange Stabilität in Frage stellen, jedenfalls dann, wenn man sie als Normalfall zu kommunizieren und etablieren versucht. Es gibt natürlich auch die faktischen Situationen, in denen eine Familie aus Vater, Mutter und Kindern nicht aufrechterhalten bleiben kann. Aber gerade hier ist es doch notwendig, klassische Familien zunächst zu stärken und die Betroffenen zu begleiten – nicht aber, an der christlichen Vorstellung von Ehe und Familie „herumzuschrauben“, nur weil es besser ins weltliche Weltbild passt.

Ich bin überzeugt: Die katholische Vorstellung von Ehe und Familie sind nicht nur gottgewollt, sie sind vor allem auch praktisch das Idealbild einer Familie, die sich gegen die Widrigkeiten und Einflussversuche der Welt zur Wehr setzen kann. Die katholische Familie ist nicht nur – von außerhalb der Kirche betrachtet – ein „religiöses“ Konstrukt, sondern das Idealbild einer kleinsten sozialen Einheit, die sich selbst zu tragen in der Lage ist. Dass das an vielen Stellen politisch nicht gewollt ist, sollte uns nur stärken in der Einschätzung, dass wir mit diesem Familienbild auf dem richtigen Weg sind.

Noch mal die Frage: Gibt es nichts Wichtigeres in dieser Zeit, als über das Thema Familie zu diskutieren, wenn wir uns darum kümmern müssen, Millionen Flüchtlingen Obdach zu geben, wenn militärische und wirtschaftliche Krisen die Welt erschüttern und „die Kirche“ sowieso nur noch eine Interessengruppe unter vielen ist? Um all das müssen wir uns kümmern, wenn wir aber nicht die Grundlagen unseres Glaubens und unserer Gesellschaft stärken, bleibt das nur Stückwerk, bei dem mir der Satz in den Sinn kommt: Ich habe keine Zeit, die Säge zu schärfen, ich muss Bäume fällen!

Beitrag erschien auch auf: papsttreuerblog.de 

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